Videomaterial des Zwischenfalls von einem ukrainischen AugenzeugenAls das Tränengas in den Wagen drang, hatte ich mein Gesicht bereits mit meiner Kapuze bedeckt. In meinem Mund spürte ich kleine Glasscherben. Das Fenster war zertrümmert. Meine Freunde schrien. Ich fragte mich, ob ich sterben würde.
So naiv es sich auch anhört, ich glaubte nicht, dass uns in der Ukraine irgendetwas Schlimmes zustoßen würde. Unsere Crew war bereits zweimal zuvor in der Ukraine gewesen, um eine Dokumentation über ein Waisenhaus in Mariupol, einer Stadt, die weitab der chaotischen Situation in Kiew und der Krim liegt, zu drehen. Die Menschen vor Ort berichteten uns, dass die Lage friedlich war—und wenn es zu Gewalttätigkeiten kam, dann nur vereinzelt—und sie in den Medien übertrieben dargestellt wurde.
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Das splitternde Glas ließ mir keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Ich entschuldigte mich bei unserem Tontechniker George und sagte, dass es mir leid tut, dass ich ihn zu diesem Trip überredet habe und er dafür seine schwangere Frau und seinen Sohn verlassen hat.Gerade als unser Fahrer dabei war den Van in Bewegung zu setzen, griff jemand nach seinen Armen, so dass er das Lenkrad verriss und den Wagen in einen parkenden Truck steuerte. Eine weitere Hand sprühte Tränengas in unser Auto während immer mehr Dinge gegen die Karre geworfen wurden. Der Van war total zerstört. Die Reifen zerstochen und die Menge schaukelte das Auto hin und her und versuchte es umzustürzen.Irgendwie schaffte es unser Fahrer doch noch, sich zu befreien und den Wagen ein paar Meter zu bewegen, bevor der Mob uns wieder einholte. Als ich aus dem Fenster blickte, sah ich plötzlich ein kleines rotes Auto, in dem ein paar Männer saßen. Filipp brüllte, dass wir uns klein machen sollten. Sie zerschossen einen weiteren Reifen mit einer kleinen, selbstgebauten Pistole. Unser Fahrer gab Gas und wir entkamen, indem wir auf den bloßen Felgen fuhren.Wir landeten auf einer Polizeiwache, wo wir auch John, Gennadiy und Vitalik wiedertrafen. Wie durch ein Wunder konnten sie alle entkommen. Wir wurden daraufhin zum Flughafen eskortiert und warteten dort 15 Stunden auf unseren Flug.Ich werde diesen Tag niemals vergessen. Ich werde wohl nie verstehen, weshalb Wildfremde versuchten, uns zu verletzen. Und wie Vitalik und Gennadiy, die im Grunde Fremde für uns waren, uns mit ihrem Leben verteidigt haben, als wir zu schwach und verängstigt waren, werde ich auch nie vergessen.