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Monatsbudget

Eine Geschäftsführerin einer Zürcher Luxusboutique erzählt, für was sie ihr Geld ausgibt

Giulia verdient etwa 130.000 Franken im Jahr. Designerteile kauft sie sich dafür kaum, die bekommt sie geschenkt.

Alle Fotos von Mina Monsef.

In unserer Serie "Monatsbudget" zeigen Menschen aus den verschiedensten Schichten und Lebensrealitäten der Schweiz, wofür sie ihr monatliches Einkommen ausgeben. 

Die Schweiz ist bekannt als Mekka für Luxusgeschäfte. Besonders Zürich vermarktet sich mit seinen exklusiven Uhrenläden, Juwelieren und bekannten Modehäusern als solches. Die Bahnhofstrasse und die umliegenden Gassen sind das inoffizielle Wahrzeichen der Stadt Zürich. Die Geschäfte ziehen wohlhabende Einkaufstouristen aus der ganzen Welt an.

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Wir haben uns mit der Filialleiterin eines Haute-Couture-Ladens in Zürich unterhalten. Die 40-Jährige erzählt uns, wie sie ihre Kundinnen behandeln, warum sie bereit sind, tausende von Franken für Kleider zu zahlen und warum man als Stammkunde einer Luxus-Boutique regelmässig von Verkäuferinnen angerufen wird. Weil sie auch Details über ihre Kundinnen verrät, möchte Giulia ihren richtigen Namen hier nicht preisgeben.

VICE: Wieviel verdienst du?
Giulia: Ich habe einen Fixlohn von 100.000 Franken im Jahr. Dazu kommen Kommissionen. Insgesamt bin ich dann auf etwa 130.000 Franken pro Jahr.

Bekommst du zusätzlich auch noch Kleider günstiger?
Ja, sicher. Ich kann mir jede Saison für 3.000 Franken Kleider aussuchen, wobei da der Einkaufspreis zählt. Das heisst: Einmal im Sommer und einmal im Winter kann ich mir zu diesem Preis auswählen, was ich möchte. Ausserdem wähle ich für meine Mitarbeiter und mich Kleider aus, die wir als Uniform tragen. .

Geben deine Kunden Trinkgeld?
Nein, das nicht, nie. Trinkgeld gibt man in unserem Luxusbereich nicht. Erstens dürfen wir das gar nicht akzeptieren und zweitens machen die Kunden das nicht. Eigentlich ist es sogar umgekehrt: Die Stammkunden, die bei uns jede Woche gerne einmal 2.000 bis 3.000 Franken ausgeben, erwarten von uns einen Rabatt. Meinen besten Kunden, ich habe eine lange Liste, gebe ich jedes Mal wenn sie kommen zehn Prozent. Ohne zu fragen. Das ist unser 'Dankeschön' an sie.

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Sparst du im Moment für etwas?
Ich überlege, bald ein Haus zu kaufen, aber nicht in der Schweiz. Meine Eltern sind beide aus Italien und letztes Jahr wieder zurückgezogen. Ihre Pension reicht in der Schweiz nicht. Aber mit der Schweizer Rente lebst du wie ein König in Italien. Ich möchte mir ein kleines Haus am Meer kaufen, in der Nähe meiner Eltern. In meinem Leben ist allgemein immer Sparzeit. Ich lege immer etwas auf die Seite.

Leistest du dir hin und wieder etwas Luxuriöses?
Überhaupt nicht. Ich bin ursprünglich Goldschmiedin und habe auch in Schmuckgeschäften gearbeitet. Ich kenne Luxus gut. Aber er hat es mir nie angetan. Ich bekomme gratis schöne Kleider, weil ich in diesem Bereich arbeite. Ich habe kein grosses Bedürfnis danach. Ich möchte bestimmte Dinge, die ich mir leisten kann und die machen mir dann auch Freude. Ich shoppe auch nicht mehr gern. Vielleicht weil ich den ganzen Tag in einem Modegeschäft arbeite. Ein Blazer für 2000 Franken? Nein. Ich habe andere Prioritäten.

Wie gibst du denn dein Geld aus?
Mein Freund und ich gehen oft an Ausstellungen und ich kaufe mir Kunst- und Designbücher. Ich habe während meiner Ausbildung eine Kunstschule besucht und das ist mir geblieben. Ich würde gerne Kunst kaufen, ehrlich gesagt.

Von welchem Künstler hättest du gern ein Werk?
Von Basquiat. Er ist mein Lieblingskünstler.

Giulia arbeitet seit beinahe 20 Jahren in der Luxusbranche.

Verstehst du deine Kunden, die so viel Geld für Kleidung ausgeben?
Ich kann es gut verstehen und zum Glück machen sie das, sonst hätte ich keinen Job. Es gibt Leute, die viel, viel mehr Geld haben, als wir uns das vorstellen können. Ich verstehe auch Leute, die ein Jahr sparen, um sich ein Stück zu kaufen, von dem sie schon lange träumen.

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Was denkst du, wenn Kunden jede Woche bei euch für tausende Franken einkaufen?
Ich bin es gewohnt. Ich arbeite seit beinahe 20 Jahren in der Luxusbranche. Wir pflegen diese Kunden. Ich rufe Stammkunden wöchentlich an, denn jede Woche bekommen wir neue Ware. Ich schaue jedes Stück an und sage: "Dieses Stücke ist für Frau Tacktack, das wäre gut für Frau Nanana". Dann rufe ich jede einzeln an und sage ihr, dass wir etwas bekommen haben, das gut zu ihr passen könnte. Und sie freuen sich, wenn ich sie anrufe. Sie fühlen sich speziell. Sie kaufen meistens auch, was ich vorgeschlagen habe. Sind das Leute, die vielleicht nicht viel anderes zu tun haben? Ich weiss es nicht. Manche müssen etwas kompensieren. Andere geniessen diesen Luxus und den Erfolg, den sie im Leben gehabt haben. Aber ich finde, es ist wichtig, dass Geld nicht in der Bank liegt. Geld muss sich drehen und Jobs generieren. Leute, die viel Geld verdienen aber nichts davon ausgeben: Die sind nicht gut für die Wirtschaft.

Was ist für dich Luxus?
Das sind vor allem Ferien. Dafür gebe ich viel Geld aus. Mein Freund und ich sind letztes Jahr drei Wochen nach Brasilien in die Ferien gefahren und das war extrem teuer. Dafür musste ich richtig sparen. Aber ich sage es dir ganz ehrlich: Ich gebe auch manchmal Geld in unserem Laden aus. Wir haben zweimal pro Jahr einen stark reduzierten Verkauf für die Mitarbeiter. Dann kaufe ich mir ein paar Sachen, denn ich liebe das Design. Aber den vollen Preis würde ich nie zahlen.

Wenn du so richtig reich wärst, würdest du dir dann solche teuren Kleider kaufen?
Weisst du, eine Jeans ist auch von günstigeren Marken gut. Die oder ein einfaches T-Shirt würde ich woanders kaufen. Aber manche Stücke würde ich mir leisten, wenn ich viel Geld hätte.

Du hast früh angefangen, im Luxusbereich zu arbeiten. Wie hat sich deine Sicht auf Reichtum und Luxus dadurch verändert?
Als ich nach meiner Lehre nach Zürich gekommen bin, habe ich in meinem Auto geschlafen. Ich hatte keine Wohnung und keinen Job. Ich habe dann ziemlich schnell eine Arbeit als Goldschmiedin gefunden und 3.500 Franken verdient. Ich sah, dass Schmuck, den ich mit meinen eigenen Händen gemacht habe, für 10.000 Franken verkauft wurde. Das empfand ich nicht als fair und fühlte mich ausgenutzt. Ich musste jeden Rappen umdrehen. Darum habe ich mich weitergebildet und den Beruf gewechselt. Ich kenne also beide Seiten.

Wie siehst du deine Zukunft?
Ich überlege momentan, was ich machen möchte. Ich liebe meinen Job, ich komme jeden Morgen gerne zur Arbeit und ich fühle mich geschätzt. Aber ich denke, dass ich bald mal von der Schweiz weg und etwas Soziales machen möchte. Wir leben in der Schweiz in einer Blase. Ich würde gerne etwas machen, bei dem man am Ende des Tages spürt, dass man etwas wirklich Gutes geleistet hat. Das Leben geht schnell vorbei und ich möchte nicht verpassen zu wissen, was an anderen Orten passiert.

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