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IS-Anhänger und Neonazis beliefert: Darknet-Waffenhändler verurteilt

Der Fall des 32-jährigen Optikers zeigt, dass die Polizei durchaus etwas gegen den Waffenhandel im Darknet ausrichten kann.
Eine solche Walther P38 verkaufte ein Waffenhändler mit dem Namen „Dosensuppe" in einem Darknet-Schwarzmarkt. Ob es sich um den selben Händler handelt, der jetzt verurteilt wurde, ist bisher nicht zweifelsfrei belegt. | Screenshot: Motherboard via Gwern Darknet-Archiv

Ein 32-jähriger Optiker aus Heidelberg muss für fünf Jahre und sechs Monate hinter Gitter, weil er fast zwei Jahre lang im Darknet Waffen verkauft hat. Der vorsitzende Richter am Heidelberger Landgericht befand den Mann, der laut Gericht zwischenzeitlich unter dem Account „Dosensuppe" im Darknet agiert haben soll, am gestrigen Donnerstag für schuldig, von Januar 2014 bis Oktober 2015 mit Pistolen und Kriegswaffen im internationalen Maßstab gehandelt zu haben.

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Im Darknet-Sortiment des Heidelbergers sollen sich neben Shotguns und Sturmgewehren auch Pistolen der Marke Glock 17 befunden haben, jener Waffentyp, der laut derzeitigem Ermittlungsstand vom Münchner Amokläufer David S. für den Mord an neun Menschen verwendet wurde. Dass David S. die Tatwaffe von dem Darknet-Nutzer mit dem Namen „Dosensuppe" erhalten hat, gilt aber als ausgeschlossen. Das zeigen nicht zuletzt Motherboard-Recherchen über jenes Schwarzmarkt-Forum, das Münchner Ermittler im Fall David S. momentan ins Visier genommen haben. Der nun verurteilte Heidelberger dürfte nicht auf dem fraglichen Forum, sondern eher in einem etablierten Darknet-Schwarzmarkt verkauft haben, wie es für Waffenhändler dieser Größenordnung üblich ist.

Wie umfangreich das Geschäftsimperium des Heidelberger Waffenschiebers tatsächlich war, blieb auch nach Abschluss des Verfahrens weiter unklar. Von zwölf verkauften Waffen geht der vorsitzende Richter Edgar Gramlich aus, von 65 die Anklage um Staatsanwältin Anna Römhild. In jedem Fall hätte mit den Waffen „eine kleine Armee ausgerüstet werden können", betonte Gramlich laut Augsburger Allgemeine die Schwere der Tat und verwies auf die Gefahr des illegalen Waffenhandels auch vor dem Hintergrund des Münchner Amoklaufes.

Tatsächlich findet sich in von Motherboard aufgearbeiteten Darknet-Unterlagen, die ursprünglich von dem Sicherheitsforscher Gwern ins Netz geladen wurden, ein Darknet-Waffenhändler, der unter dem Namen „Dosensuppe" Waffen und Munition verkauft. Seine Verkaufsbilanz deutet auf eine äußerst aktive Geschäftstätigkeit hin: Allein für den Zeitraum von Januar bis November 2014 weist sein Händleraccount über 50 erfolgreiche Verkäufe auf. Im Angebot hatte er dabei neben Munition unter anderem auch eine Walther P38 9 Milimeter für 6,118 Bitcoin, was zum damaligen Kurs ungefähr 1.600 Euro entsprach.

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In bestem Denglisch ruft „Dosensuppe" auf seinem Profil Kunden dazu auf, Feedback zu hinterlassen: „if everything went as you expected, feel free to give me some Feedback cuz there goes nothing over reputation here." Tatsächlich scheint sein Darknet-Ruf makellos und weist (zumindest in den Motherboard vorliegenden Unterlagen) exzellente Bewertungen auf. „Schnelle lieferung, alles super abgelaufen, werde sicher wieder was einkaufen", schreibt etwa der Käufer mit dem Usernamen Annymous91 und fasst die Stimmung der Kundschaft von „Dosensuppe" prägnant zusammen.

Ins Rollen kamen die Ermittlungen gegen den Optiker, der vom Haus seiner Großmutter in Heidelberg aus operierte und von einer Zeugin als „der nette Mann mit dem schönen Schritt" bezeichnet wurde, bereits Ende 2014: Damals fingen Zollfahnder am Flughafen Köln/Bonn das Paket eines Waffenkäufers ab. In dem Paket aus den USA befanden sich drei Pistolenläufe, die Sendung war an den 32-Jährigen adressiert.

Eine anschließende Razzia zeigte den Ermittlern dann, wie groß der Fall des Sportschützen tatsächlich war: Wie der stellvertretende Pressesprecher des Landgerichts, Andreas Albrecht, gegenüber Motherboard erklärt, fanden die Ermittler in der Heidelberger Wohnung Waffenteile und „Zehntausende Schuss Munition" sowie handgeschriebene Zettel, die Hinweise auf die Geschäftstätigkeit des Optikers enthielten. Der Käufer wurde zum Verkäufer.

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Strafmildernd wirkte sich laut Medienberichten im Prozess ein Geständnis des Optikers aus, obwohl es sogar erst im Verlauf der Verhandlung dazu kam. Zu Prozessbeginn hatte der Beschuldigte Pressesprecher Albrecht zufolge noch behauptet, nur Waffen für seine Privatsammlung gekauft zu haben, damit aber keinen gewerbsmäßigen Handel betrieben zu haben. Obwohl die Anklage über keine handfesten Beweise, sondern nur über Indizien verfügte, gab der Angeklagte schließlich zu, einen gewerbsmäßigen Handel mit Kriegswaffen betrieben zu haben. Auch sämtliche Passwörter seines beschlagnahmten Computers rückte er letztlich heraus und lieferte den Ermittlern damit weitere wertvolle Informationen und Datensätze, bestätigt Albrecht gegenüber Motherboard.

Alles andere als strafmildernd dürfte sich der Umstand ausgewirkt haben, dass „Dosensuppe" seine Waffen auch an einen IS-Sympathisanten sowie an einen geistig verwirrten Nazi vertickte, der laut Medienberichten schon 2008 offen Mordphantasien gehegt haben soll. Der tschetschenische IS-Anhänger aus Österreich, der das von „Dosensuppe" gelieferte Sturmgewehr liebevoll mit Allah bekritzelte (vielleicht eine Art theistisches Beschusszeichen?), wurde bereits von den Behörden geschnappt, erhielt aber nur eine Bewährungsstrafe. Ob sich auch der rechtsextreme André M., der 2007 einen Sprengstoffanschlag auf einem Dorffest im norddeutschen Rellingen plante und daraufhin wegen einer „schweren Persönlichkeitsstörung" in die Psychiatrie kam, wieder im kalten Griff der Staatsmacht befindet, ist nicht bekannt.

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Laut Staatsanwältin Anne Römhild zeigt die Kundenliste von „Dosensuppe" eindeutig, dass der Angeklagte ohne moralische Bedenken seine Geschäftsinteressen verfolgte. Die Linie der Verteidigung, die ihren Mandanten als Waffenfan „mit fehlgeleitetem Sammeltrieb" darstellte, der vornehmlich seine Privatkollektion an Schießeisen erweitern wollte, sah Römhild damit als widerlegt an. Sie hatte sieben Jahre Haft gefordert.

Auch im Fall des Schweinfurter Campus-Waffenhändlers Christoph K. hatte die Verteidigung argumentiert, der FH-Student habe mit seinem kleinen Darknet-Imperium lediglich seine Waffenleidenschaft finanzieren wollen. Christoph K. wurde im Februar zu vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Ein Vergleich der beiden Fälle legt nahe, dass bei „Dosensuppe" wie auch bei „Max Mustermann", dem Alias von Christoph K., erst die Herausgabe der Zugangsdaten zu ihren verschlüsselten Festplatten den Ermittlern die entscheidenden Hinweise gab. Richter Gramlich sprach jedenfalls von einem „enormen Ermittlungsaufwand", der nötig war, um „Dosensuppe" auf die Spur zu kommen.

Eines zeigt der Fall also in jedem Fall: Anders als es die raunenden Berichte der letzten Tage nahelegen sind Käufer und Verkäufer im Darknet noch lange nicht sicher vor einem staatlichen Zugriff.

Redaktionelle Mitarbeit: Max Hoppenstedt