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Politik

Russland soll Einfluss auf die Wahlen in Deutschland nehmen – Die wichtigsten Fragen

Wie Putins Hacker die deutschen Bundestagswahl manipulieren könnten.
Foto: imago | Russian Look

"Die nächste Wahl-Operation Russlands: Deutschland", "Russland soll Akten aus Bundestagsausschuss veröffentlicht haben" oder "Putins Hacker könnten Wahlen entscheiden". Wenn man den Schlagzeilen glaubt, könnten die Bundestagswahlen 2017 gefährdet sein. In den letzten Tagen häuften sich die Meldungen, dass Russland angeblich auf verschiedensten Kanälen Einfluss nehmen will, um sicherzugehen, dass die nächste Bundesregierung prorussisch wird.

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Prominente Fürsprecher gibt es in Deutschland ohnehin schon: Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, der einen Posten im russischen Erdgaskonzern Gazprom innehatte, bevor er in den Verwaltungsrat von Nord Stream 2 wechselte, einer Gazprom-Tochter, die die Erdgaspipeline zwischen Deutschland und Russland ausbauen soll. Genauso der ehemalige Stasi-Hauptmann Matthias Warnig, der als Putin-Vertrauter gilt und in der Geschäftsleitung von Nord Stream sitzt, der Firma, welche die momentane Gaspipeline betreibt.

Gesicherte Erkenntnisse für den Einfluss Russlands auf die deutsche Politik gibt es bisher wenige, aber das Thema wird uns in den nächsten Monaten sicherlich begleiten. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wie kann Russland die Meinung in Deutschland beeinflussen?

Wolfgang Bosbach (CDU) sagte am Montag: "Die Gefahr der Einflussnahme durch gezielte Infiltration von außen mit dem Ziel der Manipulation von Fakten oder Meinungen besteht generell, auch für die Bundestagswahl 2017." Etwas in der Art ist aber bereits 2016 geschehen: Lisa, ein 13-jähriges Berliner Mädchen mit russlanddeutschen Wurzeln, soll damals angeblich von Geflüchteten entführt und missbraucht worden sein. Schnell stellte sich heraus, dass die Geschichte komplett erfunden war. Lisa hatte bei einem Freund übernachtet. Dennoch schlug das Ganze sehr schnell hohe Wellen, in Deutschland protestierten Tausende Russlanddeutsche gegen die Flüchtlingspolitik und der russische Außenminister Sergej Lawrow sprach öffentlich nicht nur von "unserer Lisa", sondern warf der Bundesregierung vor, den Fall wegen "Einwanderer-Problemen" vertuschen zu wollen.

Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik hat den Fall analysiert und beruft sich dabei auf den tschechischen Thinktank "Europäische Werte" und dessen Direktor Jakub Janda. So versucht Russland, in europäischen Ländern Plattformen zu schaffen, die antiwestliche und prorussiche Propaganda verbreiten. Das Ziel dahinter: den Westen als verweichlicht und Russland als möglichen Retter darzustellen. Janda will dagegenhalten und auch in Russland eine Gegenöffentlichkeit bilden. Beispielsweise sei in Russland praktisch nichts über die Dementis und Informationen der Berliner Polizei berichtet worden. Das soll sich seiner Meinung nach ändern, indem zum Beispiel Informationen von der deutschen Botschaft veröffentlicht werden.

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Was hat der russische Geheimdienst mit der US-Wahl zu tun?

Donald Trump könnte nicht nur durch Populismus, sondern auch dank der Hilfe russischer Hacker die US-Wahl gewonnen haben. Diese Anschuldigungen kommen nicht von Verschwörungstheoretikern, sondern basieren auf einem bisher unveröffentlichten Bericht der CIA. Angeblich wurden die vertraulichen Mails aus der demokratischen Parteizentrale vom russischen Geheimdienst an WikiLeaks weitergeleitet—auch die Cyberangriffe auf Hillary Clinton sollen ihren Ursprung in Russland haben. Gleichzeitig wird vermutet, dass es auch Angriffe auf elektronische Wahlmaschinen und sogar das Wahlregister selbst gab. Die Strategie Russlands soll laut der Washington Post nicht nur gewesen sein, das Vertrauen der Amerikaner in das demokratische System zu schwächen, sondern Trump selbst zum Sieg zu verhelfen. Dies sei in Geheimdienstkreisen "allgemeiner Konsens", so ein US-Beamter gegenüber der Zeitung. Trump und sein Team streiten die Anschuldigungen ab. Doch Präsident Obama geht ihnen nach. Die von ihm anberaumte Untersuchung soll vor der Amtseinführung des neuen Präsidenten am 20. Januar abgeschlossen sein. Ähnliche Vorkommnisse könnte es auch bei der Bundestagswahl geben.

Wie sicher sind die Bundestagswahlen 2017?

Schon mehrmals gab es Hacker-Angriffe auf den Bundestag. Der Rechercheverbund von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR hatte im Sommer enthüllt, dass sowohl die Bundestagsfraktionen der SPD und der Linken sowie weitere Abgeordnete Phishing-E-Mails erhalten haben, die wohl von verschiedenen russischen Hackergruppen verschickt worden waren. Schon 2015 gab es einen noch viel größeren Angriff, bei dem 16 Gigabyte Daten aus dem Netz des Bundestags gestohlen wurden. Die Sicherheitsfirma Kapersky sieht einen Zusammenhang mit der russischen Gruppe APT 28, die auch unter dem Namen Fancy Bear agiert und angeblich schon seit Jahren versuchen soll, Daten von Regierungen, Nato-Ländern und westlichen Konzernen abzufischen. Der Name Fancy Bear taucht ebenfalls im Zusammenhang mit den Vorwürfen der US-Wahlmanipulation auf, auch hier hat die Gruppierung angeblich ihre Finger mit im Spiel.

Ob diese Hacker allerdings von der russischen Regierung oder ihrem Geheimdienst gesteuert werden, ist unklar. Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht einen Zusammenhang und sagte im Mai, dass es "Anhaltspunkte für eine russische staatliche Steuerung" gäbe, was auch von mehreren Sicherheitsfirmen bestätigt wurde. Genauere Informationen gibt es aber bisher nicht. Rolf Mützenich, der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, sagte dazu: "Leider sind solche Aktivitäten auch in Deutschland nicht mehr auszuschließen. Hackerangriffe wie auf den Bundestag machen auch vor demokratischen Institutionen nicht mehr halt. Im Wahlkampf werden wir uns auf Verzerrungen und Lügengeschichten einstellen müssen."

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Wie kann die Demokratie geschützt werden?

Erst heute nahm Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, in der ARD Stellung zu den Spekulationen um russische Eingriffe in den deutschen Staatsapparat. Er bestätigte den Zusammenhang zwischen der Gruppe APT 28 und den Hackerangriffen auf den Bundestag und die Parteien im vergangenen August. "Die Kollegen vom Verfassungsschutz haben sehr klar gemacht, dass hinter APT 28 wohl die russische Regierung steckt", so Schönbohm. Nach der E-Mail-Affäre um Clinton, dem Hack der ukrainischen Gruppe Cyber Hunta, die über ein Gigabyte an E-Mails und Dokumenten eines engen Vertrauten Putins veröffentlicht hatte, sowie dem deutschen und französischen Wahlkampf im kommenden Jahr gewinnt das Thema Cybersicherheit noch einmal an Bedeutung. So sollen beispielsweise verbesserte Sicherheitstechnik, eine größere Sensibilität der Parteien gegenüber Hackerangriffen oder die Unterzeichnung eines European Secure Cloud Label zwischen Deutschland und Frankreich als Schutz vor virtuellen Angreifern dienen.

Finanziert Russland Populisten in Deutschland?

Roderich Kiesewetter, CDU-Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, sagte Anfang des Jahres im Deutschlandfunk: "Putin unterstützt rechtsradikale Netzwerke mit Finanzen." Davon profitierten in Frankreich der Front National und in Deutschland AfD und NPD. Das Ziel sei, auf die Politik in Deutschland einzuwirken, um die EU zu schwächen und die Interessen Russlands zu stärken. Die AfD widersprach dem CDUler allerdings sofort. AfD-Sprecher Jörg Meuthen sagte dem Deutschlandfunk, dass die AfD weder direkt noch indirekt mit russischen Geld finanziert würde.

Ähnliche Vermutungen werden aber immer wieder laut. Patrick Gensing und Silvia Stöver aus der Redaktion der Tagesschau haben den Thinktank "Zentrum für Kontinentale Zusammenarbeit" in München genauer analysiert und machten dabei Verbindungen zum rechten Verschwörungsblatt Compact aus. Sowohl das Zentrum als auch andere prorussiche Thinktanks sollen sich so indirekt am Wahlkampf der AfD beteiligen, indem sie antiwestliche Informationen verbreiten.

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