Der michelinwürdige Speck, der keiner ist

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Der michelinwürdige Speck, der keiner ist

Der Chefkoch des SPQR in San Francisco, Matthew Accarrino, hat einen Speck aus Weißem Stör erfunden, der des Michelin-Sterns des Restaurants würdig ist.

Speck: ein wichtiger Bestandteil der Ernährung unzähliger Menschen auf dieser Welt, besonders in den USA, und die Trendzutat des Jahrzehnts, die in allen Gerichten von Bánh mì bis Beignets verwendet wird. Was bisher als fettiges Frühstück (oder Mittag- oder Abendessen) diente, ist in die Fine-Dining-Szene in San Francisco vorgedrungen.

Der einzige Haken? Der Speck stammt von keinem Schwein. Der Küchenchef von SPQR Matthew Accarrino hat einen Speck aus weißem Stör geschaffen, der des Michelin-Sterns des Restaurants würdig ist.

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Das SPQR-Team bei der Vorbereitung für den Abend. Alle Fotos von der Autorin.

Um 14:00 Uhr ist das Team des SPQR damit beschäftigt, Vorbereitungen für den Abend zu treffen. Die dunkel lackierten Tische müssen gedeckt werden. Neugierige Passanten spähen durch die offene Tür ins Restaurant. Accarrino steht in einem weißen T-Shirt hinter einer Marmortheke und schneidet das gold-braune Produkt in Scheiben auf.

Accarrino will mit seinem „falschen" Speck nichts nachahmen, was es nicht ist—wie es sonst oft bei Speckersatzprodukten der Fall ist. Es ist kein dünnes, knuspriges Stück Fleisch, von dem das Fett heruntertropft, sondern ein dickes, aufgeschnittenes Stück zarter, rauchiger Fisch, der auf dieselbe Art und Weise zubereitet wird wie der Speck des Restaurants.

„Es wurde in Melasse, braunem Zucker und Salz gepökelt und dann mit heißem Rauch geräuchert", erklärt Accarrino, als ich ein Stück probiere.

SPQR_Chef Matthew Accarrino

SPQR-Chefkoch Matthew Accarrino.

Was wie ein nach Aufmerksamkeit schreiendes Hipsteressen klingt, ist aus guten Absichten entstanden.

Seit Jahren holt Accarrino den Fisch für sein Restaurant von der Passmore Ranch in Sacramento. In der hochgelobten Süßwasserfarm werden unter der Leitung von Michael Passmore Weißer Stör, Schwarzbarsch, Morone saxatilis, Seewolf und Silberkarpfen gezüchtet.

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Roher Stör der Passmore Ranch.

Moment mal: Sollten wir mit Fischfarmen nicht vorsichtig sein?

„Zuchtfische hatten früher einen sehr schlechten Ruf. Wir sind bald an einem Punkt angelangt, an dem kein Fisch, den man bekommt, wild ist", sagt Accarrino. „Stör aus einem Zuchtbetrieb war früher sehr dreckig, schon fast brackig. Durch Verbesserungen in der Ernährung der Fische, der Aquakultur und im Umgang mit Wasser—von dem wir nicht sehr viel haben–ist es besser geworden."

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Menschen wie Passmore haben wir die Verbesserungen in der Fischzucht zu verdanken.

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Der Störspeck.

„Wenn ein Farmer oder Züchter sein Bestes gibt, ist das Ergebnis fantastisch, weil er seinen Tieren die beste Umgebung und den besten Input bietet, was für den besten Geschmack, die beste Konsistenz und die beste Qualität sorgt", sagt Passmore. „Ich weiß nicht, wieso das jemand nicht wollen würde. Meine Köche wollen es auf jeden Fall!"

Zu „seinen" Köchen zählen Namen, die hinter Kaliforniens Michelin-Sterne-Restaurants wie Benu und The Restaurant at Meadowood stehen, die beide mit jeweils drei Michelin-Sterne ausgezeichnet wurden.

Accarrino arbeitet mit Passmore zusammen, um seinen eigenen Kaviar für SPQR zu produzieren. Wie alle Köche wollte Accarino die Reste des hochwertigen Weißen Störs nicht verschwenden.

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Kaviar der Passmore.

„Den Kaviar finden wir gut, weil wir gerne den ganzen Fisch verwerten. Wir würden das Eine nicht ohne das Andere kaufen."

Für manche Gerichte verarbeitet Accarrino den Fisch noch frisch, aber Störe sind riesig, besonders für ein Restaurant mit 50 Plätzen wie SPQR.

„Die größten Störe auf unserer Farm wiegen gut 90 kg", erzählt Passmore, „aber für Matthew fangen wir regelmäßig welche zwischen 10 und 15 kg."

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Der Koch schneidet den Speck in Scheiben.

Accarrino fand eine einfache Lösung für das Problem mit dem Überschuss.

„Wir waren gerade dabei, unseren Speck zuzubereiten und dachten uns, Wieso pökeln wir nicht den Stör wie Speck? Ist doch eine gute Idee, oder? So kam das zustande", erzählt mir Accarrino.

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Mit dem neuen Speck wird das Nose-to-tail-Prinzip auf Fisch umgemünzt—von den Kiemen bis zum Schwanz.

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Der Speck wird auf den Tellern angerichtet.

„Es gab schon Gerichte, bei denen wir den Speck vom Stör mit gebratenem Stör und Kaviar servierten und alles kam vom selben Fisch. Das ist eine ziemlich einzigartige Chance." Während wir uns unterhalten, richtet Accarrino den geräucherten „Störspeck"-Salat mit Rote-Bete-Kuchen, eingelegter Roter Bete und Betegrün an. Nach ein paar Handgriffen mit seiner Pinzette ist der sorgfältig angerichtete Salat fertig. Verschiedene Rosa- und Rottöne umranden den Stör auf einem Keramikteller. Es war mit Abstand die eleganteste Art, einen Speck zu präsentieren, die ich je gesehen habe.

„All mein Essen ist sehr simpel, das heißt, ich konzentriere mich auf einige wenige Geschmäcker", erklärt Accarrino. „Dieses Gericht besteht aus Bete, Meerrettich und Stör. Das war's."

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Püree aus eingelegter Bete.

Auf dem Teller war jedoch weit mehr zu sehen, als Accarrinos Beschreibung vermuten ließe. Kandierter Meerrettich, Störspeck, Störremoulade aus „weniger ansehnlichen Stücken", rohe gehobelte Bete, gebratene Bete, Püree aus eingelegter Bete, ein gedämpfter Betekuchen, Betesprossen und eine glänzende frittierte Haut.

„Die andere Form des Störs, die wir hier haben, ist im Grunde chicharrón", sagt Accarrino. „Wir trocknen die Haut und frittieren sie—sie pufft sehr ähnliche wie Schweineschwarte, was ich ein schönes Zusammenspiel finde. Das gibt den Leuten immer einen Kick, weil sie nicht sofort verstehen, was sie vor sich haben."

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Geräucherter „Störspeck"-Salat mit Rote-Bete-Kuchen, eingelegter Roter und Betegrün.

Es zwar ziemlich schwierig, mit einem Bissen jedes Element zu probieren, aber ich versuchte es zumindest. Der Betekuchen und der Stör schmeckten zusammen wie ein Sandwich—wenn auch ein zerlegtes, komplexes Sandwich. Der Salat hatte eine aufregende Palette an Aromen und Konsistenzen für ein Gericht, das auf den ersten Blick wie Bete mit Bete aussah. Natürlich. Es gibt ja schließlich einen guten Grund, weshalb SPQR einen Michelin-Stern verliehen bekam, nachdem Accarrino 2013 die Küchenleitung übernommen hatte.

Während sich alle, die aus irgendwelchen Gründen auf Schweinefleisch verzichten, über das Speckkunstwerk von Accarrino freuen dürften, werden auch Speckpuristen nicht ganz im Stich gelassen. Sie bekommen im SPQR immer noch das Original. Geräucherte Fettuccine mit Seeigel und Räucherspeck klingt doch auch nicht so übel.