Mad Max in Kiew: Zu Besuch in einer ukrainischen DIY-Panzerfabrik
Ein Azov-Ingenieur sucht nach Werkzeugen und Ersatzteilen in den alten, sowjetischen Maschinen, die noch auf dem Gelände der Waffenschmiede herumstehen. Alle Bilder: Pete Kiehart; Kiew, 9.9.2015.

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Mad Max in Kiew: Zu Besuch in einer ukrainischen DIY-Panzerfabrik

Am Rande Kiews bauen Ingenieure und Studenten alte Fahrzeuge zu Panzern um, mit denen die Paramilitärs mit dem Neonazi-Logo in der Ostukraine in die Schlacht ziehen.

Ein verrosteter Traktor und ein überdimensioniertes Zahnrad, verziert mit sowjetischen Hammer und Sichel, thronen noch immer über dem Eingang des historischen Industriegeländes am Rande von Kiew. Doch schon unmittelbar unter den Symbolen, die darauf hindeuten, was hier früher einmal produziert wurde, weht eine riesige Flagge, die die neuen Besitzer der Anlage angebracht haben: Das weitläufige Areal hat sich in den vergangenen Monaten in die wichtigste Waffenschmiede des pro-ukrainischen Azov-Bataillons verwandelt.

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Am Haupttor der weitläufigen Anlage empfängt uns ein Wachmann mit einem überraschend freundlichen Schäferhund. In den riesigen Fabrikhallen rüsten Studenten, Ingenieure und andere Freiwillige diverse Fahrzeuge um, mit denen Azov im Osten der Ukraine an der Seite regulärer Streitkräfte gegen pro-russische Separatisten kämpft.

Motherboard hatte die Gelegenheit, mit den Freiwilligen des Azov-Bataillons eine ausführliche Tour über das Gelände zu machen, das eigentlich zu einem schicken, neuen Wohngebiet in idyllischer Stadtrandlage werden sollte. Doch inzwischen ist es Heimat für DIY-Panzer, Amphibienfahrzeuge Marke Eigenbau und Berge von altem Equipment.

Ein Überblick über die Arbeiten in der Azov-Werkstatt, fotografiert am 9.9.2015. Der umgedrehte Panzer am linken Bildrand wird gerade ausgeschlachtet, um als frisch gepanzertes Fahrzeug neu zusammengesetzt zu werden. Oben rechts steht eine „Azovette", eines der schlagkräftigsten Fahrzeuge der paramilitärischen Truppe. Alle Bilder: Pete Kiehart.

Azov-Ingenieure nutzen eine der wenigen Maschinen, die aus den Zeiten der sowjetischen Fabrik noch funktionieren. Dieser Raum liegt neben der zentralen Werkstatt und dient als Lager für Ersatzteile und Rohmaterial. Er ist vollgestopft mit alten Geräten. Bild: Pete Kiehart

Ein Azov-Ingenieur arbeiten an der „Azovette." Das gepanzerte Kampffahrzeug wird auf T-64 Chassis montiert. Bild: Pete Kiehar

Der Militäretat ist in der Ukraine seit dem Austritt der Sowjetunion radikal zurückgegangen und wurde erst kürzlich im Angesicht der Unruhen im Donbass wieder angehoben. Als die Kämpfe im Osten des Landes ausbrachen, waren nur 5.000 der 150.000 ukrainischen Soldaten kampfbereit. Zahlreiche Freiwilligen-Bataillone sind seitdem eingesprungen und haben sich dem Kampf an der Front angeschlossen.

Politisch genießen die paramilitärischen Azov-Einheiten einen zweifelhaften Ruf: Manche der Mitglieder treten offen als Neonazis auf oder präsentieren ihren Glauben an die Überlegenheit der weißen Rasse, während auch die offiziellen Insignien mit Nazi-Symbolik aufwarten.

Das Logo, das viele der Soldaten auch als Tattoo auf ihrem Oberarm tragen, setzt sich aus einer modifizierten Wolfsangel und einer Schwarzen Sonne zusammen—beide als ästhetische Favoriten unter Nazis bekannt. Während viele Azov-Soldaten über das Nazi-Image nur lachen und angeben, dass Russland ihr einziger Feind sei, hat der zweifelhafte Ruf auch dazu beigetragen, dass die Gruppe vom US-Militärtraining ausgeschlossen wird.

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Azov bekommt zwar Material von der ukrainischen Armee als Leihgabe, es kann ihnen jedoch jederzeit wieder abgenommen werden. Nur bei ihren selbstgebauten Fahrzeugen können sie sicher sein, dass sie diese behalten dürfen. „Früher haben wir unser Equipment in privaten Garagen in Kiew und Umgebung zusammengeschraubt. All diese Fahrzeuge standen mit ihren Panzerungen und den Anti-Panzer Raketen in irgendwelchen Garagen rum", erklärte uns Bogten Zvarych lachend, während er uns über das Gelände führte. „Das ist unsere Realität. Die Realität der Ukraine."

Ein Azov-Ingenieur arbeiten an der „Azovette." Das gepanzerte Kampffahrzeug wird auf T-64 Chassis montiert. Bild: Pete Kiehart

The discarded cabs of vehicles being modified by Azov Engineering Group are seen on September 9, 2015 in Kyiv, Ukraine. The yellow cab at top came from a tank that had been converted into a bulldozer and is now being converted into "Azovette," an armored fighting vehicle. Image: Pete Kiehart

Manche der Fahrzeuge werden auch für Testzwecke genutzt. Bild: Pete Kiehart

Bogdan Zvarych (rechts), der als Ingenieure die Kiewer Azov-Werkstatt leitet, neben Mikael Skillt, einem schwedischen Scharfschützen und Berater des Azov Batalions. Bild: Pete Kiehart

Ein Amphibienfahrzeug, dass Azov gespendet wurde, wartet vor einer der Garagen darauf umgerüstet zu werden. Bild: Pete Kiehart

The exterior of Azov Engineering Group's garage, guarded by a sentry, is seen on September 9, 2015 in Kyiv, Ukraine. Image: Pete Kiehart

Ein Azov-Ingenieur schlachtet einen umgedrehten Panzer aus. Bild: Pete Kiehart

Dieser Artikel ist zuerst und in voller Länge auf unser englischsprachigen Seite erschienen.