Mensch gegen Maschine: Öffentliche On- und Offline-Medien unterstützen

FYI.

This story is over 5 years old.

Die Technologieausgabe

Mensch gegen Maschine: Öffentliche On- und Offline-Medien unterstützen

Wie machen wir uns Technologie besser zunutze?

Fotos: Maria Gruzdeva

Aus der Technologieausgabe.

Astra Taylor ist Mitgründerin von Debt Collective und Dokumentarfilmerin. Sie arbeitet aktuell an einem Filmprojekt über Demokratie.

***

Die Intellektuellen, die ich in meiner Jugend bewunderte, richteten ihr Augenmerk nicht nur auf Medien und Kultur, sondern auch auf deren Finanzierung. Die Denker der Frankfurter Schule schrieben über eine Kulturindustrie, welche die Demokratie kommerziellen Interessen opfert. Noam Chomsky entmystifizierte den Vorgang des "manufacturing consent" und demonstrierte eingehend, wie selbst eine vorgeblich freie Presse ihren Dienst an der Öffentlichkeit verfehlt, wenn sie an Profite gebunden ist.

Anzeige

Netzwerktechnologien haben diese Dynamiken und Dilemmata nur noch verstärkt, und doch sprechen wir selten über Kommerzialisierung. Vielleicht, weil wir zu sehr von ihr umgeben sind, um das Problem überhaupt noch zu erkennen, geschweige denn einen Ausweg oder eine Alternative zu finden. Kaufleute haben ihre Namen unseren Museen, Stadien und Schulen aufgedrückt.

Sie haben schon die Offline-Welt kolonisiert, warum also sollte es sich gerade online anders verhalten? Wenigstens können wir im "echten Leben" noch hier und da durchatmen, im Park oder auf der Straße. Online verbringen wir dagegen so gut wie jeden Moment im Austausch mit Websites und Diensten, die Werbekunden gehören, also völlig kommerziellen Seiten. Unsere virtuellen Ichs leben in digitalen Einkaufszentren, und da online alles zum Monopol tendiert, bleiben wir die meiste Zeit im selben Einkaufszentrum namens Facebook und schlendern von dort nur ab und an zu anderen beliebten Zielen (Google, YouTube, Amazon, Twitter, Snapchat usw.).

Es gibt keine wirklich öffentlichen, nicht kommerziellen Räume im Internet. Und das ist ein ernstes Problem, dem wir uns bisher nicht gestellt haben. Wir sind zwar nicht völlig passiv, setzen zum Beispiel Adblocker ein und bezahlen manchmal direkt für "Content", den wir besonders mögen (oder gratis nirgends finden). Doch radikale Alternativen ziehen wir selten in Betracht. Daher ist die Antwort auf die Frage, wie wir uns Technologie besser zunutze machen können, dass wir sie zunächst einmal dazu bringen müssen, überhaupt uns zu nutzen statt kommerziellen Interessen.

Anzeige

Wir, das Volk, müssen anfangen, direkt zu zahlen, statt unser Geld durch Privatfirmen zu filtern, die Medien und Kultur indirekt durch Werbebudgets finanzieren, an die immer Bedingungen geknüpft sind. Werbekunden haben online unfassbar viel Macht, und diese Macht braucht dringend ein öffentliches, nicht kommerzielles Gegengewicht. Aktuell kontrollieren Werbekunden die Finanzen so ziemlich jeder der beliebtesten Websites (Wikipedia ist die einzige Nonprofit-Seite, die regelmäßig viele Menschen besuchen). Früher brauchten Werbekunden Verleger, TV-Sender und Reklametafeln, um ihre Zielgruppe zu erreichen, doch jetzt können sie einzelnen Personen durchs Internet und durch Apps folgen und Daten sammeln, um Vorlieben zu erfahren und Werbebotschaften maßzuschneidern.

Wie es so schön heißt: "Wenn du nicht für das Produkt zahlst, bist du selbst das Produkt." Als Internetnutzer beschweren wir uns oft über die Folgen der Kommerzialisierung, ohne die Ursache zur Kenntnis zu nehmen. Wir beklagen Überwachung und den Schwund unserer Privatsphäre, ohne die Beweggründe hinter dem Datensammeln der Firmen zu untersuchen. Wir merken, dass Social Media uns ablenkt oder süchtig macht, aber machen uns nicht klar, dass werbegetriebene Seiten und Dienste wollen, dass wir rastlos immer wieder "zugreifen", um ihre Statistiken hochzutreiben und mehr Geld einzubringen.

"Die einzige Antwort auf diesen Wahnsinn sind öffentliche Medien – was entgegen rechtspopulistischem Gerede nicht "staatlich kontrolliert" bedeutet."

Statt Chomskys künstlich hergestelltem Konsens bestimmt heute ein künstlich hergestellter Zwang unser Leben, denn unser besessenes Geklicke, was uns "gefällt" und was nicht, wird direkt zu Geld. Oder nehmen wir die neuen Kontroversen um "Lügenpresse" und "Fake News": Trump ist wie kein Präsident vor ihm gewillt, destruktiven, haltlosen Schwachsinn zu verbreiten, und das Publikum ist schärfer denn je auf Memes und Mashups, die ihre bestehenden Meinungen bestätigen. Die Wahrheit interessiert nicht.

Doch Fake News sind nicht erst zur letzten Präsidentschaftswahl aufgetaucht. Sie existieren seit Jahrzehnten als logische Konsequenz monopolistischer, profitgieriger, werbefinanzierter Systeme. Dieselben Bedingungen, die online zu Fake News führen, haben auch seriöse Printzeitungen gezwungen, Journalisten zu entlassen und Auslandsbüros zu schließen.

Die einzige Antwort auf diesen Wahnsinn sind öffentliche Medien – was entgegen rechtspopulistischem Gerede nicht "staatlich kontrolliert" bedeutet. Stattdessen kann die Bevölkerung im öffentlichen Interesse Online- und Offline-Journalismus unterstützen. Wir können das Geld und die Macht, die wir Werbeleuten über unsere Kultur geben, zurückgewinnen und diesen Wohlstand – unseren Wohlstand – in wirklich wichtige Dinge investieren. Oder wir können weiter zusehen, wie unsere Demokratie in Firmenmonopolen und Clickbait erstickt.

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.