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Sorry, PewDiePie: Forschende zeigen, was auf YouTube wirklich durch die Decke geht

17 Millionen Views für Superhelden-Babys aus Knete. Ausgerechnet Kinder-Content kriegt auf YouTube den meisten Hype.
Screenshot mit Knetfiguren
Screenshot aus dem Video "Superhero babies make a gingerbread house superhero babies play doh cartoons for kids" vom YouTube-Kanal Doggy Doggy Cartoons

YouTube ist eines der größten sozialen Netzwerke der Welt und ohne YouTube hätten Influencer in Deutschland deutlich weniger politischen Einfluss. Doch den krassesten Erfolg hat die Plattform mit Videos, über die öffentlich selten gesprochen wird. Das Erfolgsrezept sind nicht Stars wie Bibi oder PewDiePie, nicht Katzenbabys oder Rapper, nicht Pranks oder Challenges – sondern Kinder.

Eine Studie des US-amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center liefert jetzt detaillierte Zahlen über die Vorlieben der YouTube-Nutzenden weltweit. Gemessen an den Views sind YouTube-Videos für und mit Kindern erfolgreicher als alle anderen, fassen die Forschenden zusammen. Extrem erfolgreich sind demnach auch Videos, die sich nicht ausschließlich an Kinder richten – in denen aber Kinder unter 13 Jahren auftauchen. Diese Videos erzielten im Durchschnitt knapp dreimal so viele Views wie andere.

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Die Forschenden haben zunächst weltweit YouTube-Kanäle ermittelt, die mindestens 250.000 Abonnenten haben. In der ersten Januarwoche 2019 durchsuchten sie diese Kanäle nach frisch hochgeladenen Videos und notierten deren Views. Dann pickten sie sich davon die englischsprachigen Videos heraus, insgesamt 37.079, und ordneten sie nach Themen. Das Ergebnis ist der wissenschaftliche Beweis, dass nichts auf YouTube offenbar so begehrt ist wie Kinder-Content.

Dass Kindervideos auf YouTube verstörend erfolgreich sind, fällt auch großen Nachrichtenmedien schon seit einigen Jahren auf. Die Forschung vom Pew Research Center belegt das nun mit einer außergewöhnlich breiten Datengrundlage. Das Besondere an der Studie ist nämlich die große Zahl der untersuchten YouTube-Kanäle.

Wird PewDiePie jetzt auch noch von Kindern überholt?

Bestimmt fragen sich einige jetzt: Moment mal, da gab es doch dieses Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Influencer PewDiePie und dem Bollywood-Kanal T-Series. Monatelang haben die beiden gewetteifert, wer weltweit die meisten Abonnenten hat – und beides sind keine Kanäle mit Kindern. Es stimmt: Die größten YouTube-Kanäle der Welt sind nicht auf Kinder-Content spezialisiert. Das Ergebnis der Forschenden ist aber auf einem anderen Weg entstanden.

Das Team hat nicht etwa Kanäle gegeneinander antreten lassen, sondern Themen. Mitarbeiter haben die Videos nach Themen sortiert, unter anderem in Kinder-Content, aber auch Games, Beauty und Essen. Beim Vergleich der durchschnittlichen Klickzahlen hat sich gezeigt: Kinder sind das ultimative Rezept für viele Klicks auf YouTube, auch wenn nur ein kleiner Bruchteil der untersuchten Videos insgesamt auf das Thema gesetzt hat.

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Ein Paradies für pädagogisch wertvolle Videos ist YouTube deshalb aber nicht. Denn viele Klicks heißt nicht automatisch viel Qualität. Welche Kindervideos zum Beispiel millionenfach abgerufen werden, haben die Forschenden in einer Tabelle veröffentlicht. Wer hier liebevolle Kinderunterhaltung mit Tiefgang sucht – König der Löwen , Biene Maja , Sesamstraße – wird enttäuscht.

Kinder sind das perfekte Publikum

Es beginnt schon mit den Titeln. Sie informieren Eltern und Kinder nur halbherzig, worum es in dem Video geht. Stattdessen sind sie oft voller Keywords. Ein Video heißt zum Beispiel "Superhero babies make a gingerbread house Superhero babies play doh cartoons for kids". Ganz klar, die Worte superhero, babies, play doh und cartoons for kids sind vor allem Futter für die YouTube-Suchmaschine.

In dem Video zu sehen sind mit Knete animierte Baby-Versionen von Disney-Figuren: Spiderman, Hulk, Prinzessin Elsa. Dialoge gibt es nicht, die Figuren kichern aber viel und sagen "Aah!" und "Ooh!". Dadurch können Menschen in jedem Alter und mit jeder Muttersprache das Video verstehen, besser ließe sich die Zielgruppe nicht maximieren. Die Handlung: 16 Minuten lang futtern die Disney-Babys Crêpes, fahren Bagger, dürfen Mamas Haare föhnen – und suhlen sich mit Genuss in einer Schlammpfütze, die verstörend an Nutella erinnert. Der Stoff, aus dem Kinderträume gemacht sind.

Auch dass die gezeigte Knete der Marke Play-Doh ein sehr beliebtes Spielzeug ist, sollte zum Erfolg des Videos beigetragen haben. Das Video hat, Stand heute, knapp 17 Millionen Views. Eine Zahl, die ungefähr der Bevölkerung der Niederlande entspricht.

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Es gibt noch einen Grund für den immensen Traffic: Apps wie YouTube-Kids machen es besonders einfach, Kinder stundenlang mit solchen Videos zu bespaßen. Die App sortiert, mal mehr, mal weniger erfolgreich, Inhalte für Erwachsene aus, übrig bleibt eine bunte Welt aus Kinder-Content in schier endlosen Playlists. Beste Bedingungen für beschäftigte Eltern, um stundenlang YouTube-Kindervideos laufen zu lassen. Hinzu kommt: Kinder sind auch deshalb ein ideales Publikum, weil sie ein- und dasselbe Video gerne wieder und wieder sehen.

Wer weiß, vielleicht hätte sich PewDiePie diesen Trend zu Nutze machen sollen, als er um jeden Preis seine Abo-Zahlen nach oben treiben wollte. Einfach mal ein wenig mit Baby-Hulk und Prinzessin Elsa gespielt, schon hätte ihn keiner mehr vom YouTube-Thron stoßen können.

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