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Gamer haben fast 200.000 Dollar für ein Inzest-Game gespendet

In 'Summertime Saga' konnten Spieler über lange Zeit Sex mit der Mutter und Schwester des Helden haben. Irgendwann griff die Crowdfunding-Plattform Patreon ein. Doch damit ist es nicht vorbei.
In der Originalversion des Spiels war Debbie die Mutter des Protagonisten | Screenshot: Summertime Saga

Patreon ist in den letzten Jahren zur wohl wichtigsten Website für unabhängige Künstler geworden. Hier sammeln Musikerinnen, Comedians, Podcasterinnen und andere Geld von ihren Unterstützern, um sich ein regelmäßiges Einkommen zu sichern. Inzwischen ist die Plattform Heimat und Haupteinkommen für echte Berühmtheiten aus Internet, Musikkultur und Gaming-Welt. In den Top-10 der Bestverdiener auf der Plattformen finden sich die Anarcho-Politik-Podcaster "Chapo Trap House", der antifeministische Männerflüsterer Jordan B. Peterson – und zwei Plätze vor Musikerin Amanda Palmer ein Pseudonym, das nur wenigen etwas sagen wird: DarkCookie. Dahinter steckt ein Mann, der für das erfolgreichste Porno-Game auf Patreon verantwortlich ist.

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Wäre Summertime Saga ein Film, es wäre die Porno-Parodie von American Pie. In einer Kleinstadt irgendwo in den USA muss ein junger Mann seine Noten verbessern, Geld für die Studiengebühren sammeln, ein Date für den Abschlussball klarmachen – und sehr viel Sex mit den Bewohnerinnen der Stadt haben. Das Spiel besteht vor allem aus Dialogen und Standbildern, unterbrochen von simplen Animationssequenzen mit Sex.

Nach einem Hochglanzprojekt klingt das nicht. Doch fast 11.500 Unterstützer spenden jeden Monat über 30.000 Euro an den Entwickler. Für ein Spiel, in dem über Monate Inzest-Beziehungen möglich waren – und an dessen Erfolg Patreon zwar mitverdient, es wohl aber lieber nicht täte.

Der Mann, der sich DarkCookie nennt, sagt über seinen Erfolg einfach nur: "Ja … äh … nun. Das ist schon awesome." Seinen echten Namen will er im Gespräch mit Motherboard nicht verraten, nur sein grobes Alter: "Ich gehe auf Mitte 30 zu und habe erste graue Haare." Viele Spieleentwickler wollen gefeiert werden für ihr Werk, DarkCookie nicht. Denn er befürchte, dass ihm seine Porno-Spiele eine andere Karriere verbauen könnten, sagt er Motherboard in einem der wenigen Interviews, die er bisher gegeben hat. Laut eigenen Angaben wird er von dem beliebtesten Porno-Game auf Patreon nicht reich. Das Geld nutze er, um sechs weitere Entwickler zu bezahlen, zusammen mit ihm am Spiel zu arbeiten.

Patreon war für den Entwickler des Porno-Games eine sichere Heimat. Bis zum 2. März dieses Jahres. Die Kampagne, so heißt es auf der Crowdfunding-Plattform, würde jetzt geprüft. Neue Spenden werden nicht angenommen. Patreon bestätigte auf Anfrage von Motherboard, dass Summertime Saga zwischenzeitlich gegen die eigenen Regeln verstoßen habe – man habe aber gemeinsam mit ihm Schritte erarbeitet. Heute verstoße Summertime Saga nicht mehr gegen die Regeln von Patreon. Genaures wolle man zu dem Fall aber nicht sagen. "Wir äußern uns nicht zu einzelnen Nutzern", erklärte eine Sprecherin per E-Mail.

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Wie Patreon versucht 'Summertime Saga' auszubremsen

DarkCookie hält sich seit Monaten in den Top 10 der erfolgreichsten Projekte auf Patreon. Die Fan-Community von Summertime Saga ist überraschend groß und DarkCookie längst ein heimlicher Star der Porno-Game-Szene. Über eine Million Besucher kämen auf seine Website, wenn er ein neues Update veröffentliche, sagt DarkCookie. Über 40.000 Mitglieder zählt sein Server auf der Chat-App Discord. Hier hängen Tausende Spielerinnen und Spieler mit ihm gleichzeitig ab, sprechen über die Entwicklung von Summertime Saga und tauschen Links zu Pornos.

"Patreon ist nicht für Pornografie gemacht"

An diesem Erfolg verdient auch die Plattform. Etwa fünf Prozent der Einnahmen der Kampagne von DarkCookie streicht Patreon ein. Die Plattform hat ein Interesse daran, dass Künstler Geld und Unterstützung von ihren Fans bekommen – und bewirbt dafür besonders erfolgreiche Projekte auf der Startseite. Dabei sind Comedy-Projekte wie Kinda Funny oder die politischen Kommentare des Trump-Unterstützers Dave Rubin – aber nicht DarkCookie. Auch über die Suchfunktion kann man eines der aktuell fünf erfolgreichsten Projekte der Plattform nicht finden. Nur wer den Link kennt oder eine externe Suche benutzt, findet das erfolgreichste Porno-Spiel auf Patreon.

Warum Patreon ein Porno-Problem hat

Screenshot aus Summertime Saga

Jenny ist Debbies sexbesessene Tochter. Im Original des Spiels ist sie die Schwester des Protagonisten | Bild: Screenshot | Summertime Saga

Schon seit längerem brodelt es hinter den Kulissen der wichtigsten Crowdfunding-Seite im Netz. Denn viele Sexarbeiter, Porno-Produzentinnen und Erotik-Fotografen haben Patreon ausgewählt, um ihre Arbeit von ihren Fans finanzieren zu lassen. Der Grund waren wohl auch die sehr liberalen Nutzungsbestimmungen der Plattform: "Patreon ist nicht für Pornografie gemacht", hieß es noch 2015 in einer archivierten Fassung der Nutzungsbestimmungen. "Doch die schönste und historisch bedeutendste Kunst hat oft Nacktheit und Sexualität dargestellt. Wir erlauben daher Nacktheit und suggestive Bilder, aber eben keine Pornografie."

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Ob Patreon zu diesem Zeitpunkt auch Cartoon-Videospiele mit jeder Menge Sex als Pornografie versteht oder sie eher bei der Venus von Milo verortet, ist unklar. Klar ist dagegen: Der Crowdfunding-Dienst unterschied sich damals stark von seinen großen Konkurrenten Kickstarter und IndieGogo, bei denen Kunstfreiheit bei Nacktheit schnell an Grenzen stößt. Doch gerade für Produzentinnen von sexuell expliziten Inhalten ist es überraschend schwer, im Netz für ihre Arbeit bezahlt zu werden, ohne auf dubiose Porno-Plattformen auszuweichen oder mit hohen Gebühren von Zahlungsdienstleistern bestraft zu werden. Wohl auch deswegen strömten nicht nur Sexarbeiterinnen zu Patreon, sondern auch Spieleentwickler.

Im Oktober 2017 ändert sich das jedoch. Wie Motherboard bereits berichtete üben Banken und andere Finanzdienstleister Druck aus auf die Plattform. Patreon veröffentlicht daraufhin neue Nutzungsbestimmungen, die pornografische Inhalte stark einschränken. "Pornografisches Material oder Sexarbeit darf nicht als Belohnung für Unterstützer angeboten werden", heißt es auf Patreon. "Pornografie sind für uns Filme und Bilder echter Menschen, die sexuelle Handlungen ausführen, etwa Masturbation oder Geschlechtsverkehr."

Erlaubt ist höchstens "Adult Content", also Inhalte, in denen Nacktheit vorkommt, aber kein Sex. Auch drastische Gewaltdarstellungen fallen unter "Adult Content". Diese Inhalte dürfen bleiben, müssen sich selbst als "Adult Content" ausweisen und werden dann in der Suche auf Patreon selbst nicht mehr angezeigt. Kampagnen, die gegen die angepassten Regeln verstoßen, bekommen Post von Patreon. Sie sollen die Inhalte ändern, sonst dürfen sie Patreon nicht mehr benutzen. Für viele Sexarbeiterinnen kommt das unerwartet, ihnen droht mit den strengeren Regeln der plötzliche Verlust ihrer Lebensgrundlage.

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'Summertime Saga' und Inzest

Screenshot aus Summertime Saga

"Richtige" Aktionen werden im Spiel mit anzüglichen Bildern oder animierten Sex-Szenen belohnt | Bild: Screenshot | Summertime Saga

Obwohl die Regeln vor allem Bilder von "realen" Menschen betreffen, bekommt DarkCookie im Januar Post von Patreon. "Wir waren gerade dabei, ein Update fürs Spiel zu veröffentlichen", erzählt der Entwickler. Dann wurde Patreon aufmerksam auf einen sehr spezifischen Aspekt des Spiels: Debbie und Jenny.

Die Story des Spiels dreht sich in der aktuellen Fassung um einen jungen Mann, der nach dem Tod seines Vaters bei Freunden der Familie unterkommt: Debbie, eine Frau, die nur im Bademantel durchs Haus läuft; und ihre Tochter Jenny, eine junge Frau, die ohne das Wissen ihrer Mutter Cam-Shows veranstaltet. Mit beiden Frauen kann der Held des Spiels schlafen. Als Patreon auf Summertime Saga aufmerksam wird, sind Debbie und Jenny jedoch keine Nachbarinnen, sie sind Mutter und Schwester des Protagonisten.

Für viele Fans sind diese beiden Figuren der Grund für ihre Unterstützung. Immer wieder taucht Summertime Saga auf Seiten auf, die "Inzest-Spiele" sammeln. "Das Spiel ist nicht beliebt, weil es ein so gutes Spiel ist, sondern weil es ein mittelprächtiges Spiel über Inzest ist", heißt es in einer Diskussion unter Fans von Porno-Games auf Reddit.

DarkCookie wird klar, er muss das Spiel ändern, sonst wird er von der Plattform Patreon geschmissen. "Das Update mussten wir verschieben", erzählt er Motherboard. "Und wir mussten die ganze Geschichte ändern." Um die Patreon-Bestimmungen zu erfüllen, müssen DarkCookie und sein Team Dialoge umschreiben –und aus Mutter und Schwester, Nachbarin und Nachbarstochter machen. Das kostet Zeit und Geld.

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Der Entwickler, der in den USA lebt, beschreibt das als "Zensur", sauer auf Patreon sei er aber nicht: "Das ist schon okay. Es ist, wie es ist, ich mache mir da keinen Kopf drum", sagt DarkCookie im Discord-Chat mit Motherboard, "aber die Original-Version war das, was wir beabsichtigt haben: Wenn du in Summertime Saga eine Beziehung eingehen wolltest mit einem Familienmitglied, dann konntest du das tun. Wir haben dich nicht dazu gezwungen, aber du konntest, wenn du wolltest."

"Lehrer flachlegen? Fuck that! Ich will mit meiner Mom zum Abschlussball!"

Dass Patreon keinen Inzest auf seiner Plattform unterstützen will, ist nicht allzu überraschend. In Deutschland steht auf Inzest bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe. Ähnlich sieht die Rechtslage in Kalifornien aus, dem US-Bundestaat, in dem Patreon sein Hauptquartier hat. Zwei bis drei Jahre und eine Geldstrafe von bis zu 10.000 Dollar steht auf Beziehungen zwischen Verwandten. In einigen Bundesstaaten sind die Gesetze für Inzest laxer, in vielen anderen aber weit strenger als in Deutschland oder Kalifornien.

Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – ist Pornografie mit Inzest sehr beliebt. Laut einer Amateurporno-Plattform sind vor allem in Deutschland Inzest-Pornos beliebt. Das bestätigt auch eine Datenanalyse der Porno-Plattform Pornhub, die besagt, dass Inzest sogar weltweit zu den beliebtesten Genres gehört. Videos mit den Tags "Stiefschwester" und "Stiefmutter" sind immer wieder in der Top-Liste der beliebtesten Kategorien in Porno-Filmen.

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Obwohl das Interesse an Pornos, in denen realer oder fiktiver Inzest passiert, so groß scheint, ist es falsch, bei Patreon von "Zensur" zu sprechen, denn nur ein Staat kann Zensur betreiben. Patreon ist nicht verantwortlich für Gesetze gegen Inzest, sondern nur für seine eigene Plattform. Es hat ein Hausrecht und kann damit Inhalte, die sie nicht unterstützen wollen, jederzeit von der Plattform ausschließen. Ob Nutzer das gut finden und unterstützen, ist eine andere Frage. Bloß, streng genommen stellte Summertime Saga nie Inzest dar. DarkCookie hat keine Kampagne dafür gestartet, Sex-Videos mit Verwandten zu drehen, sondern ein anzügliches Videospiel mit Cartoon-Figuren entwickelt, in dem diese Figuren (auch) Inzest betreiben. Oder anders: Auch Mord ist strafbar, und trotzdem findet er in Fortnite statt, genau wie im Tatort mit Til Schweiger.

Wie die Saga von DarkCookie weitergeht

Im Gespräch betont DarkCookie zwei Dinge: Ihn selbst lässt sein Spiel kalt – auch die Inzest-Kontroverse. "Das ist Arbeit für mich", sagt er, und: Was er macht, sei immer auch der Wunsch der Community. Und die wünschte sich erst Sex. Und dann Inzest. "Wir dachten: Wenn Leute wirklich alles im Spiel machen sollen, was sie wollen, dann ist Inzest nicht so schlimm", so DarkCookie. "Klar, da gibt es auch Grenzen. Wir haben keine Vergewaltigungen, keine Pädosexualität, keine Zoophilie. Ja, Inzest ist ein Tabu-Thema, aber es ist auch sehr subjektiv", sagt der Entwickler. “Hat nicht auch Game of Thrones Inzest-Szenen? Die beliebteste Show der Welt!", so der Entwickler.

Dem Wunsch seiner Community, sich gegen die Regeln der Plattform zu stellen, die ihm ein üppiges Gehalt beschert, folgt DarkCookie aber nicht. Mit einem Update vom 15. April 2018 verschwinden die Inzest-Elemente aus dem Spiel. Über 170.000 Euro hat DarkCookie zu diesem Zeitpunkt mit Summertime Saga eingenommen. Es verstößt jetzt nicht mehr gegen die Vorgaben der Plattform, das bestätigt auch eine Sprecherin von Patreon gegenüber Motherboard. Ob das so bleibt, ist unklar. Spezielle Regeln für Porno-Games gibt es bis jetzt nicht auf Patreon.

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Bei Motherboard: Balloon Porn Superstar


Die Community reagiert im April kontrovers auf die Änderungen. "Inzest ist doch das Beste!", heißt es von einem enttäuschten Spieler auf Reddit. "WTF ist dieser Scheiß? Ich bin jetzt raus!", schreibt ein anderer in einem Thread, den er "Summertime Saga ist ruiniert" nennt. Man könne doch jetzt zumindest mit den Lehrern schlafen, wirft ein Nutzer ein, doch es nutzt nichts: "Lehrer flachlegen? Fuck that! Ich will mit meiner Mom zum Abschlussball!"

Den Inzest ganz aufgeben will Dark Cookie nicht. Wie viele Entwickler ist er pragmatisch, was bereits entwickelte Inhalte angeht: "Man kann das ja auch so sehen: Wir haben jetzt eine alternative Version entwickelt für Leute, die keinen Inzest sehen wollen. Falls wir irgendwann die Plattform wechseln sollten, können Leute dann mit einem Klick Inzest-Inhalte abstellen und alle Charaktere sind nicht mehr verwandt", sagt DarkCookie.

Einige Fans wollen nicht so lange warten. Schon jetzt entwickeln sie inoffizielle Inzest-Patches, die aus Debbie und Jenny wieder Mutter und Schwester machen. Kontrollieren kann das Patreon nicht. Irgendjemand findet im Internet eben für fast alles eine technische Lösung.

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