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Was dir alles passieren kann, wenn du in der Bahn einschläfst

Eine leergeräumte WG, ein vergessenes Kleinkind und eine halbe Nacht im abgesperrten Zug – wir haben die Geschichten der Bahnschläfer zusammengetragen.
Foto: Lea Albring

Es ist spät, die Bahn schaukelt verlockend ruhig hin und her und du hattest vielleicht ein, zwei oder auch fünf Bier zu viel. Köpfhörer rein, Musik an, zack, eingeschlafen. Fast jeder hat die durchgesessenen, kratzenden Sitze der Bahn schon mal für ein Nickerchen genutzt. Und fast jeder musste am ersten anvisierten Viererplatz schon mal scharf abbiegen, weil er die Fahrt nicht neben einem schlafenden Fremden mit Alkoholfahne verbringen wollte.

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Wenn du in der Bahn die Kontrolle über deinen Körper verlierst und einpennst, gehst du das Risiko ein, sabbernd auf einem Bahnhof einer deutschen Kleinstadt aufzuwachen. Das ist dann halt blöd. Schlimmer ist es, wenn du dabei merkst, dass dein Portemonnaie, dein Handy oder, Gott bewahre, die Bücher aus der Uni-Bibliothek gestohlen wurden. Eine 49-jährige Berlinerin wurde am Wochenende sogar sexuell belästigt, der Täter fasste sie im Intimbereich an, während sie schlief. Weil sie auch alkoholisiert war, bekam sie von alledem nichts mit: Polizisten hatten die Tat beobachtet und den Mann festgenommen.

Menschen, die in der Bahn einschlafen, werden oft Opfer von Straftaten. Eine aktuelle Statistik dazu gibt es nicht, wie die Bundespolizei auf Nachfrage von VICE mitteilt, auch die einzelnen Verkehrsbetriebe führen keine Strichliste über eingeschlafene Passagiere. Einen eigenen Namen aber schon: "Nachtschwärmer-Trick" nennt die Polizei Diebstähle, bei denen schlafende Bahnfahrer abgezogen werden.

Wir haben die Geschichten der Bahnschläfer zusammengetragen.

Dominik (31): "Die Adresse auf meinem Ausweis hat die Diebe direkt zu unserer Wohnung geführt."

Foto: privat

"An einem Samstag im Oktober 2012 war ich mit meinen Mitbewohnern auf einer WG-Party in Berlin-Kreuzberg. Gegen vier nahm ich, etwas betrunken aber noch Herr meiner Sinne, die U-Bahn in Richtung meiner WG. Ich war entspannt, also schlief ich ein. Ich hatte kein Portemonnaie dabei, nur meinen Personalausweis, den Schlüssel und mein Handy.

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Zehn Stationen nach meiner Haltestelle wachte ich auf und fuhr nach Hause. An der Tür merkte ich, dass mein Schlüssel weg war. Ich dachte, ich hätte ihn auf der Party vergessen und klingelte, meine Mitbewohnerin war zu Hause. Es dauerte ziemlich lange, bis sie an die Sprechanlage kam. Als ich in die Wohnung kam, stand sie da und weinte. 'Es war jemand in der Wohnung', sagte sie. Sie erzählte, wie jemand sich auf ihr Bett gesetzt und sie am Arm gerüttelt habe. Als ich klingelte, seien die Fremden geflüchtet. Erst in dem Moment realisierte sie, dass das Einbrecher in der WG waren. Ich checkte nochmal meine Jackentasche: Mein Personalausweis war weg. Mir wurde klar, dass die Adresse auf dem Ausweis die Diebe direkt zu unserer Wohnung geführt hatte. Sie hatten alles in unsere Sporttaschen gepackt, was sie finden und mitnehmen konnten: Laptops, Portemonnaies, Konsolen, Spiele, Kameras.

Natürlich fand die Polizei keine Einbruchsspuren und glaubte uns nicht. Mit der Versicherung führten wir fünf Jahre lang einen Rechtsstreit – die Hälfte des Schadens wird nun übernommen. Die WG haben wir drei Monate später aufgelöst. Das stand zwar schon vor dem Einbruch fest, aber ich fühlte mich lange schuldig, immerhin war ich in der Bahn eingeschlafen. Zum Glück macht mir keiner meiner Freunde Vorwürfe."

Lars (46): "Ich habe meine Haltestelle gleich zweimal verpennt."

"Vor ein paar Monaten bin ich in der S-Bahn eingeschlafen, das war nach einer durchzechten Nacht. Ich wollte von Köln nach Horrem fahren, bin allerdings erst an der Endstation in Düren aufgewacht, saß also pennend eine halbe Stunde zu lang im Zug. Als ich wach wurde, war ich noch einigermaßen entspannt, die S-Bahn fährt von da ja direkt zurück. Geklaut wurde mir auch nichts, ich bin also einfach sitzengeblieben. Dumm nur: Auf dem Rückweg bin ich wieder eingeschlafen. Dieses Mal bin ich drei Stationen zu weit gefahren. Ich habe meine Haltestelle gleich zweimal verpennt. Also aussteigen, auf die nächste Bahn warten, wieder zurück. Am frühen Morgen, so gegen sieben, war ich dann endlich in Horrem. Für einen Weg von 20 Minuten habe ich eineinhalb Stunden gebraucht."

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Diese Fälle haben es sogar in die Lokalpresse geschafft:

Eingesperrt auf dem Abstellgleis

"Junger Mann, Endhaltestelle. Aufwachen." Die unsanften Aufweckversuche der Sicherheitsbeamten kennt fast jeder, der schon einmal in der Bahn eingeschlafen ist. Was passiert, wenn an der letzten Haltestelle niemand den Wachmacher spielt, musste im März 2016 ein Mann in Essen erfahren. Der 63-Jährige war auf dem Weg zum Essener Hauptbahnhof in der Regionalbahn eingeschlafen und wurde erst wieder wach, als der Zug auf dem Betriebsbahnhof stand – abgeschlossen. Reinigungskräfte fanden den körperlich eingeschränkten Schlafenden kurz nach Mitternacht und verständigten die Bundespolizei, die ihn im Einsatzfahrzeug zum Hauptbahnhof fuhr. Er selbst hatte nicht bemerkt, dass er versehentlich eingeschlossen wurde.

Gar nicht mal so cool reagierte dagegen ein 30-Jähriger, der sich Anfang des Jahres in Dortmund in einem abgestellten ICE wiederfand. Auch er war während der Fahrt weggedöst und hatte die Endhaltestelle verpennt. Als er bemerkte, dass er in einem schlecht klimatisierten Blechkasten ohne WLAN eingesperrt war, schlug er panisch die Scheibe des Not-Türöffners ein. Dabei verletzte sich der Essener an der Hand.

Kind schläft – Mutter lässt es versehentlich im Zug liegen

Stell dir vor, du provozierst einen Polizeieinsatz und kriegst von alledem nichts mit. Kinder und Betrunkene können bekanntlich überall schlafen. Anders als bei Schnapsleichen haben die Kleinen aber eigentlich immerhin einen Aufpasser dabei, der ihren bewegungslosen Körper an der richtigen Haltestelle aus dem Zug trägt. Meistens. Als eine 30-jährige Mutter im März in Krefeld aus der Regionalbahn stieg, stellte sie nämlich erschrocken fest, dass sie ihre schlafende Tochter im Zug vergessen hatte. In der einen Hand das zweite Kind, in der anderen den Koffer, meldete sie sich bei der Polizei, die sich auf die Suche nach der Dreijährigen machte.

Unterdessen schlief das Kind weiter – auch, als Polizeibeamte es am Hauptbahnhof in Mönchengladbach in der Regionalbahn entdeckten und ein Polizist die Kleine in seinen Armen zur dortigen Polizeidienststelle trug. Erst als die Mutter ebenfalls bei der Bundespolizei in Mönchengladbach eintraf, wachte das Mädchen auf. Von der Panik um seine schlafende Person hatte es nichts mitbekommen.

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