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DIE SKAMMERZ ISHU

Reviews

Pitchen bis zum Doomsday, Metalcore mit Rostflecken, Ruhr-Krepierer und gemächlich blubbernde Lavalampen. Neue Reviews gegen Winterdepressionen.

MARTERIA
Zum Glück in die Zukunft II
Four Music

Meister Marten setzt sich freiwillig dem Verdacht aus, den so ein Sequel automatisch wie eine Skepsis-Blähung hinter sich herzieht. Rendite-Kalkül durch Ideen-Recycling und so. Ist ja auch gerade voll en vogue im Rapgeschäft. Marteria leistet sich jedoch den respektablen Boss-Move, einfach die Teile von ZGIDZ neu aufzulegen, die ohnehin indiskutabel sind, sprich den Krauts-Future-Bumms und diesen Konzeptschwurbel von einem, der zu viel über sein Leben nachdenkt. Ansonsten macht er einfach das, was er will. Und das ist zum Beispiel: Kein Album fürs Radio aufnehmen. Sogar aus den lila Wolken kommt nur Regen. Oder: Kein Album für irgendjemanden aufnehmen, außer sich selbst. Wenn das dann die Leute kaufen, die Teil eins feierten, dann ist das das Beste, was ihnen passieren konnte, sie wissen es vielleicht nur noch nicht. ZGIDZ II bestätigt also, was wir schon von Terminator und Alien wussten—Ausnahmen bestätigen die Sequel-Regel.
JAMES COMERAN

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ACTRESS
Ghettoville
Werkdiscs/Ninja Tune/Rough Trade

Als hätte es Techno nie gegeben, als wäre die Musikgeschichte nach Musique Concrète, knochiger Kraut-Elektronik und Industrial hier gelandet, in einem tiefgrauen Ghettoville. Nebel und Rauch erhellen die Schwärze nur für kurze Momente, von Geisterhand wird der Pitch immer wieder bis zum Anschlag runtergezogen … Im Begleitschreiben zitiert ACTRESS den Doomsday herbei und schließt mit den Worten: „A fix is no longer a release, it’s a brittle curse. Zero satisfaction, no teeth, pseudo artists running rampant, but the path continues. R.I.P Music 2014.“ Vernichtend.
UNKER ICH

UNMAP
Pressures
Sinnbus

Als ob da beim Beatprogramming noch mit morschen Ästen auf Berggeröll herumgedroschen wird, so elementar wirkt das Eigenbrötlertum dieses neuen hartschaligen Früchtchens, das hiermit vom Sinnbus-Stammbaum fällt. Entweder wird hier elektronischer Musik konsequent der Zukunftsausblick verstellt oder man visioniert bereits in diesem post-futuristischen Brachland herum, dessen Unausweichlichkeit ja momentan noch gerne verdrängt wird. Alex von Bodi Bill lässt die Bass-Apokalypse dräuen und die irische Künstlerin Mariechen Danz trumpft mit einer Stimme auf, die nun wirklich jedes Diminutiv wegatmet und die geradewegs klingt, als hätte das Mariechen gerade einen Becher mit verbrannter Erde ausgeleckt. Hier wird gewiss keine Saat in das Feelgood-Beet irgendwelcher Eskapismus-Bauern gelegt, dafür dürften sämtliche Endzeit-Barometer umso heftiger ausschlagen.
JÖRG KACHELOFEN

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SCHLIMMSTES COVER DES MONATS

SCNTST
Self Therapy
Boysnoize

Musikproduktion als Selbsttherapie, das ist ein derart ausgelutschter PR-Mythos, dass ich bei einem so betitelten Album schon vor Wut schäume, bevor ich überhaupt die Play-Taste drücken kann. Es ist ja schön und gut, wenn es Leuten gelingt, sich mit Ableton Live von ihren Neurosen zu befreien, aber warum um alles in der Welt müssen sie gleich ihre Mitmenschen damit belästigen? Ich stelle mich ja auch nicht mit meinem Benzo-Bauchladen auf den Alexanderplatz und quatsche kleine Mädchen an. Na gut, der Typ hier ist selbst fast noch ein Kind, er war nach eigenen Angaben erst ein Mal in einem Club und es hat ihm nicht besonders gefallen. Wenn er wüsste, dass die Art von Krawalltechno, die er in seinem Schlafzimmer produziert, der Grund ist, warum es heute vielen Leuten in Clubs nicht besonders gefällt, müsste er sich eigentlich gleich wieder in Therapie begeben. Ein Teufelskreis.
RUTGER DRAUFHAUER

SHIFTED
Under A Single Banner
Bed Of Nails

Manchmal fragt man sich ja, wie viel kultivierte Tristesse der stetig geschmacksverfeinerte Mensch noch braucht. Wie viel Varianten von strengem, knochigem und/oder garstigem Techno gehen in einen Plattenkoffer? Ist es uns genetisch gegeben, immer wieder nach denselben Dingen zu forschen, dieselben Erfahrungen von geiler Alienation und feiner Frösteligkeit zu suchen? Braucht jede Generation ihre ganz eigene, persönliche Underground Resistance? Und dann kommt so ein Album und mit ihm die Momente, in denen man denkt: Man müsste nur noch so etwas hören, die Heizung abschaffen und schwere, kratzige Filzanzüge tragen …
GREGOR SAMSA

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QUENUM
Face to Face
Serialism

Wenn du in den letzten zehn Jahren einen Fuß in einen Technoclub gesetzt hast, dürftest du ziemlich sicher mit dem Track „Orange Mistake“ vertraut sein, den Quenum einst mit seinem Kumpel Luciano aufgenommen hat. Vermutlich eins der am meisten gespielten Stücke der letzten Dekade, wenngleich es natürlich nur Nerds beim Namen kennen, die den ganzen Tag bei Beatport abhängen und sich Notizen machen. Aber hör es dir einfach bei Youtube an, es wird ziemlich sicher endorphingeschwängerte Backflashs auslösen und dich zum Weinen bringen. Auf Quenums jetzt erschienenen Album finden sich elf Stücke, die alle ganz OK, aber nicht so gut wie „Orange Mistake“ sind. Irgendwie ist es mit diesen ganzen Techno-Longplayer der letzten Zeit ein bisschen wie mit Pornofilmen. Man muss schon ein ziemlich seltsamer Typ sein, um sie sich in ganzer Länge reinzufahren.
DETEKTIV LOOPIN

RAZ OHARA
Moksha
Album Label

Als Raz Ohara 1999 sein Debüt auf Kitty-Yo veröffentlichte, hatte der verdammte Hype um das Label zwar noch nicht die letzten Fürze in die Berliner Luft rausgepresst—das wurde dann erst in der Generation nach Gonzales, Jeans Team und natürlich Peaches so richtig miefig—aber Raz Ohara wurde auf der Scheitelwelle dennoch nie richtig mitgenommen. Das typische Schicksal eines Zufrühkommers. Auch Moksha, das erste ganze Album seit 2001, will mit dem frühen Raz Ohara nicht mehr viel zu tun haben. Raz Ohara klingt vielmehr, als hätten Super Collider sich ganz warm angezogen, orange blubbernde Lavalampen in die Steckdosen gesteckt und Head On noch einmal aufgenommen, ganz gemächlich—und aus „Darn (Cold Way O’Loving)“ wird dabei wie selbstverständlich „True Love Will Find You In the End“.
STEELY DUB

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DEICIDE
In The Minds Of Evil
Century Media

Bei jedem neuen Deicide-Album strahlt doch erst mal die Anekdote wie Höllenglut aus dem Langzeitgedächtnis, in der ihro Grunz-Gestörtheit Glen Benton einmal ein Interview in Wutschaum ablehnte, weil der unwürdige Pressewurm (Dank seiner Berufswahl allein im Zweifel, dieselbe Luft atmen zu dürfen) zu allem Überfluss auch noch mit dem Namen Christian vorstellig wurde. Heiliger Geist, weiche! Das war irgendwann in den Neunzigern, Deicide galten als blutgesättigte Speerspitze des Florideath und nahmen ihre Rolle so ernst, dass es einer (Achtung!) himmelschreienden Komik nicht entbehrte. Dasselbe gilt nun wieder für dieses neue Album, das man mit nostalgisch glänzenden Augen empfängt, das aber dem eigenen verdorbenen Oeuvre natürlich nicht mal die kleinste Bremsspur eines irgendwie andersartigen Teufelsfurzes ins ätzende Bouquet zu blasen vermag.
YEEZUS KRYZD

PELICAN
Forever Becoming
Southern Lord

Ich werde bei dieser Band das Gefühl nicht los, dass sie meint, uns etwas beweisen zu müssen. Spätestens beim dritten Instrumental drängt sich der Eindruck auf, irgendein exemplarisches Beispiel zu hören, man weiß nur nicht, wofür (und warum). Es gibt genug Bands, dies- und jenseits der Post-Zonen, deren bisheriges Lebenswerk beweist, dass die Abwesenheit eines Sängers nicht der Rede wert sein muss; es ist auch nicht so, dass Pelican nicht für ein oder zwei Tracks auf dem Mixtape gut wären, aber auf Albumlänge klingen die wie Streber beim Werkunterricht.
KOMMANDO MDF

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SUNS OF THYME
Fortune, Shelter, Love and Cure
Motor

Nach langjähriger freiwilliger Abstinenz habe ich vor Kurzem endlich wieder mit dem Kiffen angefangen. Das schien mir ein adäquates Mittel, um der wachsenden Langeweile meines zunehmend erwachsenen Lebens entgegenzuwirken. Es gibt einfach Dinge, die in schwer bekifftem Zustand eindeutig mehr Spaß machen. Zum Beispiel, sich in hohem Bogen Erdnüsse in den Mund zu werfen. Oder auch diese Platte zu hören. Das Berliner Psychedelia-Quartett Suns of Thyme kann mir dankbar sein, denn nüchtern hätte ich die CD wohl schulterzuckend auf den Praktikantenstapel geschoben. Stattdessen liege ich jetzt auf dem Sofa, spiele Mario Kart und wippe mit dem großen Zeh zu ihrem formidablen Tame-Impala-meets-Joy-Division-Sound. Hey, ist dieses Cover eigentlich ein 3D-Bild? Vielleicht starre ich es einfach mal eine Stunde lang an und warte, was passiert.
CHEECHIE CHUNG

CELESTE
Animale(s)
Denovali

Solch breitflächiger, auf episch gepimpter Metalcore hatte bereits 2008, als Celeste ihr Debüt rausbrachten, richtig olle Rostflecke angesetzt. Aber es gehören wohl immer auch halbwegs sympathisches und wenigstens grundehrliches Drängen und Stursein dazu, selbst anerkannt dünne Bleche so vehement weiterzuwalzen, wie diese Franzosen es taten. Aus Respekt ist bei mir jedoch nie Begeisterung geworden. Und ich kann mir nicht verklären, dass das neue Werk Animale(s) ein übertrieben proportioniertes, sogenanntes Konzeptalbum ist, bei dem es eigentlich ziemlich schnurz bleibt, welchen Tonträger ihr auf- oder einlegt—wenigstens das Artwork ist doppelt schön.
THE TEMPLE OF STEVE A

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STAER
Daughters
Horse Arm

Da ich den Promozettel mit all den nützlichen Journalisteninfos zu diesem Album verschlampt hatte, musste ich wie üblich Google um Rat fragen. Einen falschen Click später war ich auf der Website mit den „Top 20 Hottest Rock Star Daughters“ gelandet. Tja, so schnell kann sich ein kurzfristiger Produktivitätsschub wieder in Luft auflösen. Ich habe trotzdem eine Menge interessanter Sachen gelernt, zum Beispiel das die Rolling Stones gleich drei Töchter zu dieser Liste beisteuern können (2x Richards, 1x Jagger) oder dass Liv Tylers Mutter mit allen Bandmitgliedern von Aerosmith geschlafen hat, weshalb Liv bis zu ihrem 20. Lebensjahr nicht wusste, wer von denen jetzt eigentlich ihr Vater war (Haben die keinen Spiegel zu Hause?). Das hat natürlich rein gar nichts mit diesem ziemlich wüsten norwegischen Noiserock zu tun, der sich währenddessen im Hintergrund mit dem Baustellenlärm vor meinem Fenster zu einer kakophonischen Klangcollage verband. War aber trotzdem mal wieder ein rundum gelungener Arbeitstag.
SANTA GRAUS

TOXOPLASMA
Köter
Aggressive Punk Produktionen

Die große Deutschpunk-Rentner-Revue geht in die nächste Runde und diesmal sind es Toxoplasma, die 30 Jahre nach ihrem Debütalbum noch mal etwas Dampf ablassen müssen. Im Vergleich zu vielen ihrer Klassenkampfkameraden von damals haben die Jungs, ähm, Herren aber tatsächlich noch Druck auf dem Kessel und Köter entpuppt sich entgegen aller Skepsis als ein wütend bollernder Rotzbrocken von Album. Wallys Texte katapultieren dich direkt zurück ins goldene Zeitalter des Punk, als soziopolitische Frontverläufe noch schön übersichtlich waren: Scheiß Bullen, Scheiß Staat, Scheiß Bundeswehr, Scheiß CDU, etc. Das ist auf seine Art so rührend, dass man sich sofort eine Sicherheitsnadel durch die Nase rammen und auf eine Anti-AKW-Demo rennen möchte.
BREITI SCHLUMPF

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THE KVB
Minus One
A Recordings

Ich finde, der Release-Overkill von A Place To Bury Strangers nimmt langsam bedenkliche Ausmaße an. Wie, das sind gar nicht APTBS? Ja genau, und ich bin der Regenwurm, der in Ian Curtis’ morschem Schädel wohnt. Wie, Ian Curtis wurde eingeäschert? Ach, lasst mich doch einfach in Ruhe.
PETER HOOKWORM

MARIJUANA DEATHSQUADS
Oh My Sexy Lord
Memphis Industries/Indigo

Marijuana Deathsquads sind keine Band, sondern eher so etwas wie ein Geheimbund. Es ist nicht ganz klar, wer dazugehört und wer nicht. Es ist sogar möglich, dass du dazugehörst, ohne es zu wissen. Der einzige Weg, es herauszufinden, besteht darin, dein Trommelfell einem zermarternden Terrorangriff auszusetzen und dann zu sehen, ob du überlebst. Ähnlich wie beim Finale von Indiana Jones und der letzte Kreuzzug wirst du nach dem Genuss dieser Platte entweder zu Staub zerfallen oder unsterblich werden. Da ich Oh My Sexy Lord nun schon 17 Mal gehört habe und meine Moleküle immer noch an ihrem Platz sind, muss ich wohl so was wie ein geheimes Ehrenmitglied dieser Gang sein. Damit fehlt mir eigentlich die angemessene Neutralität, um eine objektive Rezension zu schreiben. Aber meine beiden Kollegen, denen ich ich diese Aufgabe angetragen habe, melden sich irgendwie nicht mehr. Egal, hör’s dir einfach an, und wenn es dich danach noch gibt: Herzlich Willkommen auf der dunklen Seite der Macht.
DR. ELSA SCHNEIDER

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BLOOD ORANGE
Cupid Deluxe
Domino

Wenn eine Platte im Jahr 2013 so klingt—also nicht nur nach warmen Synths, weichen Vocals und Saxophon-Breaks, sondern einem eben dieses vollständige Ibiza-Spätsommer-Gefühlssortiment reinknallt, bei dem sich bunte Sakkos mit hochgekrempelten Ärmeln an einer Strandbar unaufgeregt darum streiten, wer die fancieste Sonnenbrille trägt—dann kann man Genrebegriffe wie „balearic“ eigentlich und endlich auch direkt aus dem Wortschatz streichen. Das hier ist mehr 80er, als es die 80er selbst damals konsequent geschafft haben. Benötigt man im Jahr 2013 nur leider ungefähr so dringend wie ein Captain Future-Remake.
TSCHILL TSCHALLOW

LONDON GRAMMAR
If You Want
Metal & Dust Recordings

Wir hatten in der Rezensions-Textbaustein-Datenbank gerade alles rausgesucht, was jemals über Florence And The Machine geschrieben wurde. Um Redundanz zu vermeiden und halbwegs originell rüberzukommen in diesem Absatz hier, und um vielleicht sogar zur Abwechslung mal etwas Positives zu schreiben. Als wir dann per Blick aufs Cover den Irrtum bemerkten, war die kurze Hype-Phase von London Grammar leider schon vorbei. Die ganze Welt kennt diese Platte längst, sagt das Internet, und das Internet weiß immer alles. Daraufhin verloren wir schlagartig die Lust an einer Rezension.
JAMIE XY

MENACE BEACH
Lowtalker
Memphis Industries

Geh’ zum Plattenschrank und hol’ dir jeweils eine Platte von Dinosaur Jr., von den Raveonettes, den Breeders und eine von Jay Reatard. Wirf alle vier mit Anlauf aus dem Fenster. Dann leg’ diese 12” auf und freu’ dich darüber, dass es noch Musik gibt, die so klingt wie alle vier vorher genannten zusammen, best of four worlds gewissermaßen, und die trotzdem irgendwie originell und neu ist—nämlich in allen Belangen ein bisschen kaputter und unkalkulierter. Nach sechs Tracks in ungefähr 15 Minuten gehst du dann runter zur Straße und sammelst deine Platten wieder auf, falls du tatsächlich zu den Leuten gehörst, die kritiklos alles machen, was die bekloppten Typen von VICE ihnen sagen.
DEEP KLAUS

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DAMIEN JURADO
Brothers And Sisters Of The Eternal Son
Secretly Canadian

Den Jurado gerade gestern bei einer spontan und nichtöffentlich runtergezupften Solosession erlebt. Kann mich gar nicht entscheiden, was jetzt schlimmer war. Sein nicht enden wollender, pointenleerer Stand-up-Monolog im Sitzen über europäische Frühstückskultur eingedenk der kontextgebunden maßgeblichen Brotqualität oder die dummbrotigen Fragen seines leichtsinnig ins Vertrauen gezogenen Auditoriums („How many sorts of bread did you try?“, „What are you doing for christmas?“, „What bread are you having for Christmas?“, „And by the way, where is Art Garfunkel?“). Man muss diesem Album zugute halten, dass es im Vergleich dazu echt nicht so schlimm ist—der Spoken-Word-Anteil tendiert sogar gegen null. Jedoch schleichen sich diesmal unter die immer frömmelnder anmutenden Weisen nicht mehr ganz so viele konsequent ins Ewige deutende Herzerweicher. Da hat er in der Vergangenheit wahrlich schon größere Brötchen gebacken.
THE HOLY GHOSTBUSTER

SCHLIMMSTES ALBUM DES MONATS

F.S. BLUMM
Up And Astray
Pingipung

Acht Alben zieht F.S. Blumm diese Nummer mit der liebenswürdigen Untertreibung nun schon durch—und nach 15 Jahren muss einfach mal eingewendet werden: Das war in der ersten Wiederholung schon vermessen. Das ist Hybris. Nichts anderes. Diese ewige Pastellfarbigkeit. Diese kauzigen, verkappten Melodien, die nie erwachsen werden dürfen. Saiten immer vorsichtig zupfen, niemals schlagen. Lebensentwürfe sind hier heimlich rausgekrochen. Nicht nur für ihn. Für alle. Für die Ewigkeit. Für immer. Zusammen. Werden uns niemals trennen. In einem 15-Quadratmeter-Club in Tokio werden wir uns zu dieser Dauersendung von Geplugger und Hausmusik nur mit Strickpullis bekleidet ins Nirwana schunkeln.
MORR TET

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BESTES ALBUM DES MONATS/BESTES COVER DES MONATS

BOHREN & DER CLUB OF GORE
Piano Nights
Pias Recordings

Es ist nicht so, als ob sich hier an der Bohrenschen Geheimformel oder dem Bandmantra („Other bands play, Bohren bore“) irgendetwas geändert hätte. Die Ruhr-Krepierer nehmen seit nunmehr knapp 20 Jahren immer wieder das gleiche Album auf und haben wohl bis zum Grauen des letzten Tages keine Weisung über sich als das Speedlimit von max. 20 bpm. Auch das Gerede von der neuerlichen Billo-Klavier-Gewichtung—geschenkt! Es zählt zu den unergründlichen Bohren-Secrets, dass dieses Album nun trotzdem klingen kann, als sei es seinen Vorgängern um Lichtjahre voraus. (Oder müsste es, um der Bandqualität gerecht zu werden, hinterher heißen?) Ich muss schon sagen, es begleitet mich seit Tagen durch miserables Klima, es lässt mich wie in einem Etherballon schwebend Supermarkteinkäufe, Wartestunden im Einwohnermeldeamt und, ja, sogar U-Bahnfahrten (all das in Berlin!) beinahe unbeschadet überstehen—alles scheint nur noch halb so schlimm! Piano Nights ist der Zivi unter den besten Platten dieses Jahres. (Und es stimmt, mit der Aussage kommt man auch schon im Januar locker durch den Lügendetektor). Bohren haben mir mit diesem Album die Lebensqualität auf ein ganz neues Level hochgejazzt und dafür möchte ich ihnen danken.
MY DYING PRIDE

SOLAR HALOS
s/t
Devouter / Broken Silence

Der Schlagzeuger spielt hauptberuflich bei der interessantesten Extreme-Metal-Bands der letzten zehn Jahre—Horseback. Dort hat auch die ihm zur Seite stehende Sängerin/Gitarristin Nora Rogers in frühen Tagen etwas Zeit totgeschlagen und im Rahmen ihres 18-monatigen Praktikums für Jenks Fliegenpilz-Tee gekocht (deswegen redet der immer dieses wirre Zeug, das bis dato die Aufnahme seiner Band ins Metal Archive verhindert hat). Bessere Vorzeichen kann, (Zitat:) „Stoner-Rock“ nicht haben—der erschöpft sich musikalisch weitgehend im Genre üblichen Lava-Riffing, Lava-Geschwindigkeit und einer übergreifenden Duftnote, die nur von Lava-Verbrennungen herrühren kann. Einen entscheidenden Unterschied macht jedoch Nora Rogers, deren Stimme so bemerkenswert ist wie die der (eigentlich) unvergleichlichen Jex Thoth …
RAY BAN

GONGA
Concrescence
ToneHenge/Cargo

Ja, Gonga–das war diese merkwürdige Doom/Stoner-Band, die auf Geoff-„Portishead“-Barrows-Label die Kuriositätennische füllte. Als ihr außergewöhnlicher Sänger Joe Volk die Band verlässt, um weiterhin lieber fortan solo nichts zu machen und sich für einige Zeit als einer von 20 Musikern im Crippled-Black-Phoenix-Kollektiv zu verlustieren, verlieren Gonga auch prompt ihren Vertrag. Kann das Zufall sein? Ihr drittes Album in 15 Jahren veröffentlicht das gesund geschrumpfte Power-Trio nun auf ihrem eigens gegründeten Label, das sie auf den zauberhaften Kiffer-Namen ToneHenge Recordings getauft haben. Das ist kein Post-, kein Stoner-, kein Doom-, kein -Metal, sondern reiner, instrumentaler Hard Rock. So simpel wie gut.
HEIN BLÖD