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einer für löw?

Alle wollen Johannes Geis—doch ist er wirklich so gut?

Schalke, Dortmund, Gladbach, Italien und England. Alle wollen Johannes Geis haben. Doch was macht den U21-Nationalspieler so wertvoll?
Foto: Imago

„Wir wollen ihn verpflichten!", sagte Schalke-Sportvorstand Horst Heldt ganz öffentlich bei der Vorstellung des neuen Trainers Andre Breitenreiter. Auch in England wollen sie ihn. In Italien hatten sie ihn schon—bis auf den scheinbar sicheren Transfer zu Lazio ein Dementi folgte. Und der BVB mit Neu-Trainer und Ex-Geis-Coach Tuchel will ihn auch. Alle wollen Johannes Geis. Aber was macht ihn so wertvoll?

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Am 21. April 2013 um 17.57 Uhr leuchtete der Stern von Johannes Geis zum ersten Mal so richtig auf. Für die Spielvereinigung Greuther Fürth schoss er sein erstes Bundesligator. Nicht irgendein Tor. Er traf ausgerechnet im 256. Frankenderby im Stadion vom Lokalrivalen Nürnberg und markierte den 1:0-Siegtreffer. Dass er von der Mittelinie aus mit dem Ball marschierte und aus mehr als zwanzig Metern mit seinem schwächeren linken Fuß den Ball in den oberen Winkel haute, ließe vielleicht schon erahnen, wohin es für diesen Johannes Geis mal gehen könnte.

Doch bis dahin war er noch ein unbekannter 19-Jähriger, der zwei Monate zuvor in der Bundesliga debütierte und vorher trotz Profivertrag seit 2011 wegen seiner zu defensiven Spielweise vom damaligen Fürth-Trainer Mike Büskens in die Regionalliga geschickt wurde.

Der FSV Mainz 05 war von den ersten acht Bundesligaspielen des gebürtigen Schweinfurters so überzeugt, dass sie ihn nach dem Abstieg der Fürther für risikoreiche 900.000 Euro kauften. Das Investment zahlte sich aus. Geis machte in seiner ersten Saison unter Thomas Tuchel 33 Spiele und entwickelte sich zum Stammspieler und absoluten Leistungsträger. „Mit seiner Energie, Wachheit und Überzeugung ist er extrem wichtig für uns. Er spielt wahnsinnig konstant auf hohem Niveau", schwärmte Tuchel. Vor allem seine Professionalität und sein Trainingseifer begeistern seine Trainer und Mitspieler. In seiner ersten Saison wurde er lediglich für seine fehlende Torgefährlichkeit kritisiert. Geis ist Vollblutprofi, also blieb er nach dem Training alleine auf dem Platz, trainierte seinen Schuss und übte Standardsituationen.

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In dieser Saison setzte er noch einen drauf, stand in jedem Spiel auf dem Platz und war unangefochtener Dreh- und Angelpunkt im Mittelfeld der Mainzer. Vor allem seine Präsenz auf dem Platz ist für einen 21-Jährigen unglaublich. „Er ist der Spielankurbler und Ballverteiler, hat dafür auch gute Passfähigkeiten und ist technisch gut", erklärt Rene Maric vom Taktikblog spielverlagerung.de. In der Mainzer Mannschaft hatte er den meisten Ballbesitz und er legte die meisten Kilometer zurück. Auch seine Extraschichten nach dem Training zahlen sich aus, denn er suchte in dieser Saison häufiger den Zug zum Tor und wurde einer der gefährlichsten Freistoßschützen der Liga. Mit seiner außergewöhnlichen Schusstechnik schoss der defensive Mittelfeldspieler von allen Mainzern am häufigsten aufs Tor. Dabei gelangen ihm vier Treffer, vier weitere bereitete er vor. Belohnt wurde das unter anderem mit der Einladung der deutschen U21-Nationalmannschaft zur EM in Tschechien. Dort dürfte er ebenfalls im stark besetzten Mittelfeld einen Stammplatz ergattern.

Sein Geheimrezept für diese Entwicklung: „Talent, ein bisschen Glück und viel üben." Wenn Beobachter über Johannes Geis sprechen, dann fällt oft das Wort „Ruhe". Geis ist für sein Alter extrem abgeklärt und arbeitet noch härter an seiner eigenen Entwicklung. „Als Sechser braucht man den Blick, um Aktionen zu antizipieren und entsprechende Adaptionen vorzunehmen. Ich schaue mir zahlreiche Matches an, viele Stars, deren Verhalten, wie sie Tacklings bestreiten, den Ball annehmen und im höchsten Tempo verarbeiten. Davon lerne ich", erklärte Geis dem Online-Magazin Goal.

All das, was Geis jetzt schon ausmacht, bewundert er an seinem Vorbild Bastian Schweinsteiger. „Er hat eine gute Übersicht, bringt Ruhe ins Spiel und ist ein toller Leader", schwärmt Geis. Ihm hat er in dieser Saison sogar etwas voraus: Anders als der Weltmeister ist Geis in der Top 5 der Bundesligaspieler mit den meisten Ballkontakten. Auch sonst erinnert er mit seiner Spielweise als Dirigent an den bayerischen Mittelfeldstar. Trotz seines Alters gibt Geis Kommandos an seine Mitspieler. Es scheint ihn nicht zu stören, dass er der jüngste Mainzer Stammspieler ist und einige von ihnen wie Kapitän Nicolce Noveski immerhin 16 Jahre älter sind als er. Schon jetzt ist er ein Anführer—vor allem, weil er ein Anführer sein will.

Rene Maric von spielverlagerung.de sieht Johannes Geis hingegen eher als deutschen Alonso. „Manchmal ist er strategisch zu unsauber, arbeitet zu oft zu vertikal und wirkt etwas schwach unter Druck", konstatiert Maric. „Er hat unterschiedliche Rhythmen. Manchmal fehlt zwar die Variabilität, aber insgesamt kann er relativ horizontal oder eben sehr vertikal und aggressiv agieren", so Maric. Er versucht im Trikot der Mainzer das Spiel im Mittelfeld an sich zu reißen und macht es mal mit steilen Pässen schneller, verlagert es mal mit diagonalen Flugbällen oder schiebt den Ball zum besser postierten Mitspieler. Seine Entwicklung ging senkrecht nach oben, weil er in Mainz Verantwortung übernehmen musste, genug Spielzeit als Stammkraft bekam und mit den drei Mainzer Trainern taktisch gut geschult wurde. Wird er diese Lehrjahre auf ein weiteres verlängern oder zieht es ihn in dieser Saison schon zu einem Topverein?

Die wahrscheinlichste Möglichkeit ist trotz der hohen 12-Millionen-Ablöse ein Wechsel zu Borussia Dortmund. Beim BVB wartet nicht nur der nächste Karriereschritt mit dem internationalen Geschäft auf Geis, sondern auch sein erster Förderer und Coach Thomas Tuchel. Über dessen fußballerische Arbeit schwärmte Geis vor ein paar Tagen genau so, wie über ihr gutes persönliches Verhältnis — was beim schwierigen Charakter Tuchel nicht selbstverständlich ist. Eine weitere Möglichkeit wäre Schalke 04, die ebenfalls einen Neuanfang wagen und international vertreten sind. „Er könnte in Mönchengladbach als Xhaka-Nachfolger aufgebaut werden, aber auch die spanische Liga wäre ein passendes Ziel", prognostiziert Rene Maric. Egal, wo er hin wechselt oder ob er wechselt: Johannes Geis wird einen weiteren Schritt zum Topspieler machen und dann wird ihn auch Joachim Löw wollen.

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