Schwarzlicht, Hippies und Veränderung—Österreichs Goa/Psytrance-Szene

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Schwarzlicht, Hippies, Blumen und rollende Bässe. Das ist das, was sich der Durchschnitts-Partygänger unter Goa oder Psytrance so vorstellt. Die Begriffe sind übrigens grundsätzlich deckungsgleich, aber in der Szene wird man eher von Psytrance hören.

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Psytrance ist eine Musikrichtung, die in den frühen 90ern, von Aussteigern, in Indien—genauer gesagt, Überraschung, in Goa—entwickelt wurde und recht schnell seinen Weg nach Europa fand. Auch nach Österreich. Es bildeten sich kleine Communitys, und die ersten Partys wurden in kleinem, familiären Rahmen abgehalten. Jeder hatte seine eigene Interpretation von Psychedelic-Trance, und so entwickelte sich dieses Genre zu einer der facettenreichsten Musikrichtungen überhaupt. Von langsam bis schnell, von aufgeweckt bis düster, von wirren, psychedelischen Synths bis zu Pop-Samples—all das ist Psytrance.

Eines vorweg: Wie in den meisten Szenen, ist es auch in dieser äußerst unüblich, so zu verallgemeinern, wie ich es jetzt tun werde. Deshalb möchte ich mich auch nicht in den Vordergrund drängen und schreibe diesen Text unter einem Pseudonym. Ich bin nicht umsonst ein Teil der Szene, ich mag nämlich diesen Umgangston der da herrscht: uneitel, freundlich und sehr empathisch—die typischen Goagänger sind eben moderne Hippiekinder.

Lasset die Verallgemeinerung beginnen. In Österreich gibt es drei Arten von Psy-Partys:

Die großen Mainstream-Partys

Das sind die kommerziell, groß ausgelegten Partys, die auch von einigen aus der Kernszene gemieden werden. Wie das Wort „kommerziell“ schon erraten lässt, werden diese Partys mit der Motivation, möglichst viele Menschen anzusprechen, organisiert. Ich spreche hier zum Beispiel von den Cosmic oder Together Trance Project Partys, die immer sehr hohe Besucherzahlen haben und Locations wie die Grelle Forelle, Pratersauna oder seit neuestem auch die Kantine anmieten. In die Dekoration und in die Acts wird scheiß viel Geld reingepfeffert. Logischerweise ergeben sich dann noch zusammen mit der Location-Miete ein Eintrittspreis, der deutlich höher ist, als der Eintritt auf kleineren und familiären Goas—sofern es dort überhaupt einen gibt. Meistens spielt es auf diesen Partys Progressive Psytrance, das ist easy für die breite Masse, die Geschwindigkeit erreicht so um die 138 BPM. Und es wirkt. Die größten dieser Partys locken bis zu 1500 Leute an. Das Publikum? Eher szenefern. Aber es sind Leute, die Goa spannend finden und auch bereit sind, eine gute Zeit zu verbringen. Oft ziemlich jung. Bekannteste musikalische Vertreter, die oft auf solchen Partys vertreten sind wären Neelix, Klopfgeister, Protonica und Symphonix.

Szene-Partys

Die Szene-Partys sind wirklich sehr unterschiedlich und schwer zu kategorisieren—eigentlich fast unmöglich. Aber man kann vielleicht versuchen eine Tendenz zu beschreiben. Das sind deutlich kleiner ausgelegte Partys, der Sound ist meistens schneller und auch düsterer wie der auf den kommerziellen Partys—da gehen die BPM schon mal um die 145. Im Gegensatz zu den Mainstream-Partys, wo es einen Teilziel Profit gibt, sind solche Szene-Partys Non-Profit. Das heißt, man will eigentlich nur kein Geld verlieren. Vertreter solcher Partys wären die Kodama, Deeprog und Soundlab Pirates Partys. Die Locations, die gebraucht werden, sind deutlich kleiner. In Wien werden solche Partys am ehesten im Weberknecht, Fluc und Werk gehostet. Auch der große Club 34 ist manchmal eine Location. Das Publikum? Man kennt sich, man grüßt sich, man hat sich gern. Im Gegensatz zu den großen Events sieht man viel mehr Dreadlocks und Tattoos. Bekannte Acts sind Ajja, Plasmotek, Earthling und Space Buddha—und sehr, sehr viele mehr. Diese Art von Party ist der Ursprung der Goapartys in Österreich, weit verbreitet und auch eine Gelegentheit für die Szene, sich die verschwitzte Hand zu schütteln und zusammen zu tanzen.

Hitech/Darkpsy Partys

Das ist noch relativ neu in der Szene und vermischt, ganz grob gesprochen, die Tekk-Szene mit der Psy/Goa-Szene. Der Sound ist sehr schnell, bis über 200 bpm, und bei Gott nichts für schwache Nerven. Momentan hält aber der Trend an, und Hitech- und Darkpsy-Partys werden immer größer. Solche Partys schmeißt zum Beispiel Lucid Dreams, Psygsichta und Masters of Puppets. Die größte Party hatte bisher nicht mehr als 600 Gäste, was aber nicht heißt, dass diese Fusion von der Tekk und Psyszene zu unterschätzen ist. Im Gegenteil. Durchschnittlich erreicht so eine Party 150 bis zu 300 Besucher im Club 34, Viper Room, Camera Club und Werk. Doch auch mainstreamigere Clubs wie die Forelle fangen an, als größere Location für Hitech-Party zu dienen. Acts die bekannter sind wären: Parandroid, Crazy Astronaut, Cosmo.

Ich weiß, ich habe jetzt immer Wiener Clubs genannt. Aber ich will auf gar keinen Fall, dass der Eindruck entsteht, dass Wien die Stadt ist, wo ein Goa-Herz am glücklichsten wird. Ist es nämlich nicht. Die österreichische Hauptstadt von Psy- und also auch Goapartys, ist Innsbruck. Es ist ein einziges Goa-Mekka mit Festen mit bis zu 4000(!) Gästen. Das ist ein Wahnsinn, den Wien nicht so schnell nachmachen kann. Insane Vision und Psybox, zwei Veranstalterteams, duellieren sich regelmäßig darum, wer die größeren Partys schmeißt und die größeren Acts bucht. Allerdings gibt es in Wien mehr kleinere Partys und mehr „Goaheads“—Menschen die im Alltag den Goastyle tragen und leben.

Was alle Goapartys, unabhängig der Größe und der BPM gemein haben

Wenn du schon einmal auf einer Goa Party warst, wird die Dekoration nicht an dir vorbeigegangen sein. Vor einer Party arbeiten mehrere Deko-Teams oft einen ganzen Tag zusammen—es werden Tücher über der Tanzfläche gespannt, String-Arts aufgehängt und Schwarzlichter aufgebaut. Bei kleineren Partys helfen Freunde unentgeldlich mit, einfach nur, damit es schön für die Besucher wird. Eine Technoparty wo den ganzen Tag gratis dekoriert wird, einfach weil‘s Spaß macht? Kenne ich nicht. Die Gäste schätzen die Deko, deshalb wird im Gegensatz zu anderen Partys auch kaum etwas kaputt gemacht.

Aber die beste Deko macht noch lange keine gute Party. Das wichtigste ist die Anlage. Viele Veranstalter achten darauf, dass der Sound stimmt. Das Problem? Durch ein teureres Soundsystem und aufwendige Dekoration ergibt sich oft ein hoher Eintrittspreis von bis zu 20€ pro Person oder sogar darüber. Doch das ist es dem Publikum wert—ein großer Unterschied zu Partys im Tekk-Bereich.

Das Publikum ist auch sonst ziemlich super, weil friedlich, freundlich, zuvorkommend und mitfühlend—moderne Hippies eben. Hier prügelt sich kaum jemand und Mädchen werden auch nicht dämlich angemacht—zumindest deutlich weniger als anderswo. Goa-Partys werden wegen der einzigartigen Stimmung, den Leuten und der Musik besucht—nicht um Besoffene abzuschleppen. Überhaupt ist Goa eigentlich keine alkoholgeschwängerte Szene. Trotzdem sind vor allem Cannabis, LSD, MDMA also auch Ecstasy hier part of the game. Das Zusammenspiel von psychadelischer Musik und farbiger Dekoration, macht ein stimmiges Setting und ergänzt sich gut mit dem Konsum von psychedelischen Substanzen.

The place to be

Auch wenn Goa fast immer mit Outdoor/Sommer-Partys verbunden wird, ist die Szene eigentlich das ganze Jahr über aktiv. In der Sommerzeit werden aber die größten aller Partys veranstaltet: Goa-Festivals. Auch in Österreich finden mit dem Flow, dem Paradise und anderen solche Veranstaltungen statt. Das Paradise war früher hierzulande das größte seiner Art, legt gerade aber seit zwei Jahren eine Pause ein. Das Flow wächst und wird immer größer. Spirit Base ist zwar ein österreichisches Festival, wird aber in Ungarn in Grenznähe abgehalten. Früher war es eines der größten Festivals in Österreich, sein Ruf hat aber unter organisatorischen Fehlern und dem Umzug nach Ungarn gelitten.

Überhaupt ist Ungarn—neben Portugal und der Schweiz—ein gutes Pflaster für Goa-Festivals. Das dortige Ozora wird auch von vielen Österreichern besucht, nicht nur weil verschiedenste Psy-Richtungen dort gespielt werden, sondern weil es auch von der Aufmachung her sehr außergewöhnlich ist. Dank der Orban-Regierung in Ungarn gibt es dort leider aber auch immer mehr Razzien. In Clubs findet Psytrance während der Sommermonate kaum statt, aber größere und kleinere Partys im Freien.

Goa-Partys befinden sich im Umbruch

Jedoch kippt auch in der Szene langsam die Stimmung. War man länger nicht auf einer Goaparty und besucht heutzutage eine, fragt man sich, wohin die ganzen Elfen und Blumenkinder verschwunden sind. Goa-Partys sind „mainstreamiger“ geworden, aber auch durch neue Locations, aggressive Vermarktungsstrategien der Veranstalter usw.. Vor 10 Jahren haben die Gäste noch Blumen in den Haaren gehabt und sich gegenseitig bunte Muster ins Gesicht gemalt. Heutzutage wird das immer seltener. Und so kommt es, dass man sich auf so mancher kommerzielleren Goa-Party wie in einer Großraumdiskothek á la Praterdome fühlt. Denn auch immer mehr „Proleten“ und Leute, die nichts mit dem „Goa-Spirit“ zu tun haben, kommen auf den Geschmack. Das hat auch zur Folge, dass die kleinen Partys ebenso von immer mehr jungen und neuen Leuten besucht werden, die zuerst über die Großraum-Partys sozialisiert wurden, wo man ihnen aber nicht den Spirit erklärt hat.

Es gibt also Umbrüche in der Szene, die aber relativ freundlich hingenommen werden. Goaleute sind eben sehr offene und liebe Menschen, die gerne auf den kleineren Partys den Frischlinge erklären, worum es geht. Denn es gibt sie natürlich immer noch, diese teils halbgeheimen, kleinen Partys, die nicht promotet werden und keine teueren Acts beinhalten. Das hält die Eintrittspreise sehr niedrig und garantiert, dass man unter sich bleibt. Dort lebt dann auch der alte Hippie-, Liebe- und Flower-Power-Flair auf.

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