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Europawahl 2014

Was würde passieren, wenn Bayern sich von Deutschland trennt?

Die Bayernpartei setzt sich für einen unabhängigen Freistaat Bayern ein. Wie das in der Realität funktionieren soll, erklärt uns der Parteichef Weber.

Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung der Bayernpartei

Falls es euch entgangen sein sollte: Nächstes Wochenende findet die achte Europawahl statt, in Österreich und auch in Deutschland am 25. Mai. Das ist dann unsere Gelegenheit zu bestimmen, welche Parteien und Politiker wir für geeignet halten, sich die nächsten fünf Jahre in Brüssel mit kreativen Gesetzesinitiativen, Lobbyisten-Lunches und den Salatpreisen in der Parlamentskantine herumzuschlagen.

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Auch wenn die Europawahlen bei den österreichischen und den deutschen Wählern immer noch keine historisch-grandiosen Gefühle auslösen (letztes Mal gab es in Österreich 46 Prozent und in Deutschland nur 43 Prozent Wahlbeteiligung): Für einige Parteien und Politiker stellen die Europawahlen eine einmalige Chance dar, auch mal mitzumischen. In unserem Nachbarland gehören paradoxerweise vor allem die europaskeptischen Parteien wie die AfD, die sich zwischen 6 und 7 Prozent der Stimmen erhoffen.

Seit einer gemeinsamen Verfassungsklage von unter anderem NPD und den Piraten braucht man dieses Mal aber nicht mal mehr 3 Prozent, um ins deutsche Parlament einzuziehen—theoretisch kann es jetzt also jede Kleinpartei schaffen. Und da sie jetzt so wichtig werden, haben sich unsere deutschen Kollegen mit den Forderungen einiger dieser Parteien auseinandergesetzt. Heute geht es um die Bayernpartei, die vor allem für eines steht: Den Austritt Bayerns aus der Bundesrepublik Deutschland. VICE Deutschland hat sich von Florian Weber, dem Landesvorsitzenden der Bayernpartei, erklären lassen, warum der Freistaat endlich wirklich frei sein muss.

Florian Weber.

VICE: Herr Weber, warum wollen Sie uns verlassen? Geht es den Bayern so schlecht?
Florian Weber: Nein, es ist ja nicht so, dass bei uns alles schlecht wäre, auch in Deutschland nicht. Es geht vielen wirklich gut. Es gibt aber auch viele, denen geht’s nicht so gut. Und ich glaube, wir könnten wirklich ein solideres Gemeinwesen aufstellen, wenn Bayern eigenständig wäre. Eines, das noch sicherer wäre, das noch gerechter und den Wünschen der Menschen noch entsprechender wäre.

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Ist das überhaupt möglich? Darf Bayern das?
Ja, selbstverständlich! Wenn Sie sich die Europäische Union anschauen, mit ihren 28 Staaten: Bayern wäre der neuntgrößte Staat an Einwohnerzahl! Niemand käme auf den Gedanken, zum Beispiel bei Griechenland zu sagen: „Das darf kein Staat mehr sein.“ Oder Österreich. Allein, wenn sie sich das Bruttosozialprodukt Bayerns anschauen. Und: Bayern hat sowohl die Staatlichkeit, Bayern gab es schon lange vor Deutschland, Bayern ist ein historisch gewachsener Staat, Bayern hat eine Identität, was juristisch gesehen ganz wichtig ist—und damit ist es aus unserer Sich theoretisch denkbar.

Gut, sagen wir mal, das klappt. Bayern ist ab morgen ein unabhängiger Staat. Gäbe es dann wieder Grenzen zu Deutschland?
Nein, natürlich nicht. Wir würden uns selbstverständlich sofort dem Schengen-Raum anschließen. Es würde keine Grenze aufgebaut, es wird auch keine Zollstationen oder ähnliches geben. Wir sollten Europa nutzen, die Dinge, die auf höchster Ebene zu tun sind, auf europäischer Ebene zu lösen. Und die anderen auf der Ebene, wo es wirklich demokratisch wird, nah am Menschen: Das heißt, zurück in die Regionen, in die Länder. Was wir brauchen, ist eine innere Erweiterung der EU, keine äußere Erweiterung.

Das heißt, man würde in Bayern auch weiter mit dem Euro bezahlen?
Ja. Wobei, der Euro ist ein Problem. Die Schwierigkeit ist: Das war ein Fehler, aber jetzt einfach auszusteigen, ist auch problematisch, weil das schon Probleme mit sich bringt. Das ist ein sehr schwieriges Thema. Da macht es die AfD sich ja sehr leicht, wenn sie sagt: sofort raus aus dem Euro! Das ist sehr hübsch gesagt, aber man muss den Leuten auch ehrlich sagen, was das für Folgen hätte.

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Welche Flagge würde der Staat sich geben? Die gute alte blau-weiße?
Weiß-blau.

Ja, Entschuldigung, weiß-blau. Hätten die Wittelsbacher in dem Staat eigentlich irgendwas zu sagen?
Ach, das ist auch eine hübsche Mär, dass die Bayernpartei Royalisten seien, das ist mitnichten so. Bei uns geht es um ein eigenständiges, demokratisches Bayern, wo der Einzelne in hohem Maße Chancen zur Selbstverwirklichung hat, und in dem wir unsere Identität und Kultur bewahren können—ohne dabei Fremde zu verteufeln. Es geht nicht gegen irgendwen, es geht nur darum, die eigenen Werte zu schützen, ohne dabei anderen was Böses zu wollen.

Was passiert mit den Deutschen, die in Bayern leben, die aber keine Bayern sind?
Nach der bayrischen Verfassung haben deutsche Staatsbürger, die in Bayern leben, dieselben Rechte wie bayrische Staatsbürger. Das wär also überhaupt kein Problem. Also, Privateigentum bliebe natürlich vollständig erhalten.

Problematischer wird’s natürlich bei Bundeseigentum, und dem Anteil Bayerns an Bundeseigentum. Weil Bayern natürlich zur Zeit Teil des Bundes ist und damit Teil des Bundesvermögens zu Bayern gehört—gleichzeitig hat der Bund Vermögen in Bayern. Wir hätten da natürlich Vorstellungen: dass man dann, was Bundeseigentum betrifft, sagt: „Wir verzichten auf das Bundeseigentum Bayerns außerhalb Bayerns, dafür verzichtet der Bund auf Bundeseigentum innerhalb Bayerns.“

Ein souveräner Staat hält sich ja gemeinhin eine Armee. Würde Bayern sich auch eine zulegen?
[Nach dem Verzicht des Bundes auf sein Eigentum] hätten wir natürlich auch militärische Anlagen und militärisches Gerät—Kasernen etc.—, was dann in bayrische Hände käme, und damit hätte man dann eine Grundausstattung. Aber da muss man ehrlich sein: Eine bayrische Armee wäre wohl kaum in der Lage, den Herausforderungen der Welt zu begegnen.

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Aber dann auch die Gegenfrage: Ist das die Bundeswehr? Wär es nicht sinnvoller, einige ganz wenige Elemente auf europäischer Ebene zu regeln? Und da gehört Verteidigung dazu. Verteidigungspolitik und Außenpolitik wären klassische Aufgaben für Europa, das heißt, wir treten für eine europäische Verteidigungslösung ein und keine nationale.

Also gut, das Militär macht Europa. Würden Sie denn wenigstens die Gebirgsjäger behalten?
Aber selbstverständlich! Das ergibt sich einfach geographisch. Das ist natürlich keine zentrale Frage, aber natürlich haben wir Gebirge, da ergibt das dann auch Sinn.

Momentan betreiben die europäischen Staaten immer noch eine jeweils eigenständige Außenpolitik. Würde Bayern das dann auch tun?
Dann hätten wir auch eine eigenständige Außenpolitik, ja. Mit Außenminister und allem drum und dran.

Ich habe mal gelesen, dass Sie gerne der bayrische Außenminister sein würden. Stimmt das noch?
Ja natürlich, aber ich hänge mich jetzt nicht an diesem Posten auf, es geht darum: Wenn es einen Außenminister gibt, dann gibt es auch einen eigenständigen bayrischen Staat.

Dann müsste Bayern aber auch eigene Botschaften in anderen Staaten unterhalten. Würde das nicht enorme Kosten verursachen?
Das ist richtig, aber wenn Sie sehen, was Bayern derzeit pro Jahr an den Bund abgibt—und wir reden da nicht nur von den etwas über 4 Milliarden im Länderfinanzausgleich—wenn wir die Abführungen in die Sozialleistungen anderer Länder und alle Abgaben zusammenrechnen und dann gegenrechnen, was der Bund uns abgibt, dann sind wir in einer De-Facto-Größe von 30 Milliarden Euro im Jahr. Da können Sie ganz schön viele Botschaften bauen.

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Was würden Sie denn sagen, wenn dann die Franken oder die Schwaben kommen und Unabhängigkeit von Ihnen verlangen?
Na ja, nicht dass mich das freuen würde. Ich persönlich finde, dass das mit unseren fränkischen und schwäbischen Mitbürgern sehr gut läuft. Wenn da aber Mehrheiten sind, die das nicht so sehen, dann muss man das Recht auch gelten lassen. Wenn wir uns das Recht herausnehmen, müssen wir das auch anderen zugestehen.

Aber wir möchten auch innerhalb Bayerns mehr Föderalismus, denn die Freiheit und die Mitbestimmungsrechte müssen dem Menschen gegeben werden. Das würde bedeuten, dass die Bezirke deutlich aufgewertet werden, und das würde auch den Franken und den Schwaben die Möglichkeit geben, ihre kulturellen Eigenheiten auszuleben.

Machen Sie sich denn keine Sorgen um die Außenwirkung? Wie sollen zum Beispiel die Amerikaner uns noch ernstnehmen?
Nun gut, ich gebe zu, das ist nicht meine allererste Sorge. Aber es gibt vielleicht andere, die sagen, wie soll ich mich denn da zurechtfinden? Die finden sich aber auch in anderen Regionen zurecht. Europa ist doch heute schon für viele US-Amerikaner ein Flickenteppich. Da möchte ich mal wissen, ob die den Unterschied überhaupt bemerken. Und ist das ein großes Problem? Eigentlich nicht.

Na ja, im Moment ist Deutschland ja Exportweltmeister. Und ich frage mich eben, wie seriös das dann noch nach außen wirkt.
Tja, dann ist die Frage: Ist der Schein wichtig, oder ist das Sein wichtig? Wenn wir den Schengen-Rahmen sofort übernehmen, dann haben wir da überhaupt kein Problem: kein Währungsproblem, kein Umrechnungsproblem, kein Zollproblem, gar nichts.

Warum will die Mehrheit der Bayern denn immer noch nicht unabhängig sein?
Wir wissen auch, dass die Mehrheit der Bayern die Eigenstaatlichkeit noch nicht anstrebt. Das heißt, mir ist klar, dass das nicht von heute auf morgen passiert. Das ist ein politischer Entscheidungsprozess, den wir in unserem Sinne voranzutreiben versuchen. Man versucht eben, Menschen von seiner Idee zu überzeugen, weil man glaubt, dass es die beste Idee ist.