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Eine investigative Analyse dieses Angela-Merkel-Bildes

Auf dem CDU-Parteitag bekam Merkel das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Wo bleiben da die hängenden Mundwinkel? Wir haben recherchiert—und sie gefunden.

Ich freue mich auf den gemeinsamen Wahlkampf zur — Sven Schulze (@schulzeeuropa)6. Dezember 2016

Foto: Laurence Chaperon

Alle Jahre wieder kommt das Christuskind, alle zwei Jahre wieder wird Angela Merkel zur Parteivorsitzenden der CDU gewählt. Letzteres hat in Deutschland seit 2000 Tradition. Für 20-Jährige ist eine CDU (oder Deutschland) ohne Merkel an der Spitze so ein abstraktes Konstrukt wie eine Diskette. Das Leben vieler YouTuber in Deutschland ist kürzer als Merkels Dauerparteivorsitz. Sogar das Leben von YouTube selbst! (Gibt es erst seit 2005.)

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Am Dienstag also erneut. Die Delegierten des Parteitags wählten Angela Merkel zur CDU-Chefin, mit 89,5 Prozent—das ist das zweitschlechteste Ergebnis ihres Parteivorsitzes. Zwar hat nur der Schatzmeister mehr Zustimmung auf dem Parteitag bekommen—99,5 Prozent. Aber das könnte auch daran liegen, dass Schatzmeister zu sein die Kackaufgabe in Vereinen ist, die sonst kein Mensch machen will—ähnlich wie momentan Angela Merkels Job.

Angela Merkel sieht auf dem Foto aber kaum enttäuscht aus, sondern nur mild erschrocken hinter ihrem riesigen Blumenstrauß. Klar, zu lächeln, wenn es Scheiße läuft, ist eine der wichtigsten Qualifikationen im Berufsprofil eines Politikers. Aber wir machen uns trotzdem Sorgen: Wo bleibt das Angela-Merkel-Gesicht auf dem Gesicht von Angela Merkel? Bei einer Politikerin, deren Gesichtsstandardeinstellung hängende Mundwinkel sind, wirft jedes Lächeln Fragen auf. Bleibt Deutschland wie es war, wenn die Mimik nicht mehr die alte ist? Wir machen uns Sorgen um die Stabilität des Landes und haben dieses Bild, das bei Twitter rumging, mal genauer angeguckt.

Das Lächeln

Alle Bildausschnitte, wenn nicht anders angegeben: Teile des Screenshots

Dieses Grinsen sieht aus, als hätte Angela Merkel gerade den Academy Award bekommen, ohne etwas von ihrer Nominierung gewusst zu haben, und gerade noch rechtzeitig ihre Gesichtszüge entsprechend angeordnet. Ist dieses Grinsen ein mimisches Schutzschild, das wahre Gefühlsregungen verbirgt? Eine Stunde lang hat sie zuvor in ihrer Rede ihre Partei besänftigt—und eigene Fehler eingeräumt. Und dann trotzdem so ein Watschen. Nur einem mimischen Zen-Meister würde da nicht die Mimik entgleisen. Gräbt man tiefer in der Bildersuche, findet sich tatsächlich ein viel ehrlicheres Bild. DA! DA SIND SIE! Die kellertiefen Mundwinkel! Die Welt ist doch in Ordnung!

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Die Augen

Und wir haben es gewusst: Auch die Augen sehen nicht gerade aus wie die Augen einer ehrlich freudigen Person. Mit dem schlechten Ergebnis hat die CDU Merkel für ihren Flüchtlingskurs abgestraft. Um die Partei (und die Wähler im nächsten Jahr) zu beschwichtigen, ist Merkels Rede deswegen voller Sätze, die zeigen sollen, dass auch die Union die Partei der "besorgten Bürgern" ist.

"Eine Situation wie die des Spätsommers 2015 kann, darf und soll sich nicht wiederholen." Oder: "Wir wollen keine Parallelgesellschaften. Unser Recht hat Vorrang vor Stammesregeln, vor Ehrenkodexen und der Scharia." Oder sogar solche: "Bei uns heißt es: Gesicht zeigen, deswegen ist die Vollverschleierung nicht angebracht, sie sollte verboten sein." Eine AfD-Forderung wurde aufgenommen, freut sich Beatrix von Storch. Da hat die Kanzlerin tatsächlich nicht viel zu lachen.

Der Strauß

Der Strauß im Bildvordergrund sieht fast größer aus als Angela Merkel. Das Foto könnte heißen: Blumenstrauß mit Kanzlerin. Man hat ihn ihr einfach in die Hand gedrückt, ohne darauf zu achten, ob er vielleicht für Merkel zu groß ist—so wie der Blumenstrauß der Probleme, die Deutschland gerade hat. Zum Beispiel: Was machen wir mit Flüchtlingen—und mit all den Menschen, die gegen sie pöbeln? "Wir müssen integrieren von rechts", sagte Merkel in ihrer Parteitagsrede. Wir kapieren nicht genau, was sie damit meint, aber wahrscheinlich eher nicht verpflichtende Integrationskurse für Rechte. Sondern eher, dass man den Neuankömmlingen im Land ein Zuhause geben muss, aber ohne dass andere dieses Zuhause anzünden. Keine leichte Aufgabe.

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Liegt sicher an der Bildperspektive, aber hinter all den Riesenrosen, Riesentulpen und Riesenchrysanthemen wirkt die Kanzlerin ganz klein. Aber Merkel ist Merkel. Tapfer trägt sie die Blumen, trägt die Verantwortung, trägt das Land. Sie kann auch Blumensträuße doublefisten, das haben wir beim letzten CDU-Parteitag gelernt.

Foto: imago | Joachim Sielski

Die Groupies im Hintergrund

11:10 Minuten lang wurde nach Merkels Rede geklatscht, hat ein akribischer Parteitagsbeobachter nachgemessen. Trotz des mageren Wahlergebnisses hat Merkel also einige Fans in der Partei (und hey, Sigmar Gabriel hatte nur 74,3 Prozent).

Oder vielleicht hat die CDU verstanden, dass es sonst niemanden gibt, der den Job machen kann. In ihrer Rede erzählt Merkel, dass viele zu ihr gesagt hätten: "Du musst, du musst, du musst."

Merkel muss, also macht sie's.

Die Gesichter ihrer Parteifreunde hinter ihr sehen trotzdem nicht aus wie pure Euphorie:

Oder hier:

Wobei: Ist der Finger in der Bildecke vielleicht ein Teil des Hang-Loose-Zeichens?

Die Kanzlerin kann eine solche Botschaft gut gebrauchen. In diesem Sinne: Hängen Sie loose, Frau Merkel. Aber lächeln Sie nicht zu viel, das jagt uns allen Angst ein.

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