Schrill, spontan, nah – in Tim Bruenings neuer Ausstellung treffen Blockbuster auf Intimität, Scheinwerferlicht auf vertrautes Umfeld, riesige Stars auf seine Oma.
In Oldenburg präsentiert der Hamburger Fotograf nun seine Einzelausstellung “Comeback” mit dazugehörigem Buch, die sich mit der Filmwelt und ihren Bewohnern auseinandersetzt.
Videos by VICE
Denn Tim Bruening hat nicht nur seine Oma Elsbeth fotografiert. Neben Elsbeth in Kostümen großer Filmikonen hängen intime Schnappschüsse internationaler Filmstars. Die kennt Tim Bruening aus seiner Zeit, als er selbst in Los Angeles lebte und sich dort mit der glitzernden High Society anfreundete.
So entsteht ein Kontrast, der sich durch die Arbeit zieht. Auf der einen Seite prominente Gesichter, die wir so nah erleben, als wären sie unsere engsten Freunde. Auf der anderen Seite Tims Oma, die in ihren berühmten Kostümen auf nostalgische Weise vertraut wirkt. Tims Ausstellung könnt ihr bis zum 03.10. im Horst-Janssen-Museum in Oldenburg anschauen.
Wir haben mit Tim über sein Projekt und vor allem seine Oma gesprochen.
Auch bei VICE: Eine kulinarische Tour durch die ikonischsten Restaurants von Hollywood
VICE: Wie kamst du auf die Idee, deine Oma Elsbeth in Kostüme zu stecken?
Tim Bruening: Sie hat damit angefangen. Vor zwei Jahren hat sie eine vegane Wildlederjacke gekauft. Dafür haben meine Mutter und Tante sie immer aufgezogen. Die beiden fanden, dass sie damit ein bisschen wie ein Cowboy aussah. Als meine Oma mir erzählte, dass sie auf dem nächsten Familientreffen mit einem zur Jacke passenden Cowboyhut aufkreuzen wolle, musste ich das einfach fotografieren. Alle haben sich schief gelacht und gefragt, was denn schon wieder mit Oma los ist. So entstand das erste Foto, und sie hatte Freude daran.
Und wie kamen die Filmfiguren dazu?
Als ich an dem Projekt gearbeitet habe, wollte ich noch eine weitere Ebene einbauen, eine persönlichere. Ich bin niemand, der einfach nur Promis zeigen will, das finde ich langweilig. Es braucht mehr Tiefe. So kam dann die Idee mit Oma. Für uns eine Win-Win-Situation, so konnten wir Zeit miteinander verbringen, hatten Spaß, und für die Ausstellung wurde eine wichtige Ebene geschaffen. So verweben sich jetzt die Aufnahmen meiner Oma mit den Portraits von Weltstars, bekannten Filmsets und Landschaftsaufnahmen zu einem dichten Gesamtwerk.
Wie hat deine Oma reagiert, als du sie gefragt hast?
Sie sagte: “Tim, du kennst so viele hübsche Mädchen und so viele tolle Menschen, mach das doch mit jemand anderem.” Da habe ich gesagt: “Nein Oma, das geht nicht, das musst du sein, das weißt du auch!” Nach dem ersten Mal hatte sie ohnehin schon Blut geleckt und sich öfter mal verrückte Hüte oder andere Accessoires gekauft. Wenn sie sich mit ihren Freundinnen getroffen hat, hat sie sich dann immer mal wieder verkleidet. Die haben sie teilweise gar nicht mehr erkannt.
Welches Kostüm hat ihr am besten gefallen?
Kill Bill mochte sie nicht, das fand sie zu brutal. Und sie fand sich mit der blonden Perücke blöd. Aber den Joker fand sie gut. E.T. fand sie auch lustig. Das haben wir einfach auf der Straße fotografiert, da kamen dann Leute an und haben gefragt, was da los sei.
Ist sie auch mal genervt, wenn du wieder mit Foto-Shootings ankommst?Sie hat einen tollen Humor, haut ständig Sprüche raus. Und mittlerweile hat sie ihr Schicksal auch akzeptiert. Sie versteht, was ich mir dabei denke, sie ist ja auch selbst kunstinteressiert. Und wenn sie mal keine Lust hat, kann ich mit ihr reden und sie überzeugen, indem ich ihr beispielsweise Filmausschnitte zeige und ihr erkläre, warum ich diese Figur gerne machen würde.
Wann hast du deine Oma zum ersten Mal fotografiert?
Das erste Mal habe ich sie nicht fotografiert, sondern gefilmt, das war 2008 oder 2009. Ich habe während meines Studiums einen Dokumentarfilm über sie angefangen, der allerdings nie fertig wurde. Irgendwann habe ich die Filmerei sein lassen und lieber Fotos gemacht. So hat sich das verschoben. In letzter Zeit habe ich sie aber auch wieder gefilmt, in der Ausstellung gibt es auch Filme von ihr. Nicht aus der Doku, aber aus dem aktuellen Projekt, für das sie in die Filmrollen schlüpft. Und vielleicht stelle ich auch die Doku über sie eines Tages fertig.
Was fasziniert dich so an deiner Oma?
Sie hat ein unglaubliches Gehirn, sie kann die komplette Familiensaga aller Menschen aufzählen, die sie je getroffen hat – aller Cousins, Onkel, Großtanten und Nachbarn. Während des Krieges hat sie geschmuggelt und musste aus Polen fliehen, um zu überleben. Dadurch hatte sie keine schulische Ausbildung und musste das später selbst nachholen. Eigentlich wollte sie zum Ballett, aber sie hat sehr früh Kinder gekriegt. Drei Söhne und zwei Töchter. Ihre drei Söhne sind mittlerweile alle verstorben. Trotzdem hat sie eine total positive Lebenseinstellung, ist interessiert am Leben, Kunst, Kultur und den Menschen. Sie ist einfach eine wahnsinnig interessante Persönlichkeit.
Wie ist die Beziehung zu deiner Oma?
Gut. Sie unterstützt mich, wo sie kann, und wir telefonieren oft. Sie hat auch noch andere Enkelkinder, aber mit mir telefoniert sie am häufigsten, mindestens einmal die Woche. Sie erzählt mir Sachen, die andere Leute nicht wissen sollen, inklusive meiner Mutter. Und ich erzähle ihr auch Sachen, die andere nicht wissen sollen. Wir haben unsere Geheimnisse, also ein sehr enges Verhältnis.
Was hast du durch das Projekt neues über deine Oma gelernt?
Dass sie älter wird. Ich habe mir während der Arbeit auch noch mal die früheren Aufnahmen aus der Doku angesehen, und da sieht man schon einen Unterschied. Deswegen muss ich jetzt auch besser planen. Sie wird 88 und braucht dementsprechend immer ein bisschen Vorlauf. Das ist anders, als wenn man das mit jemandem macht, der Anfang 20 ist. Aber das hat alles ganz gut hingehauen.
Hast du das Gefühl, dass deine Arbeit euch einander näher gebracht hat?
Wir standen uns ja eh schon sehr nah. Aber letztens haben wir gefacetimed, da hat sie gelacht und mir mit der Faust gedroht, dass sie mir das alles heimzahlen wird. Also ja, das hat uns echt noch mal näher zusammengebracht.