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Restaurant Confessionals

Wie es ist, von seinem eigenen Kellner verklagt zu werden

„Der Typ kam zu uns, arbeitete nur ein paar Stunden in der Woche und brachte uns um alles, was wir hatten.“

_Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Dieses Mal sprachen wir mit einer Köchin aus Buenos Aires, die von ihrem Kellner verklagt worden war._

Ich hatte einem meiner Kellner ein Visum besorgt. Als er es hatte, hat er mich verklagt. Das hätte ich nicht für möglich gehalten.

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Mein Chefkoch kannte einen Typen–nennen wir ihn John–, der gerade aus Europa nach Buenos Aires gezogen war, er suchte Arbeit. Mein Ehemann und Geschäftspartner hatte ein paar Kandidaten ausprobiert, doch John hatte eine deutliche größere Präsenz, zog sich gut an, hat den Wein gut präsentiert, hatte viel Erfahrung, sprach drei Sprachen und brachte die Gäste zum Lachen. Wir stellten ihn ein, einen gebürtigen Argentinier lehnten wir ab.

Außerdem war er mit unserem Chefkoch befreundet und brauchte Geld, sodass wir dachten: „Lass uns ihm einen Job geben." Hier ist es die oberste Regel, niemanden einzustellen, der illegal im Land ist. Er hatte aber kein Visum, deswegen tauchte er in unseren Büchern nicht auf. Normalerweise tun wir so etwas nicht, aber weil es in Argentinien üblich ist, schwarz oder als Tagelöhner zu arbeiten, stellten wir ihn ein.

Berühmte letzte Worte. Wir gaben ihm letztlich die Chance, uns zu verklagen. Klar, es ist bloß Geld, aber er hat eine solch hohe Summe gefordert und wir waren noch dabei, unser zweites Restaurant abzubezahlen, sodass es für uns richtig schwer wurde.

Er machte gute Arbeit, kam zwei oder drei Nächte die Woche, bis er darum bat, das Restaurant solle doch ein Visum für ihn beantragen. Als Chef des Ladens war ich selbstständig, also konnte ich den Antrag nicht einreichen, aber als wir unsere Geschäftsform änderten konnten und taten wir es. Wir mochten ihn. Er war sehr froh, aber als wir die Papiere unterschrieben, machte er diese Bemerkung. Wir hätten gewarnt sein sollen: „Wenn ihr mir das Visum nicht besorgt hättet, hätte ich euch verklagt."

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In Argentinien gewinnt in 9 von 10 Fällen der Arbeitnehmer, wenn er seinen Arbeitgeber verklagt. Das hat damit zu tun, nach welchen Grundsätzen das Rechtssystem aufgebaut ist. Es ist immer auf der Seite des Arbeitnehmers.

Es ist lachhaft: Leute, die niemals für dich gearbeitet haben, können das aber behaupten, bringen falsche Zeugen mit und gewinnen den Prozess. Auch, wenn alles gelogen ist. Das ist scheiße. Man fühlt sich hilflos. Man denkt daher zweimal darüber nach, ob man einen Laden haben will oder nicht. Jetzt rede ich so, aber eigentlich habe ich darüber nie so recht nachgedacht. Ich bin ein Koch und alles was ich will, ist gutes Essen zu machen.

Johns Attitüde änderte sich sofort, als er die Arbeitserlaubnis bekam. Wenn ich um etwas bat, weigerte er sich oder ignorierte mich einfach. Als wir die Art und Weise änderten, die Trinkgelder aufzuteilen, wurde er wütend. Bis dahin wurden zwischen der Küche und den Kellnern Halbe-Halbe geteilt. In der Küche gab es allerdings mehr Personal, die längere Schichten arbeiten mussten. Sechs Stunden dauerte die Schicht eines Kellners und in der Zeit konnte er sich etwa 35 Euro dazuverdienen, Tellerwäscher hingegen arbeiteten 9 Stunden und verdienten nur etwa 11 Euro dazu. Also entscheiden wir für die Firma, das gerechter zu gestalten.

Er war aufgebracht, aber Trinkgeld ist Trinkgeld, das kommt ja nicht aus unserer Tasche. Niemand der Kellner mochte die Entscheidung und der Manager sagte der ganzen Belegschaft, dass die Kellner nicht wollen würden, dass das Küchenpersonal mehr bekommt. Zwei Kellner schlugen sogar vor, dass wir der Küche mehr zahlen sollten, obwohl wir uns genau an den Tariflohn hielten. Dann wurde es ungemütlich.

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Ein paar Monate nachdem er seine Arbeitserlaubnis erhalten hatte, geriet John in einen Streit mit dem Restaurantmanager. Wir brauchten einen Babysitter und er schlug seine Freundin vor. Wir waren alle sehr beschäftigt und er wollte kurz gehen und seine Freundin abholen. Ich war schon nicht mehr im Restaurant und der Restaurantmanager hatte noch zwei Stunden zu arbeiten. John war sauer, weil der ihn nicht fahren wollte. Am nächsten Tag explodierte John schon wieder und wir sagten ihm, dass wir ihn kündigen würden, wenn sich das nicht ändern sollte.

Er sagte: „Na los, feuert mich." Ich fragte mich nach dem Streit, was zu Teufel eigentlich los war. John war ganz offensichtlich immer noch sauer, weil er jetzt weniger Trinkgeld bekam. Mein Mann feuerte ihn. Allerdings hatten wir uns nicht notiert, wenn er sich nicht korrekt verhalten hatte oder uns ignorierte. Wir hatten keine Beweise.

Wir schickten ihm die Kündigung, aber John kam mit einem Schreiben zurück, das sagte, dass wir ihm kein Urlaubsgeld gezahlt hatten. Hatten wir aber. Wir setzen ein zweites Schreiben auf und er verklagte uns auf 40.000 Euro, viel Geld in Argentinien. Das Geld würde ihm von nicht gezahlten Trinkgelder, unbezahlten Urlauben und Tagen fehlen, an denen er nicht einmal gearbeitet hatte.

Unser erster Anwalt gab uns den–sehr schlechten–Rat, darauf nicht einzugehen. Der zweite Anwalt, mit dem wir sprachen, sagte, wir sollen es sofort bezahlen, sonst könnte es in die Hunderttausende gehen.

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Wir machten ihm ein Angebot und er wollte 4.000 Euro haben, das Geld hatten wir nicht. Wir waren gerade dabei, das zweite Restaurant zu eröffnen und hatten uns Geld von meinem Großvater und jedem anderen, dem wir nahestanden, geliehen. Wir hatten nahezu kein Geld. Wir boten ihm 1.700 Euro, er lehnte ab. Am Ende lehnte er sogar 5.800 Euro ab, wir einigten uns dann auf 7.500 Euro, die wir in Raten bezahlen wollten. Dazu mussten wir noch seinen und unsere Anwälte bezahlen.

Dazu kam das: Als wir John gefeuert hatten, besorgte ihm ein anderer Angestellter von uns einen Job bei einer Freundin von mir. Ich rief an, um sie zu warnen. John arbeitet noch heute da, die Freundschaft zu ihr war beendet.

Ich bin Tag und Nacht in unserem Laden, habe zwei Kinder und wir arbeiten uns ständig ein zweites Arschloch. Der Typ kam zu uns, arbeitete nur ein paar Stunden in der Woche und brachte uns um alles, was wir hatten.

Ich fühle mich vom Gesetz ausgenommen. Ich bin so verletzt, ich werde mich nie wieder als Unternehmer sicher fühlen und mein eigenes Personal ist eine ständige Bedrohung für mich. Ich habe ihm vertraut, das ist schmerzlich. Wie konnte er nur so etwas tun, er wusste doch, dass ich nicht viel habe?

Er hat mir all mein Geld genommen. Aber scheiß drauf, es ist bloß Geld. Was wirklich wehtut, sind all die Probleme, die er zwischen mir und meinem Mann ausgelöst hat.

Karma ist allerdings 'ne Bitch und eines schönen Tages wird all das auf ihn zurückfallen.

Aufgezeichnet von Sorrel Moseley-Williams.