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Bier

Warum du dein Bier nicht eiskalt trinken solltest

Normales Bier kann man gut und gerne eiskalt „genießen”—Craft Beer mit seinen verschiedenen Geschmacksnoten jedoch lieber nicht.
Foto von charliedees via Flickr

Das Wichtigste beim Bier war immer—egal ob man sich für Beck's oder Sternburg Export entschied—, dass es kalt sein musste. Größen der Popkultur von Pink bis zu Grateful Dead haben das eiskalte, goldene Glück einmal besungen.

Die Cool Kids der Craft-Beer-Szene wollen uns jetzt aber erzählen, dass wir unser kühles Blondes nicht ganz so kühl wegzischen sollten—und sie haben recht.

Ok, wenn wir an einem heißen Sommertag ein eh schon wässriges Dosenbier trinken, dann sollte das bitteschön wenigstens eiskalt sein. Niemand trinkt Dosenbier des Geschmackes wegen—damit kann man sich einfach nur am besten im Park oder auch am Pool volllaufen lassen.

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Die meisten Menschen lieben ihr Bier aber dennoch kalt—nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA. Jeremy Kosmicki, Braumeister der Founders Brewing Company, gehört dazu.

„Ich mag mein Bier kalt, aber nicht eiskalt", sagt Jeremy. „Es stimmt, dass man die Geschmacksnoten besser wahrnehmen kann, wenn das Bier etwas wärmer ist. Deshalb raten manche Hersteller wahrscheinlich auch, ihre Plörre eiskalt zu trinken. Kühles Bier erfrischt natürlich viel mehr. Wenn ich also ein Helles, ein IPA oder ein Pilsener gekühlt trinke, dann muss es so circa 4° C haben."

Helles Bier, das in großen Stückzahlen produziert wird, kann man gut und gerne eiskalt trinken. Aber beim Craft Beer gibt es so viele verschiedene Arten, die alle ganz unterschiedliche Geschmäcker vereinen—Kaffee, Toffee-Bonbons oder Karamell. Bei eiskaltem Bier würden sich diese Nuancen gar nicht entfalten können.

„Starkbier, Barley Wine, fassgereifte Biere und stärkere belgische Biere sollten besser etwas wärmer getrunken werden, ein paar Grad unter Zimmertemperatur—so bei 10 bis 13° C", erklärt Brad Clark, Braumeister der Brauerei Jackie O's in Athens, Ohio. „So kann das Bier seinen vollen Charakter entfalten."

Shaun Hill, Braumeister bei der Hill Farmstead Brauerei in Greensboro Bend, Vermont, fügt hinzu: „Je nach Temperatur verändert das Bier seinen Geschmack—das ist richtig faszinierend. Es verströmt verschiedene Aromen und schmeckt ganz anders."

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Wenn Brad beispielsweise Lust auf ein fassgereiftes Starkbier hat, dann bestellt er sich meist gleich zwei: eines trinkt er sofort, das zweite lässt er stehen und ein bisschen wärmer werden. Oft werden solche Biere in besonderen Schwenkern mit bauchigem Boden serviert, sodass unsere Hände das Bier schön wärmen und der Geschmack „richtig herauskommt", beschreibt Brad.

Laut Craft-Bier-Botschafter Bill Sysak—auch der Bierdoktor genannt—von der Stone Brewing Co. Brauerei geht es dabei nicht nur um eigene Vorlieben, sondern in der Tat um Wissenschaft.

„Am wichtigsten ist der Geruchssinn. Bier ist auch nur ein Lebensmittel—und daran muss man riechen. Der Geruch macht 90 Prozent des Geschmacks aus. Wenn das Bier zu kalt ist, kann man nichts mehr riechen. Deshalb schmeckt die wässrige Billig-Plörre auch meist so fade und nichtssagend", so Bill.

Er sagt weiter, dass Bier am besten bei etwas über 3° C gezapft wird–niemals darunter. Auf dem Weg vom Zapfhahn zu deinem Tisch und bis an deinen Mund sollte es dann perfekt temperiert sein—8 bis 9° C sind ideal für ein Craft Beer.

Die Angewohnheit, das Bier eiskalt zu trinken, ist noch ziemlich jung. Kaltes Bier wurde (meinen Recherchen nach) das erste Mal 1887 in einem Saloon in Texas angeboten: Im Wild White Elephant bekam nicht nur den besten Whisky, sondern auch „eiskaltes Bier". Das wurde möglich, weil man nun das ganze Jahr über Eis herstellen konnte.

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Jahrhundertelang war es aber so, dass das Bier in den Tavernen und Bierstuben auf beiden Seiten des Atlantiks eher Kellertemperatur hatte. So ist das immer noch in vielen Ländern—weshalb sich wahrscheinlich so viele amerikanische Austauschstudenten über warmes europäisches Bier beschweren.

Die ersten Siedler in Amerika tranken noch englische Ales aus ihrer Heimat. Ende des 19. Jahrhunderts kam dann das helle Bier auf—eingeführt von deutschen Einwanderern wie Yuengling, Anheuser und Miller—und wurde zum „wichtigsten Malztrunk in Amerika", schreibt Robert A. Müssen in seinem Buch Images of America: D. G. Yuenglin & Son, Inc.

Mit der Erfindung künstlicher Kühlmethoden kam auch die Zeit der beschissenen Dosenbiere aus Großproduktion, die dir der Barkeeper ungefragt in ein vorgekühltes Glas einschenkt. Und wir beschweren uns nicht, denn die Werbung sagt, dass wir Bier so trinken sollten.

Es ist nicht die Aufgabe der Braumeister, dich vom Gegenteil zu überzeugen. Natürlich sind sie die Experten, wenn es um Biergenuss geht, aber man kann den Willen des Menschen nur schwer beeinflussen. Egal, wie oft dir ein Koch sagt, dass durchgegartes Fleisch ein Affront ist oder wie oft dir ein Braumeister sagt, dass man Bier am besten bei Kellertemperatur trinkt—es wird immer Ignoranten geben, die das nicht glauben wollen, weil ihnen geschicktes Marketing etwas anderes erzählt.

Bill Sysak bleibt optimistisch: „Sobald man einmal ein richtig temperiertes Bier getrunken hat, will man nichts anderes mehr."

Jeremy Kosmicki hingegen sagt, dass man sein Bier so trinken sollte, wie man will. „Jeder muss selbst am besten wissen, wie er sein Bier am liebsten mag."

Brad Clark weiter: „Einige werden behaupten, dass jedes Bier eine eigene Idealtemperatur hat. Mag sein—aber das ist doch dumm. Ich gehe doch nicht mit meinem Mini-Thermometer in die Kneipe, nur um sicherzugehen, dass mein Bier immer optimal temperiert ist. Das würde ich nur machen, wenn ich alleine trinke."