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Das US-Atomwaffenarsenal wird noch immer mit 8-Zoll-Disketten gesteuert

Ein Besuch in einer Kontrollanlage des amerikanischen Atomwaffenarsenals bietet einen eher beunruhigenden Einblick in jahrzehntealte Technologien.

Disketten sind noch immer für eine Überraschung gut—dass führt nicht zuletzt die erstaunliche Entdeckung der Amiga-Kunst des Pop-Art-Meisters Andy Warhol vor Augen. Doch als Teil einer atomaren Zerstörungsmaschinerie sorgt das veralterte Speichermedium für weniger Freude.

Tatsächlich sind alte acht Zoll große Floppy-Disketten jedoch nach wie vor ein wichtiger Teil des Systems eines amerikanischen Raketensilos. Das demonstrieren nicht nur die beiden Raketenforscher, die in der CBS News-Sendung 60 Minutes auftraten—ihre Aufgabe: die interkontinentalen Raketengeschosse Minuteman III in Wyoming überwachen. Ihr Arbeitsplatz, der Kontrollraum, sah allerdings nicht so aus, wie du es vielleicht von kriegsentscheidender Militärtechnologie erwartet hättest: Kein großer roter Knopf im Stil des Kalten Kriegs; stattdessen: Floppy Disks. Update: Auch ein im Mai 2016 erschienener Bericht kommt zu dem Schluss, dass Disketten noch immer eine wichtige Rolle für den Betrieb des US-Atomwaffenprogramms spielen. Der vom US-Kongress in Auftrag gegebene Bericht stellt fest, dass das gesamte Verteidigungssystem, das die Atomraketen in den Silos steuert auf einem IBM Series/1-Computer läuft—ein System das aus den 1970ern stammt und natürlich entsprechende Disketten-Anschlüsse aufweist. Der eindeutige Appell des Berichts: Das System sollte schleunigst ersetzt werden.

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Tatsächlich sind die Systeme so alt, dass die US-Armee nicht einmal auf die bekannteren 3,5 Zoll Diskettenmodelle vertraut, sondern die deutlich größeren und älteren 8-Zoll-Disketten verwendet, die oft in Museen als Beweis für den langen Weg der Computergeschichte herhalten müssen—oder auf deinem Dachboden unter alten DOS-Handbüchern schlummern. Die 23-jährige stellvertretende Raketenbeauftragte sagte gegenüber CBS, dass sie zuvor noch nie eine Diskette gesehen habe— bis sie jene Exemplare kennenlernte, die Teil der Anlagensteuerung sind, die über die Waffen der atomaren Apokalypse wachen.

One of the computers that would receive a nuclear missile launch order from the President still uses big floppy disks pic.twitter.com/6SOZ8AExUp
— 60 Minutes (@60Minutes) April 27, 2014

Die Erhaltung eines nuklearen Waffenarsenals ist tatsächlich eine teure Angelegenheit, und so ist High-Tech im Zusammenhang mit nuklearen Arsenalen und ihrer Kontrolle tatsächlich ein dehnbarer Begriff. Laut einer Studie des unabhängigen Stimson Center, würde es in den nächsten zehn Jahren mindestens 180 Milliarden Euro kosten Amerikas aktuelle Arsenale zu erhalten und zu modernisieren. Alleine die Aufrüstung der Minutemen-III-Raketen kostet rund fünf Milliarden.

Der CBS-Beitrag zeigt, dass auch die vom US-Militär verwendeten Telefone ziemlich alt sind. Immerhin erklärte man, dass sie „in den nächsten Jahren modernisiert werden sollen." Es wäre ja auch ziemlich peinlich, wenn eine schlechte Verbindung den Dritten Weltkrieg auslöst. Doch alte Telefone und Disketten sind nur ein Teil des Problems.

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Nicht nur die Computer, die die Raketen kontrollieren sind alt und werden von überholten Programmen gesteuert—auch die Informationslage zur Pflege der Raketen ist eher schlecht. „Das unersätzliche Konfigurationsmanagement der nuklearen Waffen ist in zunehmend schlechtem Zustand", stellte letzten Monat die Prüfung der National Nuclear Security Administration Nuclear Weapons Systems Configuration Management in etwas hölzerner Beamtensprache fest:

„Besonders filmische Medien und Mikrofiche sind dem Verfall ausgesetzt. Auch Radiographen beginnen, aneinander fest zu kleben, wodurch erhebliche Schäden entstehen und die Daten unwiederbringlich verloren gehen."

Das sind tatsächlich beunruhigende Nachricht, denn ohne die Informationen zu Konfiguration und Bedienung können nukleare Sprengköpfe und ihre Komponenten nicht wirklich zuverlässig instand gehalten werden, was „einen negativen Einfluss auf die Verlässlichkeit und Sicherheit amerikanischer Atomwaffen haben könnte".

Immerhin hat der Gebrauch veralteteter Technologie auch einen Vorteil, wie Sean Galliger von Ars Technica betont: Es gibt nicht viele Hacker, die Erfahrung damit haben in die Computersystem aus den 1960ern einzudringen. „Vor ein paar Jahren analysierten wir unser komplettes Netzwerk", gibt ICBM Oberbefehlshaber General Jack Weinstein mit technischem Stolz zu Protokoll: „Internet-Techniker fanden heraus, dass das System, so wie es entwickelt wurde, extrem sicher ist."

Eine Pentagon-Sprecherin kommentierte den jüngsten Bericht knapp: „Die Systeme laufen immer noch, denn sie funktionieren."