FYI.

This story is over 5 years old.

Popkultur

10 Fragen an eine H&M-Verkäuferin, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

Stimmt es, dass Leute in Kabinen kacken? Welches Kleidungsstück sollte der Kunde niemals kaufen? Wie erkennt man den H&M-Ladendetektiv?
Fotos: VICE Media

Mit Shoppen bei H&M ist es ähnlich wie bei Fast Food: Erst kommt der Heißhunger, dann folgen die Gewissensbisse. Immer wieder steht die Firma in Kritik, weil sie mit Kinderarbeit, Fabrikbränden oder unfairen Arbeitsbedingungen in Verbindung gebracht wird. Anna kennt diese Vorwürfe. Es ist nicht ihr richtiger Name, weil sie befürchtet, ihren Job zu verlieren, wenn sie offen über ihre Arbeit spricht. Seit fünf Jahren arbeitet sie als Verkäuferin in einem Store in Berlin. Als sie anfing, sagt sie, erzählte man ihr im Bewerbungsgespräch, wie verantwortungsbewusst H&M produziere. Heute hängt nach medialen Skandalen eine Stellungnahme der Firma im Pausenraum, damit die Mitarbeiter wissen, wie sie antworten sollen.

Anzeige

Ihr Arbeitsplatz ist die "Fläche", der Ort, an dem Fashionistas auf der Suche nach modischer Selbstfindung sind und die Anderen neue Socken und Sport-BHs kaufen. Dort beschweren sich Kundinnen, wieso es keine Größe 36 mehr gibt, warum der textile Berg hinter dem Sale-Schild nicht aufgeräumt wird, oder wollen getragene Höschen umtauschen. Anna sagt, in diesen Momenten denke sie an Folgendes: 13 Euro pro Stunde Lohn plus Nachtzuschlag und 1.500 Euro, für die sie jedes Jahr bei H&M, Weekday und COS shoppen darf. "Man lernt mit der Zeit, Menschen zu hassen", sagt sie. Wir haben Fragen.

VICE: Stimmt es, dass H&M-Mitarbeiter sehr oft erkranken, weil der Job so anstrengend ist?
Anna: Anstrengender, als sich das viele vorstellen, ist er auf jeden Fall. Sobald Sale ist, an Weihnachten oder Ostern, wird es schon krass. Teilweise sind wir auch unterbesetzt. Viele denken, dass wir nur Klamotten zusammenfalten. Das machen wir höchstens eine Stunde am Tag, abends beim Aufräumen. Den Rest des Tages bin ich beschäftigt, kiloweise Klamotten aus dem Lager zu holen, über die Fläche zu rennen und Teile wieder aufzuhängen oder zu sichern. Man kann es auch als Workout sehen.

Welches Kleidungsstück sollte der Kunde niemals kaufen?
In manchen Filialen gibt es die Kollektion "H&M Trend" mit, aus meiner Sicht, vollkommen überteuerten Basic-Teilen. Teilweise kosten die über 30 Euro, für mich haben die die gleiche Qualität wie die Teile aus der normalen, viel günstigeren Basic-Abteilung. Wenn man die teuren Sachen zwei Mal wäscht, sind die genauso schief wie die anderen Klamotten.

Anzeige

Klärst du deine Kunden darüber auf, dass du ihnen qualitativ und ethisch miserable Ware andrehst?
Natürlich nicht. Ich habe schon darüber nachgedacht, aber du stehst häufig unter Beobachtung, vor allem in großen Filialen. Die Führungskräfte sehen es überhaupt nicht gerne, wenn man über die Skandale spricht. Eigentlich weiß jeder Mitarbeiter über die wirklichen Umstände Bescheid, aber es soll nicht kommuniziert werden. Im Vorstellungsgespräch wird man nur über die Vorzeigethemen aufgeklärt, die Geschichte des Unternehmens, die Produktionsstätten oder diese Altkleiderboxen. Die bekannten Fälle aus den Medien, wie der Fabrikbrand 2012 in Bangladesch, sind für ein paar Monate im Gespräch, aber mein Eindruck ist: Am Ende ändert sich doch nichts.

Hast du einem Kunden schon mal zu Klamotten geraten, obwohl sie scheiße aussahen?
Wenn eine Frau glücklich aus der Anprobe kommt und die Shopping-Begleitung auch sagt, dass man gut aussieht, bleibt mir als Verkäuferin nicht viel übrig, auch wenn ich es scheiße finde. Wir wollen ja etwas verkaufen. Aber klar lästern wir Mitarbeiter auch öfters. Letzte Woche hatten wir eine Kundin mit schlecht aufgespritzten Lippen, die linke Seite war höher als die rechte, sie kombinierte unvorteilhafte Leggins und ein enges Basic-Top.


Auch bei VICE: Zu Besuch bei der "Lingerie Fashion Week" in Las Vegas


Stimmt es, dass Leute häufig in Kabinen kacken?
Das ist schon öfters passiert. Meine alte Filialleiterin hat es mal getroffen: Eine Frau hat in die Kabine gekackt und die Klamotten dann auf den Haufen geworfen. Meine Chefin wollte am Ende des Tages aufräumen. Sie hat die Angewohnheit, die Sachen aus der Anprobe über die Schulter zu werfen, und als sie rausging, hatte sie dann die ganzen Fäkalien auf sich. Wir haben nie herausgefunden, wer die Person war. In meiner alten Filiale, gab es Teppichboden in der Umkleidekabine. An einem Tag entdeckten wir etwas Feuchtes, wahrscheinlich Urin, daneben lag ein Tampon und eine benutzte Binde.

Anzeige

Wie oft versteckst du Klamotten vor Kunden, damit du sie selbst kaufen kannst?
[Lacht] Ziemlich oft. Gerade wenn man morgens die Ware bearbeitet und ein Trendteil kommt, bei dem die Stückzahlen sowieso begrenzt sind. Hinter den Kassen stehen Schränke, wo wir für Kunden Reservierungen und Umtäusche aufhängen. Wir denken uns dann Fake-Namen aus, hängen dort das Teil auf und kaufen es später. Oder man hängt es in eine hintere Ecke zu Teilen, die ähnlich aussehen, aber sowieso niemand kauft. Hat bisher immer geklappt.

Wer klaut am meisten?
Teenager. Zur Weihnachtszeit täglich. Sie klauen in der Anprobe Strumpfhosen oder Schmuck. Wir rufen dann die Polizei und die Eltern an. Die Mädchen bekommen dann immer einen totalen Nervenzusammenbruch. Ich habe aber auch schon 30-Jährige erlebt, die Boxershorts geklaut haben. Solche kleinen Sachen sind einfach zu klauen, weil sie ungesichert sind. Wir bemerken es manchmal erst, wenn wir die Anprobe ausräumen und die ganzen abgerissenen Papieretikette sehen. Dort haben wir auch schon zehn Sicherungen in einer Hosentasche gefunden. In so einem Fall können größere Sachen gestohlen worden sein, etwa Jacken, die man einfach überzieht und abhaut. Keine Ahnung, wie die das immer wieder bei gesicherten Klamotten hinkriegen. Mit einer Nadel kann man die Sicherung nicht lösen, ohne die Kleidung kaputt zu machen.

Fotos: VICE Media

Wie erkennt man den H&M-Ladendetektiv?
Äußerlich erkennt man sie nicht, weil sie zivil gekleidet sind. Aber sie verhalten sich manchmal ziemlich auffällig, weil sie in der Anprobe sitzen und auf niemanden warten. Andere nehmen ihren Job nicht ganz so ernst und spielen die ganze Schicht lang Candy Crush. Sie kriegen ja auch keine Provision, wenn sie jemanden aufgreifen. Neulich kam ein Kunde auf mich zu und meinte: "Ich glaube, dass der Typ da hinten etwas klauen will. Der läuft so komisch zwischen den Stangen rum." Das war der Detektiv.

Was sind die schlimmsten Kunden?
Ich arbeite in einem Touristen-Store und die schlimmsten Kunden sind Spanier. Die kommen mit 20 Teilen in die Anprobe und machen dann ihre Fashion Show, für die sie sich zwischendurch noch 20 weitere Teile holen. Am Ende knallen sie dir die Klamotten auf links und ohne Bügel auf den Tisch und quatschen dich auf Spanisch voll, weil sie davon ausgehen, dass jeder Mensch ihre Sprache spricht. An der Kasse nehmen sie den Kleiderberg nochmal auseinander und checken, ob jedes Teil die richtige Größe hat, den richtigen Preis und ob es ihnen noch gefällt. Ansonsten sind Teenager schlimm. Die kommen oft nur in den Laden, um ihre Selfies zu machen, und bringen dafür alles durcheinander.

Wie viele Menschen haben Sex in der Umkleide?
Ich war vorher in einer Kleinstadt eingestellt, da wurde einmal in drei Jahren ein Pärchen erwischt. In Berlin passiert das viel häufiger. Ich selbst habe aber noch nie jemanden ertappt, ein Kollege schon. Der hat sich dann vor die Kabine gestellt und gefragt, ob er mitmachen könne. Die wurden dann beschämt rausgeworfen und haben jetzt Hausverbot.

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.