Stellt mir bitte keine Fragen zum aktuellen Weltgeschehen. Ich habe es vor einiger Zeit aufgegeben, Nachrichten zu schauen, weil ich es einfach nicht mehr ausgehalten habe, ständig von irgendwelchen grauenvollen Katastrophen und den Kardashians (gibt es da überhaupt einen Unterschied?) zu hören. Die Sonntagszeitung habe ich nur noch wegen der Coupons und dem Sportteil abonniert. Ich bin mir durchaus bewusst, dass auf unserem Planeten Kriege, Hungersnöte und Genozide stattfinden, aber seitdem ich Kinder habe, komme ich mit so was einfach nicht mehr klar.
Es ist schon lustig. Bevor ich Kinder hatte, war ich der negativste, pessimistischste, Wir-sind-alle-im-Arsch-Wichser, der dir je über den Weg gelaufen ist. Aber nur ein paar Monate, bevor mein erster Sohn auf die Welt kam, schummelte ich mich, zusammen mit meiner im fünften Monat schwangeren Frau und 18 Freunden nach Havanna, um dort hunderte Skateboards und Sneaker an Kinder zu verschenken. Die ganze Geschichte kannst du dir in den beiden VICE-Videos da oben anschauen. Es war eine dieser lebensverändernden Erfahrungen, von denen man sonst immer nur in Glückskeksen liest, und es geschah für mich gerade zum richtigen Zeitpunkt, um vielleicht doch in Erwägung zu ziehen, meine Kinder zu weltoffenen Pseudohippies und nicht zu griesgrämigen Gruftis zu erziehen.
Videos by VICE
Seitdem habe ich immer versucht, im Internet positive Geschichten über Liebe und Anteilnahme zu finden, die ich dann meinen Jungs vorlesen kann—allerdings sind diese sehr rar gesäht. YouTube ist voll von schwachsinnigen Katzenvideos, aber wo zur Hölle bleiben eigentlich die ganzen Storys über Katzen, die aus Bäumen gerettet werden? Ich will nicht einfach nur süße Belanglosigkeiten, ich will Geschichten, die die guten Seiten der Menschheit zeigen. Gibt es so etwas nicht mehr? Bleiben diese ganzen Katzen jetzt einfach da oben sitzen? Werden jetzt plötzlich hunderte Katzen wie Äpfel runterfallen, wenn du an einem Baum schüttelst?
Aber es gibt sie noch die inspirierenden Geschichten da draußen. Vor Kurzem erst bekam ich eine E-Mail von einem Filmemacher und Freund von mir, Lucas Fiederling, der mich auf ein Projekt namens Pigeon Plan aufmerksam machte. Die Idee dahinter lautet, eine Gruppe deutscher Skater zu nehmen und sie mit einem Haufen Skateboards im Gepäck nach Südafrika zu schicken. Viele der Jugendlichen dort haben zwar viele Skateparks in ihrer Nähe, aber nicht das Geld, um sich Boards leisten zu können. Die Aktion erinnerte mich an meinen eigenen Trip nach Kuba vor ein paar Jahren und so setzte ich mich mit dem Pigeon Plan-Gründer, Louis Taubert, in Verbindung, um mehr über das Programm zu erfahren—und vielleicht konnte ich ja auch irgendwie helfen.
VICE: Woher kommt der Name Pigeon Plan?
Louis Taubert: Pigeons, also Tauben, werden ja auch die Ratten der Lüfte genannt. Sie werden als dreckig und voll von Krankheiten gesehen und keiner interessiert sich für sie. Dreckige Tauben umgeben uns auf der Straße wie Skater. Außerdem enthält mein Nachname, Taubert, auch das Wort Taube.
Was ist das Ziel von Pigeon Plan und wofür sammelt ihr Geld? Wie viele Skateboards hofft ihr, mit auf euren Trip im März zu nehmen?
Wir schicken gerade 100 alte Skateboards von Deutschland nach Südafrika, um dort einwöchige Workshops an verschiedenen Institutionen durchzuführen. Dort werden wir dann 20 Boards zusammen mit einem kleine Setup (einem Manual Pad und einem Kicker) für die Kinder an jeder dieser Institutionen (einem Kinderheim, einer Grundschule und einem Jugendzentrum) da lassen. Die Kinder können sich die Boards und die Obstacles ausleihen und jeden Tag und jede Woche skaten gehen. Ein oder zwei südafrikanische Locals werden dann nach dem Rechten sehen, kleine Sessions veranstalten oder einfach nur für sie da sein.
Du hast 2011 einen Trip nach Südafrika gemacht, der dann auch Auslöser für den Pigeon Plan war. Wo warst du überall und warum hast du dir diese Orte ausgesucht?
2011 sind wir 2.500 Meilen durch Südafrika gereist. Ich wollte immer schon mehr als bloß Kapstadt sehen und so haben wir versucht, so viele Orte wie möglich abzuklappern. Vom Westkap über die Garden Route, Port Elizabeth und East London den ganzen weiten Weg nach Durban und dann nach Johannesburg und Pretoria. Das war ziemlich viel für zwei Wochen, jetzt wo ich drüber nachdenke.
Wie viele vollständige Skateboards und Schuhe hast du bei diesem ersten Trip ungefähr verschenkt?
Ich glaube, das waren um die 25 Boards und 20 Paar Schuhe.
Wie kam deine Crew darauf, mit Geschenken zu reisen, und wie kam dir die Idee für den Pigeon Plan?
Nun, als ich das erste Mal in Südafrika war, wurde mir klar, dass viele der Jugendlichen eine Leidenschaft wie meine gebrauchen könnten. Skaten hat mir durch viel Scheiße geholfen und das wollten wir einfach mit den Jugendlichen in Südafrika teilen. Und mit dem Pigeon Plan ist es eigentlich dasselbe, nur nachhaltiger. Wir wissen nicht, was danach mit den Boards passiert ist oder ob wir jemanden dazu gebracht haben, nach 2011 weiter zu skaten. Jetzt wollen wir etwas schaffen, von dem zukünftige Generationen profitieren können.
Habt ihr versucht, irgendwelche Skateboard-Firmen bei dieser wohltätigen Mission an Bord zu holen? Als ich nach Kuba reiste, merkte ich, dass die meisten Unternehmen extrem großzügig waren und helfen wollten, die frohe Botschaft des Skatens zu verbreiten.
Ja, Skateboard-Firmen wollen helfen. Wir wollten aber erst mal alte Boards sammeln und die Leute ihre alten Sachen spenden lassen—einfach verwenden, was zu Hause rumliegt. Dazu haben wir mit einem Kern von vier Skateshops in Deutschland zusammengearbeitet. Die Bretter waren in gutem Zustand und ich denke, das beugt Diebstahl vor. Alte Boards haben keinen so einen großen Wert.
Erzähl mir etwas über die bevorstehende Reise im März.
Also, das ist mehr wie eine Solo-Reise für mich. Ich werde rüberfliegen, um mit meinen guten Freunden und einheimischen Skatern aus Kapstadt die Workshops abzuhalten. Wenn ich wieder abreise, will ich Freiwilligenarbeit für sie finden. Hier kommt die Nachhaltigkeit ins Spiel. Im Moment haben wir drei verschiedene Einrichtungen in Kapstadt. Es gibt noch eine Menge weitere, die interessiert sind. Wir werden sehen, wie es läuft, wo es am meisten Sinn ergibt, und wie viel wir wirklich ordentlich machen können.
Wie sichert ihr die Nachhaltigkeit? Wird jemand so halbwegs fest in Südafrika wohnen, um den Jugendlichen das Skaten beizubringen und eine größere Szene zu kultivieren?
Ja. Die Einheimischen bleiben definitiv. Ich erzählte meinem Freund Dewald vor einem Jahr von meinem Pigeon Plan. Er ist hundertprozentig dabei und voller Tatendrang.
Wie ist die Politik der Gegenden, die ihr besucht? Ich weiß noch, als ich in Kuba war, hatten wir aufgrund des Embargos große Schwierigkeiten, die Ware ins Land zu bringen, obwohl es eine Wohltätigkeitsmission war. Durch welche Kanäle muss man gehen, wenn man dieses Zeug nach Südafrika bringen will?
Die Politik ist verrückt, wenn es darum geht, Waren zu importieren. Es ist verflucht viel Arbeit, die Importgebühren rückerstattet zu kriegen. Ich arbeite jeden Tag daran und ich weiß, dass wir diese Genehmigung bekommen werden. Ich verstehe auch die Angst des Landes. Jeder könnte kommen und sagen, dass er Waren für einen wohltätigen Zweck importiert, und sie danach verkaufen. Aber die Boards sind jetzt unterwegs, sie kommen am 16. Februar an und wir haben immer noch keine Genehmigung. Die Importgebühren betragen übrigens 20 bis 24 Prozent des geschätzten Werts. Das ist ein verdammt großer Batzen Geld. Wir arbeiten auch mit einem Non-Profit zusammen, und jede Spende wird direkt an unser Projekt, den Pigeon Plan, gehen. Unterstützt uns ruhig, es ist für einen guten Zweck!
Während deiner Reise 2011 schien es, als seien manche Leute in entlegenen Gegenden total vom Skaten fasziniert.
Sie waren ziemlich begeistert und interessiert an dem, was wir tun. Die Jugendlichen wollten es sofort ausprobieren, und definitiv auch ein paar Securitys. Und in manchen Gegenden hatten sie riesige Skateparks, aber keine Ausrüstung oder Geld für Boards. Die Gemeinde glaubt, es würde reichen, einfach einen Skatepark hinzustellen, aber man braucht auch Ausrüstung. Große/gute Skateparks sind geil und ich liebe sie, aber man kann auch mit einer geteerten Fläche zufrieden sein und seine eigene Art des Skatens entwickeln, indem man kreativ ist und sich mit Bewegungen ausdrückt. Aber ohne Skateboard geht das nicht.
Profi-Skater bereisen arme Gegenden in aller Welt, um ihre Spots zu skaten. Wie wichtig ist es deiner Meinung nach, Ware dazulassen, diesen Gemeinschaften etwas zurückzugeben?
Es ist wichtig, etwas zurückzugeben. Beim Pigeon Plan geht es allerdings nicht darum, die Welt zu bereisen. Unsere Absicht ist, das Skaten zu teilen und dafür zu sorgen, dass die Kinder jede Menge Spaß bei unseren Workshops haben. Es geht mehr darum, Jugendlichen aus unterprivilegierten Gegenden die Chance zu geben, eine Leidenschaft fürs Leben zu finden, überall Freunde zu finden und mit sowie von ihnen zu lernen.
Ich denke, wenn erst mal die Liebe zum Skaten da ist, dann werden sich die Jugendlichen auf den Weg in die Stadt machen und an anderen Spots skaten. Sie werden innerhalb der Community lernen und, im besten Fall, sich der Sache lebenslang verschreiben und reisen gehen. Aber das liegt noch weit in der Zukunft. Der erste Schritt ist es, ihnen im März die Skateboards zu bringen.
Wenn du spenden willst, gehe auf www.pigeonplan.betterplace.org.