Kennst du die Werbung für die PlayStation 4? „Die stärkste Konsole der Welt” wird da (nicht zum ersten Mal) geprahlt, mit geschwellter Brust und Sockenpolster im Schritt. Doch auch wenn diese Behauptung vielleicht sogar in mehrerlei Hinsicht wahr ist, so ist sie auch irreführend. Die Xbox One ist schließlich wohl kaum ein schnaufender Trabi neben Sonys Hummer, oder? Das hier ist nicht David gegen Goliath. Es gibt, ganz ehrlich gesagt, nicht so viele Unterschiede zwischen den beiden. Gut, du kannst Battlefield Hardline auf der PS4 vielleicht in 900p statt den 720 der Xbox spielen, aber ist diese Differenz im Output wirklich ein Grund, sich den Kopf zu zerbrechen? Nur, wenn du extrem genau auf Dinge achtest, die eigentlich egal sind, oder wenn du 12 bist.
Der „Konsolenkrieg” dieser Generation baut auf der Unwahrheit auf, dass es einen grundlegenden Unterschied zwischen den Großen Zwei gibt. Aber bis auf ein paar exklusive Titel gibt es keinen. Und es war dasselbe mit der letzten Generation, und mit der davor. Tatsächlich fand der letzte Konsolenkrieg, der wirklich Bedeutung hatte—in dem eine Entscheidung bedeutete, sich dafür auszusprechen, was eine Konsole überhaupt sein sollte—Mitte bis Ende der 1990er statt, in einer Welt voller Adidas-Jacken, VIVA Interaktiv und Britpop.
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Auch wenn der Sega Saturn noch immer eine loyale Fangemeinde hat, stellte er nie wirklich Konkurrenz für Sonys erste PlayStation dar, als beide Ende 1994 auf den Markt kamen. Trotz seiner augenscheinlichen Ähnlichkeit zur PS war der Saturn teuer, leistungsschwach und besaß neben einem relativ unmodischen Äußeren eine kleine Spieleauswahl. Nights into Dreams und Panzer Dragoon Saga waren großartig, und beide Systeme teilten sich frühe Hits wie Tomb Raider und Resident Evil. Doch Sonys Strategie mit einem geringeren Preis, leichteren und günstigeren Entwicklertools und der daraus folgenden überlegenen Spieleauswahl verpasste Sega einen Tritt in den Hosenboden und ließ die Qualitätsansprüche des Saturn überheblich wirken. Dementsprechend kurzlebig war diese Konsole. Doch ein anderer Gigant lauerte schon auf seinen Auftritt.
Bereits 1988, mit einem Auge auf die Zukunft gerichtet, einigten sich Sony und Nintendo darauf, eine CD-Erweiterung für die SNES zu entwickeln, ähnlich der unglücklichen Mega-CD. Diese Erweiterung, mit dem flotten Namen SNES-CD wurde schließlich zu einer unabhängigen Konsole namens Play Station. Doch aufgrund von Uneinigkeiten bezüglich der Urheberrechte an Software, die für das System produziert worden war, trennten sich die zwei Firmen unter bösem Blut und Sony entwickelte die Konsole alleine. Sie wurde ohne das Leerzeichen im Namen als PlayStation veröffentlicht. In der Zwischenzeit hatte man bei Nintendo umgedacht, was das CD-Format anging, und mit der Entwicklung einer Steckmodul-Konsole namens Ultra 64 begonnen, die in Japan im Sommer 1996 schließlich unter dem Namen Nintendo 64 veröffentlicht wurde.
Bis der N64 im März 1997 in Deutschland erschien, hatte die PlayStation den Saturn schon lange auf der Strecke gelassen. Bei einem unvernünftigen Preis von 399 DM ohne Spiel (was bedeutete, dass frühe Käufer weitere 90 DM für Super Mario 64 ausgeben durften) sah der vermasselte Launch des N64 aus wie ein Eigentor, das PlayStation einen leichten Sieg in die Hände spielte. Doch nur zwei Monate später verpasste Nintendo allen frühen Käufern einen dicken Schlag ins Gesicht und reduzierte den Preis seiner neuen Maschine auf 299 DM. Der Krieg hatte begonnen.
Konsumenten ohne das nötige Kleingeld für beide Systeme—also im Grunde alle, die weder aus einem Adelshaus, noch aus einer Promifamilie stammten—sahen sich vor eine riesige Entscheidung gestellt, und zwar nicht, wie es heute der Fall ist, eine Entscheidung zwischen einem exklusiven Titel hier und etwas besserer Online-Funktionalität da. Nein, es war eine Entscheidung zwischen zwei völlig verschiedenen Denkweisen. Eine Entscheidung, bei der so oder so erhebliche Kosten und Belohnungen auf die Käufer warteten.
Die Verwendung von CDs als Speichermedium brachte der PlayStation viele Vorteile ein, nicht zuletzt die zusätzlichen Megabytes, die bei ihren Spielen Ton in CD-Qualität und schicke Full-Motion-Video-Sequenzen ermöglichten. Zu einer Zeit, als Stimmaufnahmen und tatsächliche Musikaufnahmen in Videospielen spannende technologische Fortschritte darstellten, war das ein großes Verkaufsargument. Die Chemical Brothers und Orbital steuerten Musik für den Launch des PlayStation-Titels Wipeout bei. Zusammen mit der Fähigkeit, Audio-CDs auf dem System abzuspielen, verlieh das Sonys grauer Kiste die Art Coolness-Punkte, von denen Nintendo nur geträumt hätte, wenn es sich überhaupt der Existenz von abstrakten Coolness-Punkten bewusst gewesen wäre.
Das winzige Speichervermögen der N64-Steckmodule bedeutete, dass selbst der Aushängetitel GoldenEye 007 Sprache mit unvertontem Text vermittelte und die Story mit klobigen, von der Spiele-Engine generierten Cutscenes voranbrachte. CDs waren jedoch auch nicht perfekt: Sie mussten laden, so wie die Spielekassetten für Spectrum oder Commodore 64. N64-Besitzer waren über diese Unannehmlichkeit so entrüstet wie ein weißgepuderter Adliger aus dem 17. Jahrhundert, der mit seinem Spitzentaschentuch ein unbefriedigendes Hors D’Oeuvre fortwinkt. Außerdem zerkratzen CDs schnell, während N64-Steckmodule die gepanzerten, atombombenresistenten Kakerlaken des Informationszeitalters sind.
Auch wenn sich die Steckmodule technologisch anfühlten wie ein deutlicher Schritt zurück, bedeutete die überlegene Leistung des N64 in Kombination mit dem analogen Input des bahnbrechenden Controllers, dass es gewisse N64-Spiele auf der PlayStation gar nicht geben konnte. Und das war es, was Nintendo ab der Veröffentlichung von Super Mario 64 verkaufte: neue, einzigartige Erfahrungen. Die Wasserphysik von Wave Race 64. Die durch das Expansion Pak unterstützten, hochauflösenden Umgebungen von Turok 2. Die fast schon PC-artige Videoqualität von Perfect Dark. Der polierte, farbenfrohe Glanz von Banjo-Kazooie. Das bahnbrechende … einfach alles an Ocarina of Time.
Die PlayStation hatte allerdings auch ihre Stärken. Auch wenn sie waffentechnisch unterlegen war, bei den Speicherkapazitäten und der durch umsichtiges Programmieren gesicherten, großen Auswahl an Klassikern konnte der N64 nicht mithalten, und Nintendo-Spieler beäugten sie neidisch. Ein großer Coup für Sony war es, Final Fantasy VII zu sichern, das bei drei CDs eine geschätzte Milliarde N64-Steckmodule benötigt hätte. Dasselbe gilt für die Bände gesprochenen Dialogs bei Metal Gear Solid und das FMV, die Synchronisation und das Pre-Rendering der Hintergründe bei der Resident-Evil-Serie. Der Soundtrack von Tony Hawk’s Pro Skater versprühte Klasse, und der riesige Katalog speicherfressender Automodelle bei Gran Turismo ließ die Karossen auf dem N64—der eigentlich nie einen wirklich guten Rennsimulator hatte—ziemlich spärlich aussehen.
Die Unterschiede in der Spieleauswahl der beiden Systeme kamen auch nicht einfach nur von ihren technischen Limitierungen. Beide hatten Exklusivverträge, die die Gegenspieler jeweils extrem neidisch machten. Nintendo hatte die damals unantastbaren Entwickler von Rare in seinem Stall; Sony hatte Hideo Kojima und Square. Sony hatte sich gerissen an Teenager und junge Erwachsene vermarktet: actionreiche Werbungen präsentierten dem Publikum Blutvergießen, Gefluche und viel spannende Gewalt.
Nintendo sah sich mehr als eine Firma für unschuldigen Familienspaß und kontrollierte solche Inhalte in seinen Spielen streng. Duke Nukem 64 wurde erheblich zensiert, und das lächerliche Carmageddon 64 enthielt Zombies anstelle von Menschen, während Sony Grand Theft Auto unter Protesten veröffentlichte und dadurch eine riesige Anzahl PlayStations verkaufte. Diese Konsole galt als ein klein wenig wild und gefährlich. Die Spielebibliothek der beiden Systeme unterschieden sich stark voneinander und plattformübergreifende Veröffentlichungen waren die Ausnahme, und nicht, wie es heute der Fall ist, die Norm. Man musste sich entscheiden. Und eine Seite zu wählen bedeutete, auf der anderen Seite extrem viel zu verpassen.
Die Zeit verging und die beiden Konsolen wurden unausweichlich homogener. Sony brachte 1997 einen analogen Controller heraus, der sie in dieser Hinsicht mit dem N64 aufholen ließ (doch sollte man an dieser Stelle anmerken, dass der verwesende Saturn hier schneller war und Nights into Dreams mit seinem 3D-Controller anbot). Nintendo gab es irgendwann auf, sich mit eisernem Griff an den Anstand zu klammern und erlaubte weiß der Geier wie viele Verwendungen des Wortes „fuck” in Conker’s Bad Fur Day. Die Steckmodul-Technologie machte solche Fortschritte, dass Resident Evil 2 auf dem N64 in all seinem FMV-Glanz veröffentlicht werden konnte. Spiele für vier Spieler—Nintendos Trumpf—wurden auf der PlayStation mit Multitap möglich, allerdings erreichten sie damit nie das majestätische, freundschaftsgefährdende Jeder-gegen-jeden von GoldenEye. Die zuckrige Optik des N64 ließ ihn weiterhin die Konsole für Kenner bleiben, während die endlose Spieleauswahl und das piratenfreundliche Softwareformat der PlayStation sie zur Konsole für alle machten. Die Auseinandersetzung zwischen Fans ging weiter.
Ein paar ausgewählte Szenen aus Conker’s Bad Fur Day
Bei jeder Konsolengeneration, die es seitdem gab, war die Entscheidung keine so wichtige. PS2 und Xbox? Im Grunde das Gleiche, mit ein paar unterschiedlichen Exklusiv-Features, was den GameCube oder die Dreamcast zu interessanten aber undankbaren Alternativen macht. PS3 und Xbox 360? Im Grunde das Gleiche, wieder ein paar attraktive Exklusiv-Spiele, womit dann also die Wii bliebe, als die Option, die deiner Oma gefällt, wenn sie betrunken ist. PS4 und Xbox One? Du weißt schon, was ich sagen werde.
Bei der PlayStation und dem N64 war man entweder in dem einen Team oder im anderen. Blur oder Oasis. Afri oder Coke. Gras oder Speed. Sonys frecher James Hunt oder Nintendos sorgfältiger Niki Lauda. So oder so, du hattest recht und, wie das dritte newtonsche Gesetz, gleichzeitig unrecht. Wenn du alt genug bist, damals diese Entscheidung getroffen zu haben, dann verteidigst du sie vermutlich bis heute, und machst dir innerlich heimlich Sorgen, dass sie doch falsch war.
Es war der letzte Kampf zwischen Gaming-Rivalen. Auf der Xbox kein Bloodborne spielen zu können, ist einfach nicht dasselbe.
Controller-Fotos von Brandon Allen, aus seiner Serie Deconstructed—die gesamte Serie findest du auf seiner Webseite.