One-Hit-Wondering mit Dexys Midnight Runners

Hi! Willkommen zu meiner neuen Kolumne One-Hit-Wondering. Ich suche mir jede Woche eine andere One-Hit-Wonder-Band aus und höre mir alle ihre Songs an—oder zumindest die meisten—um diesen Künstlern eine Chance zu geben, sich von ihrem Ruf zu erlösen.

Dexys Midnight Runners

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„Come On Eileen“—ein unsterblicher Hit, wie ich finde.

Bis auf das „too rye ay!“-Gesinge zu unzähligen Gelegenheiten, wusste ich nicht besonders viel über die Dexys. Also entschied ich mich dazu, mit dem Album anzufangen, auf dem der einzige Hit der Band beheimatet war, ein Album, das nach diesem typischen Gesinge benannt wurde. Als ich das erste Mal Too Rye Ay aus dem Jahr 1982 anhörte, sagte ich sowas wie „Oh Nein“. Das wandelte sich dann bei den nächsten Anläufen aber in ein „Hey, das ist ja ganz gut“ und nach dem millionsten Mal Anhören kann ich jetzt, glaube ich, sagen, dass es mir tatsächlich gefällt. Ein paar Tracks stachen von Anfang an heraus, so wie „Old“, einer der ruhigeren Tracks vom Album, solange wir von Saufbekanntschaften sprechen, aber ich denke, der übergreifende kumpelhafte Bar-Vibe hat mich zunächst abgeschreckt. Man kann es bereits auf „Come On Eileen“ hören, aber auch in vielen anderen Tracks springt es einem geradezu ins Auge, wie zum Beispiel bei „Celtic Soul Brothers“, der eigentlich ein richtig guter Song ist, aber, meine Güte, diese instrumentellen Stückchen im Intro und in den verschiedenen Breaks zwischendurch entsprechen nicht gerade meinem Geschmack.

“Celtic Soul Brothers”—wäre es nicht viel besser, wenn der Celtic-Soul-Teil ruhiger gewesen wäre? (Sorry, DMR.)

Ich hätte mit dieser Untersuchung wahrscheinlich eher bei ihrem Debütalbum Searching for the Young Soul Rebels anfangen sollen (oh mein Gott, ich habe gerade Searching for the Funk Soul Brother eingetippt und musste wieder zurückklicken, um es zu ändern), das sie im Jahr 1980 mit „Geno“ in die UK-Charts brachte. Diese erste Single hat die gleiche mitreißende Mitsing-Qualität wie „Eileen“, aber ich habe damit das gleiche Problem wie bei „Celtic Soul Brothers“—das Intro gibt mir das Gefühl, als säße ich in einem Irish Pub und würde mit europäischen Fußballfans zur Musik schunkeln. Das sind die Stellen, über die ich hinweggucken muss, denn in der Essenz sind sie die Produkte von exzellentem Pop-Songwriting.

Trotz des kumpelhaften Auftretens und den heiteren poppigen Hooks waren Kevin Rowland und seine Bandkollegen eigentlich ziemliche Rampensäue und scherten sich so ziemlich um gar nichts. Allerdings muss man auch sagen, dass man sich nicht wirklich um etwas scheren kann, wenn man ein erwachsener Mann ist, der in Latzhosen herumrennt.

„Geno“

Die Intros von Dexys scheinen während dieser intensiven Listening Session einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen zu haben (meistens negative Eindrücke), aber keiner hinterliess so einen frischen und positiven Eindruck wie der Albumopener vom Debüt. Auf „Burn It Down“ hört man am Anfang, wie durch verschiedene Radiosender geswitcht wird, und gibt uns damit einen kleinen Einblick auf die bekannten erfolgreichem Bands zu der Zeit (zu erwähnen sind die Sex Pistols), bevor Rowland schreit „Jimmy! For God’s sake, burn it down!“ und das Kommando dafür gibt, dem Radio den Strom abzudrehen. Fun fact: Rowland und Kevin „Al“ Archer aus der Band waren, bevor sie die Dexys gegründet haben, in der Punkband The Killjoys und releasten ein Album namens Jonny Won’t Get to Heaven im Jahr 1977, das sich auf Johnny Rotten von den Sex Pistols bezog. Das war quasi das erste Statement, das die Dexys auf ihrem ersten Track von ihrem ersten Album abgaben. So kann man es sich auch gleich von Anfang an versauen. Das Album kreierte nicht nur seine ganz eigene sozioökonomische Diskussion, sondern schien gleich eine Stellungnahme zu der Stellungnahme zu nehmen, was mich zum Grübeln brachte: waren diese trötenden Briten mit den Overalls etwa punkiger als Punks?

Ich kann mir gut vorstellen, dass es ein Albtraum war, mit Frontmann Kevin Rowland zu Recht zu kommen. Er mied notorisch die Presse und weigerte sich, neue Singles zu veröffentlichen, was eventuell sogar, kurz nach dem “Eileen”/Too-Rye-Ay-Nachfolger Don’t Stand Me Down, zu ihrer Trennung führte. Das Album aus dem Jahr 1985 zeigte—schon alleine vom Cover —dass die Band ihre Donkeyjacken und Latzhosen verbannt hatten und mit einem viel glatteren Look in Form von Anzügen und Krawatten ersetzt hatten. Es war ein ästhetisches Statement, um das Ende ihrer Too-Rye-Ay-Phase zu markieren. Mir erscheint das sehr abrupt, weil ich mich damit nur wenige Minuten, nachdem ich mir die ersten Releases angehört habe, beschäftigte. Wahrscheinlich fühlte es sich für die Band nach ihrer dreijährigen Auszeit aber viel natürlicher an. Auf Don’t Stand Me Down kann ich den Niedergang und die Frustration hören, die dem Ruhm folgten, einen unglaublich beliebten Chartbreaker gemacht zu haben. Diese Gegenreaktion kann man in Songs wie „One of Those Things“ hören, in dem Rowland „it all sounds the same!“ singt oder in „This Is What She’s Like“ (eines meiner Lieblingslieder der gesamten Diskographie), ein 12 Minuten und 23 Sekunden langer Track, in dem Rowland im Prinzip der Welt in Form eines Liebessongs die Nachricht „Fuck Singles“ überbringt. Was für ein Punk.

„This Is What She’s Like“, das es auch noch in einer kürzeren Version gibt, die nur ein Drittel von der Originallänge lang ist.

Nach einer Woche endlosem Hören und tiefer Ergründung der Dexys Midnight Runners ist eine Sache klar: niemand kann mich jemals dafür blöd anmachen, dass ich die Band nur durch den Song „Come On Eileen“ kenne. Was aber viel wichtiger ist: diese Typen verdienen es, dass man sich mehr von ihnen anhört, als nur diesen durchgenudelten Hochzeitssong. Vielleicht lag es an dem fehlenden Enthusiasmus für Singles vom Frontmann und an ihrem kurzen Bandleben, dass sie sich diesen One-Hit-Wonder-Status auferlegten, selbstverschuldet und unabsichtlich. Wenn ihr aber ganz genau zuhört, werdet ihr bei diesen Kerlen einen Hit nach dem anderen finden.

@kristenyoonsoo