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Wer ist „Die Rechte“, und warum ist sie so aggressiv?

Fackelmärsche und Böller auf Flüchtlingsheime, Todesdrohungen gegen Journalisten: Was wollen die Dortmunder Neonazis?
Foto vom Autor

Am Freitag vor einer Woche hat die rechtsextreme Szene in Dortmund wieder einmal gezeigt, wie viel Mitgefühl sie mit schutzsuchenden Kriegsflüchtlingen hat: Etwa 40 teilweise vermummte Rechte zogen fackelschwingend vor eine frisch eingerichtete Flüchtlingsunterkunft, dabei warfen sie mit Böllern um sich. Im WDR berichten Flüchtlinge davon, dass die Neonazis sogar versucht hätten, in die Unterkunft einzudringen. Einige syrische Flüchtlinge dachten zuerst, die Böller seien Schüsse.

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Die Polizei konnte an dem Abend 13 der Neonazis festnehmen. Nach einer Nacht in Gewahrsam mussten die dann ohne Kleidung nach Hause gehen. Um Spuren zu sichern, hatte die Polizei Jacken, Hosen und Schuhe sichergestellt. Im Internet beschweren sich die Neonazis bereits über diese „Körperverletzung im Amt", und ein Mitglied der Partei „Die Rechte" beschwerte sich offiziell bei der Polizei.

Auch auf den Todesanzeigen, mit denen ich und andere Journalisten letze Woche bedroht worden waren, fand sich der Link auf den Online-Shop desselben „Rechte"-Mitglieds. Spätestens mit dieser Aktion hat sich der Dortmunder Kreisverband dieser Kleinpartei bundesweite Aufmerksamkeit gesichert. Aber wo kommt die Partei her, und warum tritt sie derart aggressiv auf?

1. Wo kommen die her?

Spätestens seit der Gründung der rechten Hooligangruppe „Borussenfront"Anfang der 80er, ist Dortmund so etwas wie eine Nazihochburg in Westdeutschland. In den letzten 30 Jahren waren hier die verschiedensten Parteien und Neonazi-Kameradschaften aktiv. Es gab immer wieder rechte Aufmärsche und brutale Überfälle auf Nazigegner. Die traurige Bilanz allein der letzten 15 Jahre: Viele Verletzte und fünf von Neonazis getötete Menschen in Dortmund.

Was große Teile der rechten Szene in Dortmund von den Klischeevorstellungen in die Tage gekommener Politiklehrer unterscheidet, ist vor allem das Auftreten. Klar, hier gibt es auch die klassischen Nazi-Skins, die man von den Symbolbildern der Presseagenturen kennt. Die wirklich wichtigen Akteure haben allerdings schon seit Jahren begriffen, dass man damit nicht an Nachwuchs kommt. Der Nazi von heute trägt bunte Sneaker statt Springerstiefeln, wohnt in WGs und hört auch HipHop. Dortmund war eine der Städte in Deutschland, in denen dieses Konzept der „Autonomen Nationalisten" zum ersten Mal aufgetaucht ist.

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Die „Autonomen Nationalisten" waren in Dortmund bis 2012 unter dem Namen „Nationaler Widerstand Dortmund" unterwegs. Unter diesem Namen haben sie jahrelang Kundgebungen und Demos angemeldet und sich jede Woche in ihrem „Nationalen Zentrum" getroffen. Weil ihre Aktionen immer mehr an die SA erinnert haben und ihre Inhalte nicht viel mehr als ein billiger Abklatsch des NSPAP-Programms waren, hat das Land Nordrhein-Westfalen diese Gruppe 2012 verboten. Dutzende Wohnungen wurden durchsucht, die Neonazis hatten auf einmal keine Räumlichkeiten mehr, und sogar ihr für Demonstrationen (und nächtliche Überfälle auf Antifas) genutzter Bulli wurde beschlagnahmt.

Überzeugte Neonazis hören deshalb natürlich nicht auf, Neonazis zu sein. Schon wenige Wochen später verkündeten sie, einen Landesverband der Partei „Die Rechte" gegründet zu haben—und nun brave rechtschaffene Parteipolitik zu betreiben.

2. Wer gehört dazu?

Die rechte Ideologie hat sich unter dem neuen Deckmantel der legalen Partei natürlich nicht verändert. Auch die Köpfe der Szene sind dieselben:

Christian Worch

Erst wenige Monate vor dem Verbot des „Nationalen Widerstand Dortmund" hatte der langjährige Neonazi und Holocaustleugner Christian Worch die Partei in Hamburg ins Leben gerufen. Beobachter der rechten Szene hatten damals schon gemutmaßt, dass die Partei vor allem ein Auffangbecken für den Fall eines NPD-Verbots oder andere Verbote von Nazi-Organisationen sein soll. Worch wurde schon in den 70ern für eine Kampagne mit dem Motto „Ich Esel glaube, dass in Deutschland Juden vergast worden sind" bekannt und war Führungsfigur in den später verbotenen Nazigruppen „Aktionsfront Nationaler Sozialisten" und der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei". Worch lebt zwar immer noch in der Nähe von Hamburg, greift den Dortmunder Kameraden aber immer wieder mit Demo-Anmeldungen und ähnlichem unter die Arme.

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Michael Brück

Foto: Felix Huesmann

Michael Brück war schon im „Nationalen Widerstand" eine der wichtigsten Figuren. Nach dem Verbot sorgt es unter anderem dafür, dass es schnell Ersatz für den alten Onlineshop der Dortmunder Neonazis gab. In seinem Nazi-Shop „antisem.it" lassen sich zum Beispiel Pefferspray, Steinschleudern und Nazipropaganda bestellen. Michael Brück studiert mittlerweile Jura und gehört seit Jahren zum festen Kern der rechten Szene in Dortmund. Werbung für „antisem.it" befand sich auch auf den Todesanzeigen für Dortmunder Journalisten, die letzte Woche verbreitet wurden.

SS-Siggi

Wird auch „Deutschlands bekanntester Neonazi" genannt und hat sich mal beschwert, weil er lieber „SA-Siggi" heißen würde. „SS-Siggi", der mit bürgerlichem Namen Siegfried Borchardt heißt, hat in den 80ern die „Borussenfront" mitgegründet und war genauso wie Worch erst in der „Aktionsfront Nationaler Sozialisten" aktiv, dann war er Landesvorsitzender der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei". Als die verboten wurde, war er immerhin noch „Führer" der „Kameradschaft Dortmund".

Die Szenegröße ist wegen verschiedensten Straftaten vorbestraft. Zuletzt wurde er verurteilt, weil er 2012 bei einer Taxifahrt die Zeche geprellt und den Fahrer verpügelt hatte. Bei der Kommunalwahl 2014 war „SS-Siggi" Spitzenkandidat von „Die Rechte" für den Dortmunder Stadtrat und schaffte es sogar einen Sitz zu ergattern. Schon zwei Monate später zog er sich allerdings aus dem Stadtrat zurück—angeblich aus zeitlichen und gesundheitlichen Gründen. Beobachter erzählen, dass er dort auch relativ gelangweilt gewirkt und sich nur mit Mühe durch die Sitzungsunterlagen gequält hätte.

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Dennis Giemsch

Seit Siggi das Handtuch geworfen hat, sitzt nun Dennis Giemsch für „Die Rechte" im Dortmunder Stadtrat. Der Informatikstudent war schon „Kameradschaftsführer" des „Nationalen Widerstands Dortmund" und seit Jahren die wichtigste Figur der Dortmunder Neonazis. Es gilt als relativ sicher, dass Giemsch einen Neonazi-Internethoster mit Sitz in den USA betreibt. Auf den Servern, die in den USA stehen, werden zahlreiche Websites betrieben, auf denen immer wieder auch zu Gewalt gegen politische Gegner aufgerufen wurde. 2014 wurde bekannt, dass sogar der „Islamische Staat" Mailaccounts eines ebenfalls von Giemsch betriebenen Mailproviders nutzt. Im Stadtrat fällt er nicht durch produktive Mitarbeit, sondern vor allem durch provokante Anfragen auf: Im Oktober 2014 wollte er wissen, wie viele Juden in Dortmund leben.

3. Was machen die?

In der ersten Zeit nach dem Verbot des „Nationalen Widerstand" war es für eine Weile relativ ruhig um die Dortmunder Neonazis geworden. „Sie waren aber nicht untätig", erklärte mir Tobias, der seit vielen Jahren in der Dortmunder Antifa aktiv ist. „Mit der Partei ,Die Rechte' haben sie sich eine Struktur geschaffen, mit der sie ihre Aufmärsche und Kameradschaftsabende wie vor dem Verbot weiterführen können."

Seitdem sie im vergangenen Mai einen Sitz im Dortmunder Stadtrat ergattern konnten, haben sie jede „Zurückhaltung in Sachen Gewalt aufgegeben", erzählt Tobias. An dem Abend der Wahl hat ein Mob in einheitlichen gelben T-Shirts versucht, die Wahlparty im Dortmunder Rathaus zu stürmen. Als sich Kommunalpolitiker den „Deutschland den Deutschen" gröhlenden Männern in den Weg stellen wollten, wurden sie mit Pfefferspray und Glasflaschen angegriffen.

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Auch bei den Hogesa-Ausschreitungen im letzten Jahr waren die Dortmunder Neonazis dabei. Tobias erzählt von Migliedern der „Rechten", die in Köln Pressefotografen angegriffen haben. „Das Erstarken von Hogesa und Pegida inspiriert die Dortmunder Neonazis natürlich auch und spornt sie an" meint er.

SS-Siggi, nachdem er bei der HoGeSa in Köln Pfefferspray abbekommen hat. Foto: Felix Huesmann

Im August griffen Neonazis bei einer Kundgebung in der Dortmunder Innenstadt Journalisten und Polizisten mit Pfefferspray an. Als eine ihrer Kundgebungen im Dezember blockiert wurde, packten sie die gesamte Palette volksverhetzender Parolen aus. „Anne Frank war essgestört" riefen sie und machten sich über die Todesopfer rechter Gewalt in Dortmund lustig.

In den letzten Monaten hetzt „Die Rechte" vor allem gegen Flüchtlinge, die nach Dortmund kommen. Bei Informationsveranstaltungen der Stadt setzen sich die Neonazis ins Publikum und versuchen, die Stimmung zu beeinflussen. Bei einer Veranstaltung im Januar beschimpften einzelne Neonazis die Organisatorin von der Stadt dann als „Judenhure" und griffen nach ihrem Rauswurf Polizisten an. „Die wollen natürlich vor allem eine Drohkulisse schaffen und Menschen einschüchtern, die sich mit Geflüchteten solidarisch zeigen" schätzt Tobias dieses Auftreten ein. Die Ereignisse vom Freitag bilden den traurigen (bisherigen) Höhepunkt dieser Kampagne.

Auch die Todesdrohungen gegen Journalisten, die kritische über die rechte Szene berichten, passen gut in dieses Muster. Immer wieder versuchen die Neonazis ihre Gegner einzuschüchtern und zu verängstigen.

Das radikale Auftreten der Dortmunder Neonazis wirkt mittlerweile fast wie ein Schrei nach einem Verbotsverfahren. Kommunalpolitik im Stadtrat scheint nicht annähernd so spannend zu sein wie Fackelmärsche und militantes Gehabe. Vor allem das rechte Fußvolk ist durch volksverhetzende Sprüchen und und Hetzjagden wie bei den „Hogesa"-Demos wesentlich einfacher zu begeistern. Ein Verbot der Partei wird mittlerweile auch immer lauter gefordert, so zum Beispiel von Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau. Die Bundesregierung antwortete auf eine Anfrage der Linkspartei immerhin, dass sie „die Entwicklung der Partei in Bezug auf die Verbotsvoraussetzungen intensiv" beobachte. Ob ein Verbot der „Rechten" dem Neonazi-Spuk tatsächlich ein Ende bereiten kann, ist fraglich. Die Erfahrung hat anderes gezeigt.