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Sex

Die erotischen Collagen einer Sexualkunde-Lehrerin

Wir haben mit Zoe Ligon über ihre neue Ausstellung gesprochen.
Bilder mit freundlicher Genehmigung der Superchief Gallery

Die neue Collagen-Reihe von Künstlerin Zoe Ligon besteht aus Bildern von Frauen, auf denen die Körper so bearbeitet wurden, dass sie wie eine Art Gitternetz erscheinen. Zoe Ligon ist dabei nicht nur Künstlerin, sondern auch Sexualkunde-Lehrerin, Sexshop-Besitzerin und Autorin. Die in Brooklyn wohnende Frau hat dort nun eine neue Ausstellung in der Superchief Gallery eröffnet, die den Namen Woman with the Good Meat Removed trägt—eine Anspielung auf die Diagramme, die zeigen, wo sich beim Rind das gute Fleisch befindet.

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Ligons Arbeiten wurden bereits als subversiver Gesellschaftskommentar beschrieben und beschäftigen sich mit den Themen Sexualität, Gender, Macht sowie deren visuelle Darstellung.

Bilder von sexuellen Handlungen und weiblichen Körpern in verführerischen Posen legt sie über Darstellungen von banalen Objekten wie etwa Toilettenpapier oder einem Rosenbeet. Superchief bezeichnet diese Arrangements als Gegenüberstellung von alltäglichen Dingen und Frauenkörpern: „Im Vordergrund stehen neben Themen mit Bezug auf die Weiblichkeit und angenehme Texturen auch Elemente der Anonymität. Indem sie die Menschen auf den Bildern auf die 'Knochen'—also Geometrie, Symmetrie, Linien und Ecken—reduziert, zeigt Ligon nur das absolut Nötigste, nämlich eine Hülle.“

Ligon betreibt sonst aber nicht nur ihr eigenes Sexblog, sondern schreibt für Refinery29 auch regelmäßig über Themen wie Geschlechtsverkehr und Erotik. Sie hat ihre Arbeiten schon in unzähligen Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert. Ihre Werke fanden den Weg in verschiedene Kunstmagazine und andere Veröffentlichungen. So hat auch VICE ihre Collagen schon in einigen Artikel verwendet. Wir haben uns mit Ligon unterhalten, um mehr über ihre Kunst und die dieser zugrundeliegenden Absichten zu erfahren.

The Creators Project: Wie sieht deine Zielgruppe aus? Machst du dir dazu überhaupt Gedanken?
Zoe Ligon: Zwar beschäftige ich mich viel mit der Analyse der Kunden meines Sexshops und den Lesern meiner Sexualkunde-Artikel, aber ich weiß gar nicht wirklich, wer genau auf meine Kunst steht. Ich glaube, dass sexuell aufgeladene Kunst stark polarisiert, und ich könnte mir denken, dass die Menschen, denen meine Werke gefallen, auch in gewissem Maße Pornos konsumieren. Bei meinen Collagen sind die erotischen Bilder jedoch oftmals so zensiert, dass sie auch für die Leute zugänglich sind, die eigentlich nicht wirklich auf so etwas stehen. Vielleicht steckt hinter meiner Kunst also zum Teil auch die Motivation, mehr Menschen das Konzept von „nicht traditionellem“ Sex näher zu bringen.

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Was sollen die Besucher durch deine Galerie lernen?
Selbst regelmäßigen Porno-Konsumenten fällt es nicht immer leicht, sich in der Öffentlichkeit das Bild einen Penis' anzuschauen. Ich finde es witzig, wie manche Leute meine Werke erst kurz betrachten und sich dann schnell zurückziehen—so als ob sie sich eigentlichwirklich mit den abgebildeten Körpern beschäftigen wollen, das aber aufgrund ihrer Unsicherheit oder ihrer Scham nicht schaffen. Ich bin der Meinung, dass es für die persönliche Entwicklung unglaublich wichtig ist, die Grenzen der eigenen Behaglichkeit zu erforschen. Deshalb finde ich es ja auch so gut, dass meine Kunst manche Menschen genau das machen lässt. Wenn sich jemand irgendwie unwohl fühlt, dann sollte er oder sie sich mit dem Ursprung dieses Gefühls auseinandersetzen. Manchmal kann ich Pärchen dabei beobachten, wie sie durch meine Galerie schlendern und sich bezüglich der Werke dann entweder uneinig sind oder das Ganze zusammen genießen. Diese kurzlebige Dynamik finde ich immer wieder toll und sie sagt auch viel über den Einklang der Menschen mit ihrer eigenen Sexualität aus. Und dennoch liegt meine Intention wohl darin, eine gewisse Dissonanz zu schaffen, und es möglich zu machen, sich mit diesem Gefühl des Unbehagens zu beschäftigen.

Welche Fragen wirfst du auf?

Ich glaube, dass jeder Betrachter in meiner Kunst etwas anderes sieht. Mein größter Wunsch ist es, dass sich die Menschen mit den Gefühlen auseinandersetzen, die meine Werke bei ihnen auslösen. Sie sollen sich fragen, warum das so ist und woher das kommt. In meinem Sexshop reagieren die Kunden auf die riesigen Dildos oftmals entweder mit Humor oder mit extremer Verlegenheit. Das sind zwei sehr gegensätzliche Reaktionen. Ich glaube, dass die Auseinandersetzung mit dem eigenen Unbehagen in Form von direkten Verhaltensweisen wie eben etwa Humor oder indirekten Verhaltensweisen wie etwa Scheu sich auch dann manifestiert, wenn die Leute meine Kunst betrachten.

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Anonymität und das Wegfallen der Identität scheinen vorherrschende Themen bei deinen Arbeiten zu sein. Was genau bedeutet Anonymität für dich?

Es war jetzt keine wirkliche Absicht, die Figuren in meiner Kunst anonym zu machen. Meiner Meinung nach sieht es einfach nur gut aus, Teile des Aussehens zu entfernen. Mein Stil mit den weggeschnittenen Formen ist dann immer beliebter geworden und man dachte sogar, dass ich auf einigen Bilden selbst zu sehen wäre. Das war zwar nicht der Fall, aber ich begann so auch damit, Bilder meines eigenen nackten Körpers für meine Kunst zu zerschneiden. Das fand ich super, weil ich so meine Nacktbilder "veröffentlichen" und trotzdem anonym bleiben konnte. Diese Kunstwerke habe ich letztendlich aber nie veröffentlicht. Es war jedoch auf jeden Fall interessant, mal selbst das Motiv zu sein.
Da ich in der Sexindustrie arbeite und dabei meinen echten Namen benutze, hat man auch schon öfters meine privaten Informationen im Internet veröffentlicht. Deshalb litt ich auch schon unter schlimmer Paranoia und Angststörungen. Ich bereue zwar nicht, unter meinem richtigen Namen tätig zu sein, aber ich muss eben damit klarkommen, dass diese Tatsache gewisse Risiken birgt. Selbst in einer liberalen und progressiven Gegend wird man auf gewisse Art und Weise immer noch stigmatisiert. Bis unsere Gesellschaft an einem Punkt angekommen ist, an dem man die Arbeit mit Sexualität nicht mehr als negativ ansieht, bleibt die Anonymität auch weiterhin ein wichtiger Faktor für die Sicherheit der Leute, die in dieser Industrie ihr Geld verdienen.

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Die Galerie beschreibt deine Arbeiten als die "Dekontextualisierung von Formen". Außerdem "beschneiden sie die Identität in Bezug auf deren umgekehrtes Verhältnis zur Macht". Wie interpretierst du das?

Ich interpretiere es so, dass Schwänze und Schamlippen eine ziemliche Wirkung entfalten können, wenn man sie ohne den dazugehörigen Körper abbildet. Viele Leute nehmen mein Werk von einem Penis, der aus einem Wasserkelch ragt, als Beispiel dafür. Viele der überbelichteten und von Adern geprägten Dick-Pics, die mir zugeschickt werden, verursachen bei mir extreme Fremdscham. Wenn aber ein fröhlicher Penis aus einem Kelch rauslukt und von ganz gewöhnlichen Gegenständen umgeben ist, denke ich mir automatisch: "Wie süß! Wie geht's dir, mein kleiner Freund?" Der gleiche Penis würde als private Nachricht sicher keine so positive Reaktion hervorrufen. Meine Arbeiten lassen diese sexuelle Komponente verschwinden und das Ganze doch recht alltäglich erscheinen.

Und warum gerade Collagen?

Nun, bei anderen Formen der visuellen Kunst versage ich komplett. Mir fällt es schwer, ein ganzes Bild von Grund auf zu kreieren. Wenn ich mir jedoch bereits existierende Bilder anschaue, dann weiß ich direkt, was ich davon verwenden kann und was nicht. Leider wird bei vielen Pornos nicht wirklich darauf geachtet, ob sich die Darsteller wirklich gut anstellen, und ich weiß vor allem bei den weniger bekannten Nacktheftchen oftmals gar nicht, was die Fotografen da eigentlich erreichen wollten. Wenn ich auf sexuelle Bilder von Frauen stoße, die offensichtlich aus einer männlichen Perspektive geschossen wurden und nur zur Erregung von Männern gedacht sind, dann macht es mir unheimlich viel Spaß, diese Bilder in ein neues Kunstwerk zu verwandeln. Und damit meine ich ein Kunstwerk, dass zwar die Form der Frau beibehält, gleichzeitig aber diese männliche Perspektive verschwinden lässt.

Mehr Informationen findet ihr auf der Website der Superchief Gallery. Weitere von Zoe Ligons Arbeiten auf ihrer Website.