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Campus, Sex und Ravioli

Beschiss bei Studienkrediten

Da Ponzi-Systeme für Superreiche oder billige Hauskredite für arme Schlucker jetzt gerade auf der Shitlist stehen, machen sich Banker an Studenten ran: Aber lass dich nicht verarschen!

Lisa (Name von der Redaktion geändert) hatte sich gegen Ende letzten Jahres bei einer großen deutschen Bank über Kreditkonditionen informiert. Sie wollte zunächst nur mal wissen, ob es möglich sei, für eine Übergangszeit zwischen zwei Jobs ihr Konto zu überziehen. Der geschickte Bankangestellte drehte Lisa am selben Tag einen Kredit an.

Doch dass Lisa direkt auf die ganze Summe die vereinbarten Jahreszinsen über die gesamten Laufzeit des Kredits zahlen musste, hatte der Bankangestellte nicht erwähnt (steht ja irgendwo gedruckt auf den mehren Seiten langen Dokument, wieso also noch mal so ein kleines unwichtiges Detail erwähnen?) Auch die zumindest damals momentane Arbeitslosigkeit Lisas hat ihn nicht wirklich interessiert. Der Kredit wurde noch am selben Tag gewährt.

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Lisa hatte das Glück, dass sie schnell danach wieder einen Job gefunden hat und so den Kredit abzahlen konnte.

Aber was ist mit Studenten, die sich einen Studienkredit anschaffen? Vielleicht, weil sie wenig oder gar kein Geld von ihren Eltern bekommen und auch kein Bafög erhalten. Was passiert, wenn du nicht direkt nach dem Studium einen gut bezahlten Job findest? Ist die Bank dann immer noch so hilfreich wie zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme? Und wie kannst du dich wehren?

Klar ist ein Studienkredit verlockend. Monatlich sorglos Geld erhalten, sich aufs Studium konzentrieren, Lehrbücher kaufen und vielleicht mal in den Urlaub fahren. Aus den monatlichen Auszahlungen können aber ganz schnell mehrere zehntausend Euro Schulden werden.

Ich habe mich mit Ana-Maria unterhalten, die immer noch Schulden hat, seit sie sich 2005 einen Studienkredit für vier Jahre geholt hat. „Die haben mich geblendet und ich habe mich blenden lassen,“ sagt sie mir. „An die Zeit danach hab ich nicht viel gedacht “, und der Angestellte in der Bank hat ihr mit seiner verständnisvollen Art die Angst genommen. „Ich war während des Studiums Multi-Jobberin. Ich habe für einen Telefonanbieter gearbeitet, in Kneipen und so weiter. Geld von meinen Eltern wollte ich nicht nehmen.“

Als es jedoch im September 2010 an die erste Rückzahlung ging, zeigte sich die Bank plötzlich gar nicht mehr verständig. Von der versprochenen individuellen Lösung bei der Zurückzahlung war nichts mehr zu hören: „Nach dem Studium ging das dann plötzlich nicht mehr. Da wollten sie plötzlich 300 Euro monatlich von mir. Das hätte ich aber niemals zahlen können. Bei mir war da einfach noch nichts zu holen.“

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Sie stand damals kurz vor der Insolvenz, die sie jedoch auf jeden Fall vermeiden wollte. So zahlt Ana-Maria ihre Schulden bis heute ab. Die Bank hat ihren Studienkredit aber mittlerweile an eine Inkassofirma verkauft. Dort kann sie zwar geringere Raten zurückzahlen, jedoch sind die Zinsen jetzt noch höher und die Gesamtverschuldung damit auch.

Es wird wohl noch Jahre dauern bis sie schuldenfrei ist.

Johann Tillich, Präsident des Vereins für Existenzsicherung erzählt mir: „In unserer Arbeit fällt uns hauptsächlich die Deutsch Bank auf. Die geht gnadenlos vor.“ Tillich berichtet von verständnisvollen Erstgesprächen, bei denen den Studenten erzählt wird, dass man sie unterstützen wolle. „Aber wenn man dann länger studiert oder nicht gleich einen Job bekommt, dann machen die gnadenlos Druck. Bis in die Insolvenz. Die Studenten bekommen da teilweise Raten von 700 bis 800 Euro aufgebrummt. Wer soll das denn zahlen bei null Einkommen? Das ist der Hammer!“

Die Deutsche Bank bewirbt ihren Studienkredit hingegen mit dem Slogan: „Gelassen durchs Studium“. Die Scheiße musst du nämlich erst nach dem Studium auslöffeln.

Rechtsanwalt [Helge Petersen](http:// http://www.kanzlei-helge-petersen.de/) erklärte mir zum Thema Studienkredite in Deutschland: „Bei einer Großzahl der Vertragsverhältnissen, die Beträge im Bereich von 30.000 bis 50.000 Euro aufweisen, ist das für die Bank natürlich auch ein gutes Geschäft. Das ist mit Sicherheit kein Zufall. Es gibt etwa 150.000 Studentenkredite in Deutschland. Wenn man das hochrechnet, handelt es sich um eine Gesamtsumme von mehreren hundert Milliarden.“ Petersen vermutet also, dass hier durchaus mit einer gewissen Systematik vorgegangen wird. „Die Studenten werden hier als Cash-Cows betrachtet. Das ist schon gruselig, was da passiert.“

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Petersen betreute allein 2012 über 90 Fälle in seiner Kanzlei. Bei ihm ist es vorrangig die Commerzbank. Petersen sieht Handlungsbedarf der Politik. Das Problem sei, dass es bis jetzt niemanden interessiere. Er rät Studenten dazu, nicht klein beizugeben, sondern sich gegen die Bank zu wehren.

Ähnlich sieht das auch Ralph Brendel, Vorsitzender des Bundesverbandes Kreditsachverständige und Kontenprüfer: „Die meisten Studentenkredite sind schlicht und ergreifend falsch abgerechnet. Sie sind absolut zu teuer. Aber das merkt kaum einer der Studenten, weil sie in der Regel ja noch keine Krediterfahrung haben.“

Die Studienkredite sind falsch abgerechnet, da die Banken die Zinsen zwar nach oben anpassen, aber so gut wie nie nach unten.

Die Schauspielerin Pia Klausch hat genau diese Erfahrung gemacht. Um die Kosten für ihre Ausbildung plus Wohn- und Lebenskosten zu decken nahm sie bei der Santander Bank (damals noch SEB) einen Studienkredit auf.

Ihr Traum war es von klein auf Schauspielerin zu werden. Mit dem Kredit der Bank schien dieser Wunsch leichter erfüllbar. „Am schlimmsten finde ich an der ganzen Sache, dass die Bank die Zinsen nicht anpasst, obwohl sie vertraglich dazu verpflichtet ist. Das habe ich mir von einem Sachverständigen ausrechnen und von einem Rechtsanwalt bestätigen lassen.“

Obwohl sie 2010 ihren Abschluss gemacht hat, zahlt sie bis heute ihre Schulden ab. Auch die Beratung der Bank war eher mies: „Die Beratung bestand im Wesentlichen darin, dass Sicherheiten verlangt wurden und meine Eltern bürgen mussten. Über Zinsen oder Sonstiges wurde nicht weiter geredet.“ Daher rät sie anderen Studenten dazu „sich im Voraus und besonders bezüglich Kreditkonditionen von vielerlei Seiten beraten zu lassen und nicht immer alles zu glauben, was die Bank einem erzählt.“

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Ein ähnlicher Fall ist die Kreditkarte BarclayCard for Students. Diese wird von der deutschen Tochterfirma der englischen Barclay Bank ausgegeben. Das ist eine Kreditkarte, die anfangs mit bis zu 1.000 Euro Kreditrahmen ausgegeben wird. Obwohl du als Student vielleicht nicht einmal so viel monatlich zur Verfügung hast. Perfide bewirbt BarclayCard das Angebot mit den Worten: „Das Leben entspannter genießen: Mit der Barclaycard for Students haben Sie von Anfang an einen Kreditrahmen von bis zu € 1.000,-.“

Karl (Name von der Redaktion geändert) hat üble Erfahrung mit der Kreditkarte für Studenten gemacht. Er hat insgesamt über 2000 Euro Schulden angesammelt. Das war möglich, da BarclayCard seinen Kreditrahmen immer weiter erhöhte.

Christiane Perlewitz, Pressesprecherin bei BarclayCard teilt mir dazu mit, dass das „individuelle Limit durchaus dynamisch ist und im Laufe der Kartennutzung an das Nutzungsverhalten des Kunden angepasst werden kann.“ Die Entscheidung darüber, ob und in welcher Höhe das Kreditlimit erhöht werde, treffe man stets aufgrund von „vorliegenden Risiko- und Verhaltensparametern.“

Dabei werde auch „insbesondere das Rückzahlungsverhalten eines Kunden bewertet.“ Das mag ja im Allgemeinen so sein. Doch im Falle von Karl wurde das Limit einfach so immer weiter erhöht. Anwalt Petersen nennt dies das amerikanische System, mit dem Leute fast unbemerkt in die Schuldenfalle gelockt werden.

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Leider hat Karl auch nach dem Studium nicht direkt einen Job finden können und musste im Herbst letzten Jahres Hartz-IV beantragen.

Klar, BarclayCard erlaubt geringe Rückzahlungen. Mindestens müssen 3% des Gesamtbetrags der Verschuldung als Teilbetrag zurückbezahlt werden. Barclay bewirbt das als revolutionäre Vereinfachung des Kreditgeschäfts. Doch eigentlich heißt das nur, dass sie dich länger mit höheren Zinsen an sich binden.

„Die BarclayCard for Students ist gefährlich! Der Zinssatz der BarclayCard kratzt in diesem Fall an die Sittenwidrigkeit,“ meint der Finanzexperte Brendel. Und: „Die BarclayCard for Students ist eine echte Schuldenfalle.“ So erging es auch Karl, der jetzt langsam versucht die kleinen Raten abzustottern. Monatlich kommen nun neue Zinsbeträge und Überziehungskosten hinzu. „Die Bank hat hier aber vielleicht 50 Euro Refinanzierungskosten. Das ist für die also ein bombastisches Geschäft. Bei diesen extremen Gewinnspannen kann BarclayCard leicht ohne großes Risiko blanko Kreditkarten an Studenten ausgeben.“

Der Student Oliver S., der von Johann Tillich betreut wurde, hat hingegen auch so seine Erfahrungen mit dem Studienkredit der Deutschen Bank gemacht. Nach der Schuldenaufbauphase zwang ihn die Deutsche Bank zur Umschuldung mittels eines Ratenkredites. Und zwar mit einem saftigen Zinssatz.

Trotz monatelangen Bittens von Oliver war „die Deutsche Bank zu keiner Verhandlung bereit. Die sagen, man solle halt die Eltern bitten. Mit der Schufa wird dir auch gedroht“ erzählte mir Tillich. „Ich mache mir ziemlich viele Sorgen wegen der ganzen Sache,“ meinte OIiver.

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Umschuldung durch überteuerte Ratenkredite scheint normal. Oft wird Studenten ein solcher als alternative Rückzahlungsmethode angeboten. Und da werden die Banken dann richtig teuer. Zwar wird behauptet, dass man mit seinen Kunden frei verhandelt und flexibel bleibt. „Aber das ist schlicht und ergreifend nicht korrekt,“ stellt Brendel entrüstet fest.

Denn die Bank verkauft dir hier, fachlich gesprochen, ein Kapitalnutzungsrecht. Deshalb, erklärt mir Brendel, „müsste der Ratenkredit entsprechend günstig sein, wie in der ursprünglichen Aufbauphase. Aber dann setzt die Bank die Studenten oft stark unter Druck und verkauft ihnen unheimlich teure Ratenkredite.“ Würde die Bank korrekt rechnen, dann müsste der Zins bei etwa 3 oder 4% liegen. „Doch meistens verlangen sie 10 oder 12% Zinsen. Das ist weit überteuert! Die Bank bereichert sich also hier ungerechtfertigt,“ hält Brendel die Sachlage fest.

Und so hast du am Ende natürlich viel mehr Schulden als du eigentlich hättest. Es fallen völlig unberechtigte Zinsen an. Wehren kannst du dich dann, wenn du der Bank nachweisen kannst, dass sie falsch abgerechnet hat. Das nennt man das Zurückbehaltungsrecht. Das kannst du jahrelang ausüben. Vorausgesetzt du hast starke Nerven und erträgst die Drohbriefe der Bank. Außerdem darfst du deinen Studienkredit nicht kündigen, sonst kannst du von deinem Recht keinen Gebrauch machen.

Genau dazu rät auch Pia: „Nun ist die Santander Bank verpflichtet mir Geld zurück zu erstatten. Allerdings weigert sie sich hartnäckig.“ Deshalb musst du immer hart bleiben, wenn du nachweisen kannst, dass die Bank falsch abgerechnet hat. Du bist dann im Recht.

Angeblich ist „eine erstklassige Bildung der wichtigste Rohstoff in unserem Land“, wie du auf der Website von Angela Merkel nachlesen kannst. Aber profitieren sollen doch in erster Linie wir—und nicht die Banken.