Seit rund einem Jahr dient die anarchische Virtual-Reality-Community von VR Chat als Zufluchtsort für zehntausende Spieler, die nicht sonderlich viel von Regeln, dafür aber umso mehr von surrealen Gesprächen, unvorhersehbaren Begegnungen oder rassistischen Memes halten.
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Die Einstiegshürde ist niedrig: VR Chat ist komplett kostenfrei und lockt seine Community mit lockeren Nutzungsbedingungen, die im Grunde jede Verantwortung und Moderation an seine Spieler abtreten – und diese Gelegenheit wird von den VR Chat-Fans dankend angenommen. Vor allem die Option, sich selbst einen beliebigen Avatar zu erstellen, mit dem dann die Chaträume betreten werden können, ist der Hauptgrund für das bunte Treiben auf den Servern, wo gigantische Porno-Felltiere, Zucchini mit Schauspieler-Gesichtern und sprechende Unterhosen aufeinander treffen.
Es liegt auf der Hand, dass eine solche unregulierte Spielwelt natürlich auch Trolle anlockt, die ihren Mitspielern zur eigenen Belustigung den Spaß verderben wollen. Ins Visier der Attacken sind dabei insbesondere die vielen Twitch-Streamer gerückt, die in immer größeren Gruppen auf die Server von VR Chat drängen, um dort für ihre Zuschauer zu spielen. Der Grund für ihren Opfer-Status ist denkbar einfach: Im Gegensatz zu allen anderen Usern müssen die Streamer sehr wohl strenge Regeln und Nutzungsbedingungen einhalten – und zwar die ihrer jeweiligen Livestreaming-Plattformen.
Porno auf der Kurzwahltaste: Wie die Trolle Streamer-Karrieren sabotieren wollen
Das wissen auch die Trolle von VR Chat – und machen sich seit Wochen einen Spaß daraus, die Accounts der Twitch-Streamer zu gefährden. Diese Trollerei funktioniert dabei nach dem immer gleichen Prinzip: Zuerst suchen sich die Übeltäter einen Streamer aus, der gerade online ist, und warten anschließend darauf, dass sie einen Hinweis bekommen, auf welchem Server sich ihr Opfer momentan aufhält. Anschließend stürmen die Trolle, von denen viele zu den regulären Zuschauern gehören, den jeweiligen virtuellen Chatraum und “verkleiden” ihren Avatar als Screenshot oder 3D-Modell einer pornografischen Szene. Das funktioniert mit nur wenigen Klicks – und wird von den Entwicklern auf ihrer eigenen Homepage genau erklärt.
Anschließend versuchen die virtuell verkleideten Trolle, so lange wie möglich im Blickfeld – und damit auch der Kamera – des Streamers zu verharren, um die jeweilige Streaming-Plattform zu einem Einschreiten zu provozieren.
Das Porno-Trolling kann für die Opfer unangenehme Folgen haben oder sogar ihre Karriere sabotieren: Zeigen Streamer nämlich explizit pornografische Szenen während ihrer Sessions, kann Twitch die Streamer vorübergehend sperren oder komplett bannen – das legen die Nutzungsbedingungen der Streaming-Plattform unmissverständlich fest.
Streamer, die in der Welt von VR Chat von den Porno-Trollen ins Visier genommen werden, können sich allerdings nur sehr umständlich gegen diese Trolle wehren, indem sie jeden Porno-Avatar einzeln stummschalten oder blockieren – eine Maßnahme, die nicht selten viel zu lange dauert, um sich vor einer Strafe von Twitch & Co. zu schützen.
Die Entwickler reagieren spät, aber richtig
Ende 2017 scheint diese besondere Form des Trollens zu einem spürbaren Problem in der Community geworden zu sein, im Januar und Februar dieses Jahres nimmt die Anzahl der hilfesuchenden und genervten Threads von Betroffenen in Foren und Spielgruppen zu. Die Entwickler von VR Chat verfolgen diese Entwicklung offenbar mit – und kündigen schließlich Ende Februar 2018 einen Patch an, der Troll-Opfer endlich die Chance geben soll, sich gegen die Porno-Angriffe rechtzeitig zu wehren. Im Zentrum dieses neuen Patches: der sogenannte Panic Button. Gerät ein Spieler ins Visier der Porno-Angreifer, kann er mit einer einfachen Tastenkombination diesen Panic Button auslösen: Daraufhin werden sofort alle Avatare in unmittelbarer Nähe nicht nur stummgeschaltet, sondern auch durch ein Standard-Modell in hübsch-unspektakulären Grau ersetzt.
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Dieses Feature ist für Streamer definitiv eine große Hilfe, um sich vor den nervigen Trollen zu schützen, doch scheint die neue Funktion noch immer nicht allzu große Runden in der Community gedreht zu haben. Weiterhin klagen viele VR Chat-Nutzer über die Troll-Attacken und auch auf YouTube gibt es derzeit (Stand: 28. Februar 2018, vier Tage nach dem “Panic Button”-Patch) offenbar noch keine Videos, die das neue Feature in Aktion zeigen. Vielleicht ist ausgerechnet jetzt also der richtige Zeitpunkt für euch, das Spiel herunterzuladen und einen ersten, vorsichtigen Fuß in die absurde Welt von VR Chat zu setzen – immerhin seid ihr nun mit dem wichtigsten Feature ausgerüstet, um euch vor den nervigsten Bewohnern dieser eigentlich faszinierenden Spielwelt zu schützen.
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