Deutschsprachige Songtexte können wunderschön sein. Manchmal verlieren sich die Texter aber ein wenig zu sehr in der dichterischen Freiheit und aus der versuchten Poesie wird ganz schnell ein bemühtes Sprachbild-Bingo.
Es gehört eine gewaltige Portion Mut dazu, als Band die eigenen Songs auf Deutsch zu schreiben: Die Gefahr, dass die Lyrics wie eine Mischung aus Paulo Coelho und pubertären Tagebucheinträgen klingen, ist einfach sehr, sehr groß. Und das schlimmste ist: Die Hörerinnen und Hörer verstehen jedes einzelne Wort – es gibt keine Ausreden.
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Auf Englisch kann man hingegen die absurdesten Phrasen in Songtexten verpacken und niemandem fällt es auf. Das beste Beispiel dafür: Katy Perry, die in “Firework” gleich am Anfang folgende nicht ganz alltägliche Frage stellt: “Do you ever feel like a plastic bag?” Eine Zeile, die auch in Hinblick auf das Plastiksackerlverbot nicht gut altern wird.
Ein paar poetische Entgleisungen haben sich aber auch in den deutschsprachigen Texten von österreichischen Musikern versteckt. Hier ist eine unvollständige Liste voll mit absurden Sprachbildern und raffiniert gedachten Referenzen, die sich doch nicht ganz ausgehen:
Bilderbuch – “Psychiatrie”
Deine Mutter kaufte dir ein großes Trampolin,
damit du auf uns alle herabschauen kannst
Wir müssen investieren in die Autobahn,
sonst kommen wir hier nicht weg.
Bevor sich Bilderbuch gänzlich dem digitalen Dadaismus verschrieben haben, begann die Band ihre Karriere in der Indie-Szene, die sich in den späten Nullerjahren um den intelligentesten popkulturellen Querverweis stritt. Auf ihrem Debütalbum Nelken & Schillinge, das nächstes Jahr schon unfassbare zehn Jahre alt wird, findet sich dementsprechend auch der Song “Psychiatrie“, der dann doch ein paar Fragen aufwirft:
In welchem Klostergarten in Kremsmünster steht das angesprochene Trampolin? Wurde die Autobahn schon gebaut? Gibt es nach Babylon keine Bundesstraße? Vermutlich verstecken sich die Antworten auf diese Fragen irgendwo im mittlerweile sehr dicht bewachsenen Textdschungel der Band, im Moment ergibt das alles aber noch sehr wenig Sinn. Mea culpa?
Kurt Razelli – “Lost in Space” (feat. Matthias Strolz)
Ich steh am Abend gerne am Balkon und schaue in den Himmel,
denke mir dann: Wir sind ja wirklich nur ein Tropfen Zeit.
Da oben sind Millionen von Galaxien mit jeweils Milliarden von Planeten
und wir können, diesen, unseren, nicht verlassen.
Eine Parlamentsrede als Song? Kurt Razelli und Matthias Strolz sorgen mit Ultraschall-Geschwindigkeit dafür, dass die österreichische Popkultur endgültig zum GIF wird. Und, auch wenn man es ungern zugibt: Es fällt sehr schwer, diesen Kosmos aus Eurodance, Binsenweisheiten und der Energie von Matthias Strolz nicht zu mögen.
Trotzdem muss auch einmal die simple Wahrheit ausgesprochen werden: Das ergibt doch alles überhaupt keinen Sinn. Kurt und Matthias sind auf ihrer musikalischen Reise tatsächlich “lost in time und lost in space” – und vor allem auch lost in meaning, wie es in der ursprünglichen Rede im Parlament noch weitergeht. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.
Edwin – “Kokosbusserl”
Gib mir noch ein Kokosbusserl, Silvia,
dein Schmuck ist überall bekannt, Silvia.
Führst immer Spompanadln auf, Silvia.
Immer, immer, immer wieder Silvia.
Dieser Song ist so gut, weil er sich in den Ohren festsetzt wie die Kokosraspeln in den Zähnen nach den obligatorischen Kokosbusserln am Kirtag. Edwin singt über Süßgebäck, als hätte er gerade eine Magnumflasche Malibu geext, die perfekte Mischung für einen Sommerhit.
Betrachtet man aber den Text losgelöst von seiner Performance, dann sind die Synapsen ein wenig überfordert. Wie hat Edwin Augen für den Schmuck von Silvia, wenn er gerade eigentlich Kokosbusserl kauen sollte? Welche Spompanadln führt Silvia auf, wenn sie Edwin eigentlich ja nur Kokosbusserl in den Mund schiebt? Und warum scheinen die beiden das öfter zu machen?
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Andreas Gabalier – “Kleine heile steile Welt”
I glaub an den Petrus an der Himmelstür
Der sagt, komm her zu mir, Bua i muss reden mit dir
Vaterunser beten, Holzscheitelknien
Nach einem Zeltfest im Rausch am Heuboden die Unschuld riskieren
Man hätte den gesamten textlichen Output von Andreas Gabalier als Beispiel nehmen können, weil eigentlich jeder Songtext von ihm ein Konglomerat aus Konservatismus und Kirchenbeitragswerbung ist. Wir beschränken uns hier aber auf vier Zeilen, die die textliche Welt von Andreas Gabalier ausreichend illustrieren.
Mit seinem wilden Mix aus Nostalgie und Heimatlandliebe könnte man Gabalier beinahe in die gleiche Reihe wie Hyäne Fischer stellen. Nur, dass bei ihm eben der doppelte Heuboden fehlt. Der metaphernreiche Move vom Petrus an der Himmelstür über Züchtigungsmethoden bis zum Rausch am Zeltfest, der ihn schlussendlich zum brünftigen Hirschen macht, reproduziert nämlich nur ein antiquiertes Weltbild.
Money Boy – “Skrrt Skrrt Ice Ice”
Hüpfe aus dem Jet und ich kaufe mir ein Amulett
Bin im Restaurant und bestelle mir ein Lamm-Kotelett
Yeah, und es wird serviert mit dem Couscous
Und eine Groupie-Bitch gibt mir einen Kuss, Kuss (muah)
Was wäre eine Liste von absurden österreichischen Songtexten ohne den Meister des Faches zu featuren? Money Boy ist die seit Jahren hängengebliebene Schallplatte, die über verschiedene Beats immer wieder die gleichen vier Bars variiert. Bei “Skrrt Skrrt Ice Ice” hat sich Money Boy dann aber vielleicht doch ein wenig zu weit in den Online-Reimgenerator vorgewagt.
Jet, Amulett, Kotelett? Das reimt sich zwar alles, der Zusammenhang zwischen den einzelnen Elementen ist aber doch sehr schwer zu erkennen. Als wäre das nicht schon absurd genug, macht auch der zweite Paarreim die Strophe nicht besser: Kuss, Kuss auf Couscous folgen zu lassen, gilt nicht einmal im Französischunterricht.
Tagträumer – “Liebe = X”
Ja, vielleicht bist es du
Und vielleicht bin es ich
Vielleicht ist Liebe gleich Liebe gleich Liebe Gleich X (uuuuh)
(Vielleicht ist Liebe gleich Liebe gleich Liebe)
Hach, die Tagträumer. Man kann sie sich so gut vorstellen, wie sie sich in ihr eigenes Hirn hineinkuscheln und dann besoffen von der eigenen Kreativität die Assoziationsketten in ihr in Leder gebundenes Notizbuch schreiben. Dabei sind schon Songs mit so vielversprechenden Titeln wie “Unendlich gleich“, “Brücken zum Mond” und “Straßenlaternen” entstanden.
Bei dem Versuch, die Liebe zu verstehen, sind sie aber mit dem Song “Liebe = X” ganz tief in die Metaphernhölle abgerutscht. Liebe Tragträumer: Nicht alles, was nach Wahrscheinlichkeitsrechnung klingt ist auch ein Vergleich. Liebe = Liebe = Liebe = X? Sorry, diese Gleichung geht bei euch absolut nicht auf.
Granada – “Sauna”
Leidenschaftlich und sehr sinnig
Dabei ganz brodelnd-innig
Es is dei Haut die dampft und bebt
Erst wenn die Gluat zuaschlogt
Der pure Puls das Bluat aufjogt
Spürts wie’s dein Körper belebt
Die Geschichte der Popkultur ist voll von Personifikationen: Die Erde, die Liebe, das Wetter, der Tod – alles war schon einmal Subjekt. Die steirische Band Granada hat dieses Stilmittel in ihrer Abhandlung über die Saunakultur aber nun endgültig bis zum Hitzekollaps ausgereizt.
Bereits die personifizierte Sauna als Objekt der Begierde im Refrain mutet etwas absurd an, aber Zeilen wie “wenn der pure Puls das Blut aufjagt” klingen schließlich eher nach Freakshow als Wellnessurlaub. Granada glauben zwar, dass jeder gern einmal vorbeikommt. Aber ganz ehrlich: Auf diesen Aufguss würde ich gern verzichten.
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