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Ein Spitzenkoch serviert Pferdefleisch und erntet viel Zorn

Es ist ein heikles Thema. Es war aber nicht so, als hätte der Koch ständig kleine Ponys gegrillt.

Letzte Woche war ich in Italien in Padua und habe mir bei einem Straßenverkäufer Gnocchi mit Pferderagout serviert in einer Styroporschüssel gekauft. Gekostet hat das Ganze fünf Euro und es war ohne Zweifel das beste Gericht, das ich während meiner Woche in Italien gegessen habe – besser als das sechsgängige Menü in einem Restaurant in Venedig, wo selbst die Tischdecken eine bessere Qualität hatten als alles, was ich im Schrank zu hängen habe. Auch in Island habe ich Pferd gegessen und während ich beide Male die letzten Bissen kaute, fragte ich mich: "Warum gibt es das nicht bei uns in den Staaten?" Die einfache Antwort: Weil alle komplett ausrasten.

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Das musste das Cure, ein Restaurant in Pittsburgh, das für den James-Beard-Award nominiert ist, vor ein paar Tagen auf die harte Tour lernen. Koch Justin Severino – selbst bereits vier Mal für die "Oscars der Küche" nominiert gewesen – lud für ein spezielles Dinner-Event zwei Gastköche aus Toronto ins Cure ein, Scott Vivian und Nate Middleton. Ihr Menü sollte eine Hommage an die Küche Québecs sein, mit einer Poutine mit Schwertmuscheln, Tourtière, einer Fleischpastete, mit Wapitifleisch und Tartar aus Pferdefleisch.

Letzteres – auf der Karte "Le Cheval" genannt" – hat für fast schon an Hysterie grenzende Empörung gesorgt: Beschwerden, leere Versprechen von Menschen, die Tausende Kilometer entfernt leben, und mindestens eine Morddrohung eines Users auf NewsoftheHorse.com. "Würde mich nicht überraschen, wenn es auch bald frittierte Menschenbeine auf der Karte gibt", schreibt ein Nutzer in den Kommentarspalten.

Unter dem Fotopost auf der Facebook-Seite des Cure ging es nicht gerade besser zu: "Sie sollten sich schämen", schrieb eine Frau. "Was kommt als Nächstes auf die Karte? Hipster-Tartar?", schrieb ein weiterer Nutzer. Schlauerweise hat das Restaurant die Bewertungsfunktion für seine Seite abgestellt – das hielt den wütenden Mob jedoch nicht davon ab, zu Yelp rüberzugehen und dort zu behaupten, dass das Fleisch nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sei oder dass das Restaurant Therapiepferde serviere.

Joy Braunstein, Ex-Geschäftsführerin der Humane Society in Western Pennsylvania, ging noch einen Schritt weiter, als nur einen Kommentar mit schlechter Zeichensetzung zu posten, und startete eine Petition auf change.org: Sie will, dass der Gouverneur von Pennsylvania, Tom Wolf, Pferdefleisch in allen Restaurants des US-Bundesstaats verbietet. "Das ist ein Weckruf an alle, denen Pferde und Lebensmittelsicherheit am Herzen liegen", schrieb sie. Und die Pittsburgh Post-Gazette weist noch mal darauf hin, dass Joy Braunstein weiß, wie viel change.org bewirken kann: Über 1.500 Menschen unterzeichneten einen Petition für ihren Rausschmiss, als sie sich für 1.000 Dollar einen reinrassigen Collie-Welpen kaufte, unterschrieben. Sie kündigte, nachdem sie zuvor beurlaubt wurde.

Pferd zu essen ist in den USA nicht verboten, allerdings hat die Regierung dafür gesorgt, dass man mit extrem viel Behördenaufwand zu kämpfen hat, wenn man es zum Beispiel in einem Restaurant servieren will. Die letzten Schlachthäuser für Pferde wurden vor einem Jahrzehnt geschlossen – und verboten. Und das US-Landwirtschaftsministerium USDA führt keine Inspektionen in Einrichtungen durch, wo Pferdefleisch verarbeitet wird – und plant das auch nicht. "November 2011 entschied der Kongress, ein Verbot der Pferdefleischkontrollen durch das USDA nicht zu verlängern. In den vorangegangen fünf Jahren verbot der Kongress dem USDA, Steuergelder für Inspektionen von Pferdeschlachtungen zu verwenden, durch die jährlichen Haushaltsmittel, die das Ministerium bewilligt bekommt", hieß es bei ABC im Zusammenhang mit dem Pferdefleischskandal in Europa. "Und weil durch das Fleischinspektionsgesetz vorgeschrieben ist, dass der Kontrolldienst des USDA Schlachttiere untersuchen muss, jeden einzelnen Tierkörper, konnte Pferdefleisch gar nicht auf den Tischen der Amerikaner landen."

In Pittsburgh versucht Koch Justin Severino derweil zu betonen, dass er nicht die ganze Zeit kleine Ponys grillt. "Am Montag haben wir zusammen mit Köchen aus Kanada ein Dinner-Event veranstaltet, ein Festmahl wie in Québec", sagt er in einem offiziellen Statement. "Ein Gang war Pferdetartar, ein traditionelles Gericht der Region. Das Pferd kam aus nachhaltiger Haltung im kanadischen Alberta. Das Gericht gab es nur an diesem einen Abend und steht nicht auf der regulären Karte des Cure."

Und wenn es doch so wäre, säße ich schon im nächsten Flieger nach Pittsburgh.