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Wie Rechte einen Terrorangriff in Birmingham erfanden

"Das Schlachten hat schon begonnen."
Ein Polizist in Birmingham im vergangenen Jahr | Foto: imago | Zuma Press 

Der Artikel, der am Sonntag laut der Branchen-Seite 10000flies.de deutschlandweit die zweitmeisten Interaktionen in den sozialen Netzwerken hatte, ist eine Eilmeldung von Focus Online : "Attacke in Birmingham – Mehrere Gläubige in Kirche niedergestochen". Was war passiert?

In der New Jerusalem Apostolic Church hatte ein Mann laut Polizei mit einem Küchenmesser einen anderen gezielt niedergestochen und zwei weitere verletzt. Keines der Opfer ist in Lebensgefahr. Medienberichten zufolge kannten sich Täter und Opfer, die genauen Hintergründe sind noch unklar.

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Nicht aber für viele Rechte. Sie wissen: Es war ein islamistischer Anschlag. Schließlich passt das gut in ihr Weltbild und dem immer wieder beschworenen Kulturkampf zwischen dem Islam und dem Westen. Also teilen sie die Nachricht in den sozialen Medien und empören sich in Posts und Kommentaren über Muslime und den Islam.

"Nur wieder das Übliche", schreibt Torsten Heinrich auf Facebook – er hatte schon im letzten Jahr mit seinem Buch "Nein, wir schaffen das nicht!" Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht. "Ist es wieder die Tat eines psychisch Labilen, die nichts mit dem Islam zu tun hat?", meint ein Nutzer auf Twitter. Ein weiterer schreibt: "Halt ein paar Christen niedergestochen. Alltag im Europa von CDU, SPD, Grüne." Und eine Nutzerin fragt: "Wer nur würde sowas machen…".

Die Antwort darauf lautet aller Wahrscheinlichkeit nach: kein islamistischer Terrorist. Der Focus-Artikel, der im Anschluss an die Tat viral ging, hatte tatsächlich früh klargemacht, dass es sich nicht um eine Terrorattacke handele. Das wollten viele aber einfach nicht glauben.

Neben Wahlaufrufen für die AfD in Kommentaren unter Posts über den Angriff in Birmingham meldeten sich auch gleich mehrere AfD-Politiker selbst zu Wort. Während Stefan Scheil auf Twitter daran zweifelte, dass die Tat keinen terroristischen Hintergrund hatte, kritisierte Beatrix von Storch, dass die Medien nicht ausreichend berichten würden.

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Dahinter steckt immer die Unterstellung, dass etwas vertuscht oder verharmlost werden soll. Währenddessen würden "die Christen ausgelöscht", wie eine Frau auf der Facebook-Seite der "AfD-Freunde Stuttgart" kommentiert. "Das Schlachten hat doch schon begonnen", antwortet eine andere Nutzerin darauf.

Dabei hatten viele, viele Medien darüber berichtet. Selbst die rechtslastige Epoch Times verarbeitete das Geschehen vergleichsweise nüchtern – zumindest anfänglich. Eine Weile stand "Kein Terror" in der Überschrift. Mittlerweile ist sie geändert: "Messer-Attacke im Sonntagsgottesdienst in Birmingham – Mehrere Gläubige niedergestochen". Der Hinweis darauf, dass es sich nicht um Terror handelt, findet sich jetzt erst einige Zeilen später. Man will ja nicht die eigenen Leser vergraulen.

Die ursprüngliche Schlagzeile | Screenshot: Epoch Times

Die Schlagzeile 24 Stunden später | Screenshot: Epoch Times

Mit der Taktik, die Ereignisse in Birmingham als Anschlag zu bezeichnen oder zumindest die "offizielle" Berichterstattung infrage zu stellen, können die Rechten nur gewinnen. Selbst wenn sie falsch liegen, waren alle kurz nervös – und die Richtigstellung interessiert ohnehin niemanden. Oder es stellt sich doch als Terrorattacke heraus und die Rechten können sich selbst dafür feiern, dass sie es die ganze Zeit wussten.

Richtig ist aber in der Tat, dass Birmingham ein Problem mit dem Islamismus hat. Es gibt eine große muslimische Gemeinschaft in der Stadt und Birmingham gilt als Brutstätte und Rekrutierungsort für Islamisten. Die New York Times fragte: "Warum kommen alle Dschihadisten nach Birmingham?" Und die Birmingham Mail schrieb, die Stadt sei der "Inbegriff für islamistischen Terrorismus" geworden. Gleichzeitig hat die Stadt aber auch ein Problem mit Messerangriffen – und das ist nicht die Schuld von Muslimen und Terroristen, sondern von Gangs und einer schrumpfenden Polizei.

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