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Der erste Pflanzen-Burger, der wirklich nach Rind schmeckt, ist da

Wie ein Biochemiker das Geheimnis des Fleischgeschmacks knackte und damit den Fleischmarkt disrupten will.
Bild: Screenshot Impossible Foods

„Wenn du Hardcore-Fleischesser überzeugen willst, kannst du nicht einfach nur ein bisschen Gemüse zusammenmanschen", findet Pat Brown. Sein Startup Impossible Foods hat möglicherweise das Unmögliche geschafft und einen veganen Burger kreiert, der so gut schmeckt wie Fleisch. Das berichten zumindest einstimmig begeisterte Tester auf der diesjährigen Code, einer Tech-Konferenz in San Francisco—und Amerikaner kennen sich bekanntermaßen mit leckeren Burgern aus. „Saftig, köstlich", schwärmt eine Reporterin, „ich muss nie wieder Fleisch essen!"

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Gründer Pat Brown ist ein Biochemiker aus Stanford und wirkt für Silicon Valley-Verhältnisse geradezu spröde. Nach einer Karriere als Entwickler eines DNA-Chips, der sich zur Analyse von Genexpression durchgesetzt hat, stellte er sich ein Team aus Molekularbiologen und anderen Wissenschaftlern zusammen, das von Redwood City in Kalifornien aus den globalen Fleischmarkt gemeinschaftlich links überholen will.

Einfach ist das Unterfangen nicht. Den ersten Protoypen beschreibt Brown erfrischend ehrlich als „ranzige Polenta".

Das ist nicht nur eine kühne Geschäftsidee, sondern auch bitter nötig: Bis 2050 wird es neun Milliarden Menschen auf der Erde geben, und nicht zuletzt durch einen wirtschaftlichen Aufschwung in Schwellenländern steigen Bedarf und Nachfrage nach Fleisch enorm. Leider haben wir noch keinen Ersatzplaneten gefunden, den wir für diese Mammutaufgabe der Welternährung beackern können; die Flächen und Ressourcen auf der Erde reichen für dieses Szenario von neun Milliarden Carnivoren schlicht nicht aus. Schon jetzt sind 30% aller nicht vereisten Landflächen durch Tierhaltung blockiert; und furzende Kühe sind bekanntlich schlecht für's Klima.

Leider schmecken viele Gemüsebratlinge nicht nur lasch (und werden deshalb häufig mit Gewürzen überladen und in zu viel Fett gebraten), sondern sind auch aus Nachhaltigkeits-Sicht nicht immer die ideale Wahl—Stichwort Soja.

Bei der Suche nach Alternativen zu Fleisch legt Impossible Foods dabei auf einen Aspekt besonders Wert, der unbestritten bei bisher erhältlichen Fleischersatzprodukten zu kurz gekommen ist: Sinnlichkeit. So ein Burger soll eben nicht nur gesund und nachhaltig produziert sein, sondern auch gut riechen, nicht beim ersten Bissen krümelig auseinanderfallen, eine appetitliche Kruste beim Braten bekommen und elastisch sein. Und möglichst nach Rinderhack schmecken.

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Einfach ist das Unterfangen nicht. Den ersten Protoypen beschreibt Brown erfrischend ehrlich im Economist als „ranzige Polenta".

Seit der Gründung der Firma 2012 ist jedoch einiges passiert in Sachen Hightech-Burger: Im Labor bricht das Team Biomasse für die Nahrungsmittelproduktion auf. „Wir isolieren ganz gezielt Proteine, die die exakten Eigenschaften von Fleisch simulieren können", so Brown. Sie bestimmen, wann die Masse unter Hitzeeinwirkung schmilzt, beim scharfen Anbraten knusprig karamellisiert oder wie sie sich im Mund mit Speichel vermischt verhält.

Weizen, Kartoffeln und Hefe bilden die Hauptbestandteile des nun vorgestellten Impossible-Foods-Burgers. Auf molekularer Ebene finden sich auch Bestandteile aus etwas exotischeren Zutaten wie Honigmelone in dem Klops. Die Masse ist optisch und haptisch kaum von Hack zu unterscheiden, sie wird von diversen pflanzenbasierten Fasern zusammengehalten, etwas Kokosfett gibt ihm die nötige Geschmeidigkeit.

„Es blutet!", berichten US-Medien entzückt.

Diese fehlende Geschmeidigkeit ist auch die größte Herausforderung des im Labor gezüchteten echten Fleischs von Mark Post an der Uni Maastricht: In der Petrischale wächst zunächst nur Muskelgewebe in Form von winzigen Röhrchen vor sich hin, und das einheitliche Gewebe schmeckt allerhöchstens ok—das geschmacksgebende Fettgewebe fehlt nämlich völlig als Geschmacksträger und muss nachträglich künstlich hinzugefügt werden.

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Das Geheimnis des Fleischgeschmacks hat Impossible Foods nun offenbar geknackt. Es ist ein Protein namens Häme, das sich auch in Hämoglobin und Myoglobin findet—aber praktischerweise auch in jeder pflanzlichen Zelle. Es sorgt für die rote Farbe des Burgers, für die elastische Konsistenz und das richtige Bissgefühl. Die Tester sind jedenfalls begeistert, vor allem die Tatsache, dass ihr Patty „blutet", betonen viele US-Medien gern.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Weniger Treibhausgase, weniger Wasserverbrauch, kein Cholesterin, weniger Salz, und keine Chance für gefährliche Bakterien, die sich auf rohem Fleisch tummeln können.

Forscher sagen der Fleischindustrie mit billigem Labor-Burger den Kampf an

Restaurants in den USA reißen sich um die Teilnahme an einem Exklusiv-Programm, das den Burger im Dauereinsatz mit Köchen testet, bevor es endgültig auf den Markt geht. Besteht der Burger, wird das Produkt bis Ende des Jahres regulär erhältlich sein; durch den dann gesteigerten Absatz soll auch der Preis schrumpfen: Erklärtes Ziel von Impossible Foods ist, das Pflanzenfleisch so günstig zu machen wie das reguläre Hackfleisch im Supermarkt. Schon jetzt kostet der Burger in etwa so viel wie Bio-Rind—also etwas mehr als ein Produkt aus Massentierhaltung, aber durchaus nicht unbezahlbar.

Bild: Impossible Foods

Die Klops-News interessiert aber nicht nur Köche, gelangweilte Vegetarier und reuevolle Fleischesser, sondern auch Investment-Kapital aus dem technologieverrückten Silicon Valley: Bereits im vergangenen Sommer meldete Google Interesse am Kauf von Impossible Foods an. Doch der Deal platzte. Nichtsdestotrotz umgarnt Alphabet den Fleisch-Disruptor weiter intensiv. Auf einem Shareholder-Treffen vergangene Woche listete CEO Eric Schmidt den Fleischersatz als eine der zehn Spitzentechnologien, die die Welt in den nächsten paar Jahren grundlegend verändern wird. Ähnlich sieht das auch Bill Gates: In einem Blogpost über die Zukunft unserer Nahrung schrieb er vor drei Jahren bereits: „Wir brauchen mehr Optionen für die Fleischproduktion, die unsere Ressourcen nicht noch weiter dezimieren."

Ganz allein ist Impossible Foods in ihrem Feld natürlich nicht—es hat sich bereits eine gesunde Rivalität herausgebildet. Gerade in Kalifornien stehen Konkurrenten wie Beyond Meat an der Schwelle zum Durchbruch mit pflanzenproteinbasierten Produkten. Josh Tetricks Firma Hampton Creek will Eier ersetzbar machen—mit Keksteig, Kuchenfertigmix und Mayo auf Erbsenproteinbasis. Seine Produkte stehen bereits in den Regalen größerer Supermarktketten in den Vereinigten Staaten.

Impossible Foods will sich in Zukunft nicht nur auf Fleisch beschränken, sondern noch andere Nahrungsmittel disrupten: Wenn die Aufzucht von Tieren für die Fleischproduktion unnötig und ineffizient ist, könnte man dann nicht mit den richtigen Biochemie-Skills auch richtig leckeren Käse und sogar Fisch herstellen, ohne Tiere dafür zu halten beziehungsweise zu töten? Wie jeder zünftige Disruptor scheut sich Pat Brown nicht, alles eine Nummer größer zu denken und die Welt im wahrsten Sinne des Wortes verändern zu wollen. Dem US-Kabelsender CNBC sagte er: „Unser Einfluss soll ganz leicht aus dem Weltraum sichtbar sein."