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Popkultur

Heulsuse der Woche: aufgebrachte Flüchtlingsfeindin vs. asylkritischer Arzt

Eine offensichtlich betrunkene Frau brüllt ihren Flüchtlingshass in die Welt und ein sächsischer Arzt weigert sich, Asylbewerber zu behandeln.

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden.

Heulsuse #1: Eine alkoholbegeisterte Flüchtlingsfeindin

Der Vorfall: Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen und Asyl beantragen, werden in vorläufigen Unterkünften untergebracht und werden mit dem nötigsten versorgt.

Die angemessene Reaktion: Sich freuen, dass wir in einem Land leben, in dem wenigstens das passieren kann, wenn auch die Situation für viele Flüchtlinge mehr als unbefriedigend ist.

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Die tatsächliche Reaktion: (Vermeintlich betrunken) ein Video aufnehmen, in dem man Angela Merkel (vor allem aber auch Asylbewerber) beschimpft.

Wir wissen nicht, wer diese Frau ist. Wir wissen nicht, was sie sonst so in ihrem Leben macht. Wir wissen nur: Sie ist sehr, sehr wütend. Und zwar auf Angela Merkel, Deutschland und alle anderen Idioten, die dem Flüchtlings-„Pack" Fünf-Sterne-Menüs „auf dem Silbertablett" servieren—während deutsche Obdachlose „GAR NICHTS!!!!!" bekommen. Das stimmt zwar nicht, lässt sich aber gut und laut in eine bedrohlich wackelnde Handykamera lallen.

Der Clip, dessen Ursprung wir leider nicht kennen, wurde Mitte der Woche von der Facebook-Seite „Rhetorische Perlen von AfD- und NPD-Anhängern" gepostet und seither über 900 mal geteilt. Das mag zum Einen daran liegen, dass ausrastende Wutbürger immer ein bisschen lustig sind, solange sich ihre wirren Aussagen nicht in reale Gewalt münden lassen, zum anderen scheint die Dame sternhagelvoll zu sein, aber das ist eine reine Vermutung der Facebook-Seite, die dieses Video gepostet hat.

„UND DIE MERKEL!! WIE CHRISTLICH IST DIE DENN EIGENTLICH?", brüllt die zunehmend wütender werdende Frau in die Kamera und vergisst dabei, dass die Nächstenliebe eine der elementaren Säulen des Christentums darstellt. Den gruseligen Höhepunkt bildet aber ihre unheimlich stoisch wirkende Freundin, die kurz vor Ende des Videos noch eben ankündigt, Amok laufen zu wollen—und spätestens hier wünschen wir uns wirklich, dass es sich bei der ganzen Schose nur um zwei betrunkene Frauen mittleren Alters handelt, denen einfach ein bisschen langweilig war.

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Heulsuse #2: Ein asylkritischer Arzt

Symbolbild | Foto: imago | blickwinkel

Der Vorfall: Die ärztliche Sorgfaltspflicht bezieht sich nicht nur auf Deutsche, sondern auf jeden Menschen—und somit auch Flüchtlinge.

Die angemessene Reaktion: Seinen Job machen und Patienten aller Nationalitäten nach bestem Wissen und Gewissen behandeln.

Die tatsächliche Reaktion: Sich öffentlich weigern, Flüchtlinge zu behandeln.

Immer wenn man glaubt, es geht nicht unsympathischer, kommt von irgendwo ein neuer „Asylkritiker" um die Ecke und hängt die Messlatte ein bisschen höher. Umso schlimmer, wenn es sich beim besorgten Bürger nicht um irgendeinen Vollzeit-Facebook-Aktivisten handelt, sondern um jemanden, dessen Profession in der aktuellen Flüchtlingssituation tatsächlich gefragt ist: einen Arzt nämlich.

Wie unter anderem die Freie Presse berichtet, verkündete Dr. Thomas Schädlich, seines Zeichens Internist im sächsischen Ellefeld, bei einer Gemeindesitzung, sich weigern zu wollen, Asylbewerber zu untersuchen. Ein mittlerweile aufgetauchter Mitschnitt der Versammlung liefert mit den johlenden Anwesenden auch abgesehen von den absolut unvertretbaren Aussagen einen recht interessanten Einblick dahingehend, was im sächsischen Hinterland alles so passiert.

Während einer Art Fragestunde schnappt Dr. Schädlich einem anderen Anwesenden das Mikrofon vor der Nase weg, verschränkt in klassischer Wutbürgerpose die Arme und legt los. So richtig. „Die KFH Sachsen hat keinen Behandlungsvertrag mit Asylanten. Das wäre mir neu. Und sie werden es hier nicht erleben, dass ein Arzt auf eigene Kosten so uneigennützig wie Sie Patienten behandelt [lautes Johlen und Klatschen], wo er am Ende kein Honorar bekommt", schnauzt er in die Kamera. Schließlich kämen „10 Prozent der Flüchtlinge" („ich weiß es nicht genau") mit „Erkrankungen" nach Deutschland—beispielsweise mit „offene[n] Tuberkulosen".

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Würde man diese Leute behandeln bzw. zulassen, dass sich deutsche Bürger bei ihnen anstecken, würden wir laut dem AfD-Mitglied „in zehn Jahren so eine Tuberkulose-Resistenz haben, dass sie nicht mehr behandelt werden kann. Weil alle Antibiotika nicht mehr greifen." All das führt er übrigens mit sehr aggressiv mahlendem Kiefer aus, um auszudrücken, WIE WÜTEND er darüber ist, dass man wirklich von ihm erwartet, seinen Job zu machen.

gutefrage.net ist ein Paradies für rechte Asylkritiker.

Aber was passiert mit den ganzen, vermeintlich gefährlich kranken Flüchtlingen, wenn sie nicht von Ärzten behandelt werden? Auch darauf hat das engagierte AfD-Mitglied natürlich eine Antwort: „Das heißt, es gibt eine gesunde Auslese: 80 Prozent sterben, 20 Prozent überleben." Wie man nach so einem Statement noch johlen und klatschen kann, bleibt wohl das Geheimnis der vogtländischen Gemeindemitglieder.

Immerhin: Die Pressemeldungen zum Vorfall sind mittlerweile auch zur zuständigen Landesärztekammer durchgedrungen. Diese nehme die Aussagen aus berufsethischer Sicht „sehr ernst" und werde das Gespräch mit dem Arzt suchen. Der wiederum fühlt sich natürlich zu Unrecht angeklagt. Wie er gegenüber Welt Online verkündete, sei es ihm lediglich um die „ärztliche Grundversorgung" gegangen, im „Notfall" sei er natürlich bereit, zu helfen. Klar.

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Der Gewinner der letzten Woche: Matthias Matussek!