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Pärchen erzählen, warum sie ihre Beziehung geöffnet haben

Wenn du dich bei Tinder durch die Profile wischst, stößt du schnell auf Bios, in denen steht: “In einer Beziehung, aber auf der Suche nach Spaß!” In anderen Worten: “Ich bin vergeben, aber wir sind offen, also lass uns Sex haben!”

Einer Umfrage zufolge befand sich einer von fünf Amerikanern irgendwann schon mal in einer offenen Beziehung. Für Deutschland gibt es keine genauen Zahlen, es sollen aber mindestens 10.000 Menschen sein. Aber was bedeutet es überhaupt, eine offene Beziehung zu führen? Und wie beginnt man die erste Unterhaltung zu diesem Thema? Schnell Netflix pausieren und den Partner oder die Partnerin mit einem “Ähm, wollen wir auch andere Leute daten?” überrumpeln, ist bestimmt der falsche Weg, oder?

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Um Antworten auf diese und weitere Fragen zu finden, haben wir uns mit drei Langzeitpärchen unterhalten, die sich gegen Monogamie entschieden haben.

Kasara, 24, und Chris, 23

VICE: Wie lange seid ihr schon ein Paar?
Chris: Im Oktober werden es drei Jahre.

Wie seid ihr zusammengekommen?
Kasara: Wir haben uns bei Tinder kennengelernt. Beim ersten Date waren wir etwas trinken und sind dann zu Chris. Ich dachte nicht, dass ich noch mal von ihm höre, aber wir haben danach viel zusammen unternommen. Eine Weile führten wir eine “Fickbeziehung”, weil wir keine Ahnung von offenen oder nicht-monogamen Beziehungen hatten.
Chris: Als ich Kasara kennenlernte, wollte ich eigentlich nur etwas Spaß haben und mich ablenken, weil meine Beziehung davor nicht gerade die beste war.
Kasara: Auch ich war damals frisch Single. Deswegen gefiel mir dieses Ungezwungene. Als Chris dann zum ersten Mal zurück nach Australien zu seiner Familie reiste, entwickelte ich Gefühle für jemand anderes. Ich redete mit Chris darüber und er hatte damit kein Problem. So entwickelte sich unsere offene Beziehung zu einer polyamorösen Sache.
Chris: Als sie anfing, sich mit einem anderen Mann zu treffen, war das schon komisch, weil ich so weit weg war und sie vermisste. Gleichzeitig freute ich mich total, weil sie jemanden gefunden hatte, der sie genauso glücklich machte wie ich. Das zeigte mir zum ersten Mal, wie andere Menschen einer Beziehung helfen können. Ich selbst habe zwar noch keine emotionalen Bindungen zu neuen Frauen aufgebaut, aber es gab schon ein paar vielversprechende Dates. Ich gehe das alles ganz locker an. Ich bin mit der derzeitigen Situation echt zufrieden.


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Wie denken eure Freunde und Verwandten über eure Beziehung?
Kasara: Als Chris in Australien war, nahm ich meinen anderen Partner einmal mit zu meinen Eltern. Meine Mutter nahm mich beiseite und sagte: “Du ziehst doch bald mit Chris zusammen! Wie kannst du ihm das antun?” Ich beschwichtigte sie und erzählte, dass das alles so abgesprochen sei. Meine Eltern sind also im Bilde, aber wir sprechen nie darüber.
Chris: Nachdem wir uns für eine polyamoröse Beziehung entschieden hatten, wollte ich so vielen Leuten wie möglich davon erzählen. Richtig nervig. Als ich die Sache vor meinem Volleyballteam ansprach, bekam ich natürlich ordentlich mein Fett weg – so nach dem Motto: “Sie fickt andere Typen und du findest das in Ordnung? Das bringt dir doch nichts.” Ich wollte erklären, dass das nicht ganz so abläuft, aber das war meinen Mannschaftskameraden egal. Sie fanden das einfach nur lustig und komisch.
Kasara: Wenn ich Männern von meiner Beziehung erzähle, dann sind ihre Reaktionen immer total witzig. Sie setzen dann dieses nachdenkliche Gesicht auf und gehen davon aus, dass ich und mein Freund keinen Sex haben. Wenn ich das verneine, sagen sie nach einer kurzen Pause: “Ah, ihr macht das also nur wegen der Bequemlichkeit.” Das verneine ich ebenfalls.

Warum ist eine polyamoröse Beziehung für euch die beste Lösung?
Kasara: Es hat eine Weile gedauert, bis mir klar wurde, dass ich kein monogamer Mensch bin. Ich konnte schon immer Gefühle für mehrere Personen gleichzeitig haben. Ich finde, dass Eifersucht nicht zu einer Beziehung dazugehören sollte. Bei Monogamie ist das aber der Fall.
Chris: Ich denke da ähnlich. Die einzige Emotion, der wir Grenzen setzen, ist die Liebe. Bei der Monogamie darf ja nur eine Person deine Liebe erfahren. Warum sollte das nicht mehreren Menschen möglich sein? Leute, Polyamorie ist voll OK! Wir sind nicht komisch.

Foto: Hisham Ibrahim | Getty Images

Lyndsay*, 24, und Tyler, 24

VICE: Wann und warum habt ihr zum ersten Mal darüber geredet, eure Beziehung zu öffnen?
Lyndsay: Das war gut zwei Jahre nachdem wir zusammengekommen sind. Insgesamt sind wir schon seit fünf Jahren ein Paar. Er hatte die Idee und meinte zu mir, dass ich mit anderen Männern schlafen dürfe. Er findet meinen Körper und meine großen Brüste nämlich richtig heiß, kann im Bett jedoch nicht so agieren wie jemand mit einem größeren Penis.
Tyler: Ja. Unsere Beziehung lief nicht so gut, weil sie sexuell nicht zufrieden war. Ich habe einen Mikropenis. Deshalb kann ich Lyndsay nicht ausreichend befriedigen. Ich will eben nur das Beste für sie. So kam es, dass wir über verschiedene Optionen redeten.
Lyndsay: Zuerst überlegten wir, mir mit Sexspielzeug mehr Vergnügen zu bereiten, aber ein kalter Plastikpenis ist kein Vergleich zu einem echten! Und die, die sich realistisch anfühlen, waren direkt riesengroß. Mit dem Unterschied zu seinem Penis kam ich nicht klar.
Tyler: Sie verdient es, dass ihr der Sex genauso viel Spaß macht wie mir. Warum sollte sie nicht das Beste bekommen?

Opferst du dich in diesem Fall gerne? Und kommt es durch die einseitig offene Beziehung zu Problemen?
Lyndsay: Tyler will tatsächlich, dass ich mit einem anderen Mann schlafe. Trotzdem verspüre ich immer ein wenig Angst und Schuldgefühle, wenn ich daran denke. Er wünscht sich, dass ich Spaß habe. Bis jetzt ist mir der Richtige aber noch nicht über den Weg gelaufen.

Das Ganze ist also mehr eine Fantasie? Ihr seid offen dafür, offen zu sein.
Lyndsay: Ja. Ich will eben nicht mit dem nächstbesten Typen in die Kiste springen und mich dann schämen. Derzeit liebäugeln wir einfach mit der Vorstellung.

Wie wichtig ist es euch, diese Fantasie umzusetzen?
Tyler: So lange sie glücklich ist, ist es mir egal, ob es soweit kommt oder nicht. Ich glaube, dass ihr der Sex mit einem anderen Mann richtig viel Spaß machen würde. Ich hoffe, dass sie es eines Tages durchzieht.

Man hört ja häufig von der Fantasie, der Partnerin beim Sex mit anderen Männern zuzuschauen. Ist das bei dir vielleicht ein Fetisch?
Tyler: Bei mir fing alles an, als ich mit 16 eine Freundin mit gewissen Vorzügen hatte. Sie war von meinem kleinen Penis total fasziniert, weil sie so etwas noch nie gesehen hatte. Sie schlief auch mit anderen Männern, kam aber immer wieder zu mir zurück. Wir hatten keinen normalen Sex, sie gab mir nur Blowjobs und so weiter. Sie mochte mich und wollte Zeit mit mir verbringen. Vielleicht finde ich offene Beziehungen deswegen vollkommen in Ordnung.
Lyndsay: Ich habe ihn mal verarscht und ihm geschrieben, dass ich gleich mit einem anderen Typen schlafen würde. Ich war gerade am Flughafen und tat so, als hätte ich den passenden Mann gefunden.
Tyler: Ich freute mich total für sie. Ich finde, dass solche sexuellen Abenteuer das Leben bereichern. Ich habe selbst schon einige solcher Abenteuer erlebt und will, dass Lyndsay ebenfalls die Möglichkeit dazu bekommt. Deshalb war ich wirklich glücklich, als sie mir schrieb, dass sie gleich Sex auf einer Flughafentoilette haben würde.

Keine Spur von Eifersucht oder Unsicherheit?
Tyler: Ich fühle mich wohl in meiner Haut. Deshalb habe ich mich in diesem Moment wirklich nur gefreut. Sie akzeptiert mich so, wie ich bin. Wir haben ein gutes Sexleben – auch wenn ich nicht so viel in der Hose habe.

Daniel, 42, und Regina, 39

VICE: Wie lange seid ihr schon zusammen?
Regina: Zusammen seit sechseinhalb Jahren, verheiratet seit viereinhalb.

Und wie lange führt ihr schon eine offene Beziehung? Wie kam es zu der Entscheidung?
Daniel: Regina und ich waren ein Jahr lang “exklusiv”, aber dann gingen wir zum ersten Mal zu einschlägigen Partys mit anderen Paaren. Wir sind Swinger.
Regina: Wir haben von Anfang an über unsere sexuellen und romantischen Vergangenheiten geredet. Wir waren beide schon einmal verheiratet und hatten schon mehrere Leute gleichzeitig gedatet. In Zeiten von Tinder und Dating-Websites kann man so etwas machen und ist nicht direkt polyamorös, sondern eher nicht-exklusiv. Für mich führt das eine jedoch zum anderen.

Wie seid ihr auf das Swingen gekommen?
Daniel: Meine Ex-Frau sagte mir damals, dass sie sich in einen anderen Mann verliebt habe. Dadurch habe ich eine wichtige Lektion gelernt: Es ist immer möglich, dass dein Partner oder deine Partnerin eines Tages aufwacht und dich nicht mehr liebt. Und niemanden trifft da die Schuld. Ich erkannte, dass meine nächste Beziehung offen sein musste, weil ich meine Partnerin nicht mehr kontrollieren will. Kontrolle ist sowieso nur eine Illusion.
Regina: Der Sex ist mir nicht wichtig. Mir geht es eher darum, neue Leute kennenzulernen. Das finde ich nämlich nicht nervenaufreibend oder beängstigend, sondern aufregend. Deshalb passt Swingen so gut.

Gibt es in einer offenen Beziehung so etwas wie Untreue?
Regina: Ja. Wenn einer der Partner zusammen festgelegte Grenzen bewusst überschreitet, dann kann das sehr weh tun.

Wie sucht ihr bei den Swinger-Partys eure Partner aus? Müsst ihr euch einig sein?
Regina: Vor Kurzem war Daniel in einer Bar und eine junge Frau wollte von ihm wissen, was er alles mit ihr anstellen würde. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Dann schrieb er mir: “Sie will wissen, ob du mir dein OK gibst.” Die Frau hat mich tatsächlich um Erlaubnis gefragt, mit meinem Mann zu schlafen! Meine Antwort: “Nur, wenn du richtig geil auf sie bist.” Am darauffolgenden Morgen telefonierte ich mit Daniel und musste aus seinem Munde hören, dass er eine tolle Nacht hatte, aber nichts gegen mich ankommt. Er schmunzelte nur und meinte: “Natürlich. Ich kann es kaum erwarten, zu dir nach Hause zu kommen.” Genau darauf kommt es an. Wenn ich diese Worte im richtigen Ton höre, dann ist das für mich die ehrlichste und zärtlichste Sache der Welt. Es fühlt sich einfach richtig an.
Daniel: Genau. Wir sind Swinger, weil das unser Leben komplettiert – und nicht, weil wir in unserer Ehe etwas vermissen. Das Ganze ist für uns wie ein großartiger, ungewöhnlicher Bonus.

*Namen geändert

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