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Hunderte Hater sorgen für Großeinsatz bei illegaler "Demo" gegen Drachenlord

Seit Jahren wird der YouTuber im Netz belästigt. Gestern ist die Situation in seinem Heimatdorf derart eskaliert, dass ein bayerisches Unterstützungskommando anrücken musste, um die Bewohner zu schützen.
Symbolbild: Polizei bei einem Einsatz | Bild: imago | Ralph Peters

Etwa 180 Menschen, 300 ausgesprochene Platzverweise, ein bayerisches Unterstützungskommando und ein Dorf, das abgesperrt werden musste: Das ist das Fazit des sogenannten "Schanzenfestes". Am gestrigen Nachmittag, den 20. August, versammelten sich etwa Hundert Menschen in einem Dorf in Mittelfranken, um den YouTuber "Drachenlord" zu belästigen. Das meldet der BR und das lokale Nachrichtenportal Nordbayern.de.

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Um den YouTuber, der mit bürgerlichem Namen Rainer Winkler heißt, ist seit etwa fünf Jahren eine Szene aus "Hatern" gewachsen, die Winkler beobachtet, belästigt, mobbt und sich über ihn lustig macht. Ein zentrales Element war ein Video aus dem Jahr 2014, in dem Winkler wutentbrannt seinen Hatern droht, damit sie aufhören, seine Schwester zu belästigen – und im Anschluss seine eigene Adresse in die Kamera schreit. Das Video nahm Winkler zwar zwischenzeitlich offline, doch es wurde immer wieder neu hochgeladen. Einige Uploads verzeichnen Hunderttausende Aufrufe.

Seitdem eskalieren die Aktionen gegen Winkler. Immer wieder werden Dinge auf seinen Namen bestellt – Landwirtschaftsgeräte, Sexspielzeug, Chemikalien – und falsche Notrufe abgesetzt. Einer führt 2015 zu einem Feuerwehreinsatz, an dem 110 Einsatzkräfte beteiligt sind. Einer der Verantwortlichen "Hater" muss für eine Reihe von Straftaten, darunter auch das Absetzen eines falschen Notrufs, für drei Jahre und fünf Monate ins Gefängnis.

Hater wollen Rainer Winkler bei 'Schanzenfest' das Fürchten lehren

Das "Schanzenfest" war die bisher größte Aktion der Hater von Rainer Winkler, heißt es von den Dorbewohnern. Zwar habe es auch früher Aufrufe zu ähnlichen "Demos" gegeben, gekommen seien da aber nur einige wenige Menschen.

Öffentlich wurde die Aktion Ende letzter Woche mit Aufrufen, die auf Twitter und YouTube veröffentlicht wurden. Darin wurde für den 20. August zu einem "Schanzenfest", eine Art Demo, in dem Heimatort von Winkler aufgerufen. In dem Ort wohnen lediglich rund vier Dutzend Bewohner. Man wolle "dem Drachen das Fürchten lehren", heißt es über das Ziel der Demo in einem Dokument des Landratsamts Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim. In YouTube-Videos bezeichnen Hater den Tag als "Tag X". Laut BR hätten sich über 9.500 Menschen für die Demo angekündigt. Das Landratsamt sieht sich nach den Aufrufen gezwungen, den YouTuber und das Dorf vor der Veranstaltung zu schützen.

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Daher spricht die Polizei Mittelfranken am 17. August ein Versammlungsverbot aus und vermeldet das auch auf Twitter. Die Entscheidung wird in einem Dokument des Landratsamts näher begründet. Es hätte in den Kommentaren zu den Demo-Aufrufen unter anderem auch einen Mordaufruf gegen Winkler gegeben.

Mittelfränkische Behörden verbieten 'Schanzenfest'

Auch das Wohl der Nachbarn von Rainer Winkler ist Teil der Begründung: "Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es ohne das in der Allgemeinverfügung geregelte, zeitlich und räumlich begrenzte Versammlungsverbot zu unmittelbaren Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit kommen wird", heißt es im Dokument. Ohne den Erlass käme es "mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die körperliche Unversehrtheit und das Leben unbeteiligter Dritter".

Doch trotz des Verbots kamen am Tag der geplanten Demonstration laut einem Bericht des BR etwa 180 Menschen zur unangemeldeten Demo vor dem Haus von Rainer Winkler. Die Bereitschaftspolizei habe die Straßen zum Dorf abgeriegelt und habe über 300 Platzverweise im Laufe des Tages ausgesprochen, heißt es im Bericht von Nordbayern.de. Die Abriegelung zeigte Wirkung. Laut Anwohnern kam keiner der "Demonstranten" ins Dorf selbst. Anwohner mussten Ausweise vorzeigen, um zu ihren Häusern zu kommen. Es kam aber zu zahlreichen Sachbeschädigungen, ein Böller setzte ein Waldstück in Brand. Am Abend wurde ein bayerisches Unterstützungskommando von einem DFB-Pokalspiel in Fürth abgezogen, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.

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Auch nach der Aktion hielt die lokale Feuerwehr zusammen mit der Polizei die ganze Nacht Wache. Einzelne Hater versuchten wohl auch noch nachts durch ein Waldstück Zugang zum Haus von Winkler zu bekommen.

Für die Polizei ist die Situation vor Ort seit Jahren ein Problem

Schon seit mehreren Jahren muss die lokale Polizei immer wieder ausrücken, nach Motherboard-Informationen im Schnitt alle zwei Wochen einmal. Bei den Behörden vor Ort gibt es seit längerer Zeit auch Überlegungen die Straßen des Heimatortes von Winkler für Autos, die nicht von Anwohnern stammen, zu sperren. Bisher wurden solche Maßnahmen jedoch noch nicht umgesetzt. Auch Rainer Winkler hat seinen Wohnsitz inzwischen mit einer mehreren Meter langen Plane und einem Bauzaun vor vorbeifahrenden Blicken geschützt.

Am gestrigen Montag kesselten die Polizisten die "Hater" ein und eskortierten sie aus dem Dorf. Der Polizei gehe es vor allem darum, die Dorfbewohner zu schützen. "Die Bürger haben ein Recht auf einen störungsfreien Tag", sagte der Einsatzleiter Thomas Klein, der stellvertretende Chef der Polizeiinspektion Neustadt an der Aisch gegenüber Nordbayern.de.

Dass die Dorfbewohner wirklich wieder "störungsfrei" leben können, ist unwahrscheinlich – das zeigt auch das gestrige "Schanzenfest". Auch über fünf Jahre nach ihrem Beginn lassen die Aktionen gegen den YouTuber Drachenlord scheinbar nicht nach.

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