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Bis so guet

Du bist zu schnell für Ruth Dreifuss

Dass der Rechtsstaat in westlichen Gesellschaften als Selbstläufer eingestuft wird, liegt nicht am politischen Desinteresse.

Foto: Ruben Sprich/Reuters

Ich habe Nachrichten geschaut. In der Sendung wurden britische Bürger zu dem Zwischenfall beim Guardian befragt. Ein Team des britischen Geheimdienstes hatte die Redaktion des Traditionsblattes aufgesucht und die Journalisten dazu gezwungen, Informationen zum NSA-Skandal zu vernichten. Das ist mehr als ein kleiner Eingriff in die Pressefreiheit. Erschreckend genug, dass das in einem Rechtsstaat einfach so möglich ist. Viel erschreckender fand ich allerdings die Reaktionen der Befragten. Denen schien die ganze Angelegenheit irgendwie egal zu sein. Der Guardian würde ja trotzdem weiterhin investigativ arbeiten.

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Ich habe mich gefragt, wo solche Antworten wohl ihre Wurzel haben. Offenbar wird der Rechtsstaat in etablierten Demokratien als eine Selbstverständlichkeit angesehen. Ein Zwischenfall wie dieser scheint dieses Denken nicht vom Sockel zu hauen. Das ist ziemlich scheisse. Ein kurzer Blick zum Beispiel nach Ägypten macht mehr als deutlich, dass ein Rechtsstaat alles andere als selbstverständlich ist.

Die NSA-Affäre, der Angriff auf die Freiheit der Berichterstattung, die ja einer Demokratie erst das Überleben sichert - das scheint die Menschen nicht mehr zu elektrisieren. Die Übermacht des Staates wird hingenommen. Schlimmer noch, sie wird ignoriert. Vielleicht auch von zu vielen aus unserer Generation, der ja gerne  politische Desinteresse vorgehalten wird? Aber dieses Erklärungsmuster ist mir zu simpel.

Foto: Picture Alliance/ dpa

Grundsätzlich gäbe es viele Erklärungsansätze für dieses Phänomen. Konsumzwang, Daniela Katzenberger, Schaumparties und MDMA. Hauptsache Spaß. Irgendwie glaube ich nicht, dass wir ein Haufen hoffnungsloser Hedonisten sind, denen alles scheißegal ist. Vielleicht sind nicht nur wir daran schuld, sondern auch die Welt in der wir leben? Vor allem aber, wie sie von uns einfordert zu leben. Hast du mal deine Eltern gefragt, wie viele Praktika sie während ihres Studiums absolviert haben? Wie lange sie studiert haben und wie sie in die Arbeitswelt geraten sind? Die Antworten lauten: Nö, und 9 Semester, und hat sich so ergeben. Drei Antworten die wir uns nicht mehr vorstellen können. Ein allseits präsenter Leistungsdruck fordert von uns Effizienz, präzise Entscheidungen und schnelles Handeln. Und ähnlich hat sich unsere Informations- und Kommunikationswelt verändert. Newsticker, Whatsapp und Twitter sorgen dafür, dass Nachrichten und Entscheidungen in Sekundenschnelle ausgetauscht werden.

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Foto: holidaycheck.de

Wir haben uns daran gewöhnt. Unsere Flexibilität steigt. Wir wollen schnell  und effizient arbeiten, leben und handeln. Womit dieses Konzept nicht zusammenpasst ist mehr als offensichtlich: Demokratie. Demokratie ist langsam. Entscheidungsprozesse ziehen sich über Monate hin und bis die Wirkung eines Beschlusses sichtbar wird, sind weitere Jahre vergangen. Politik ist ein komplexes Geschäft. Entscheidungsträger müssen sich informieren, sich untereinander verständigen und Kompromisse finden. Das kostet Zeit, lässt aber das System in dem wir leben, schwerfällig und ineffizient wirken und passt offensichtlich nicht mit unserem Lebenswandel zusammen. Warum also soll jemand, der in allen anderen Bereichen seines Lebens auf Geschwindigkeit und Wirksamkeit getrimmt wird, beim Thema  Politik plötzlich anders denken? Keine Frage, Demokratie ist aktuell das beste System. Aber auch das Beste kann besser werden.

Foto: Stephanie Pilick/dpa

Vielleicht ist unsere Generation zu schnell geworden für das beste System. Anstatt eine moderne Generation mit neuen Ideen in Frage zu stellen, könnte man sich ebenso darüber Gedanken machen, wie man die Demokratie an unser Tempo anpassen könnte. Dann müssten wir uns aber kurz die Zeit nehmen und das Projekt selbst in die Hand nehmen.

Damit ihr das ernsthafte Gedankengut, generiert durch diesen Kommentar, schnell wieder beseitigen und unsere Reputation der Spaßgesellschaft bestätigen könnt, gebe ich euch für dieses Wochenende folgende Tipps:

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Am Donnerstag  solltet ihr ins La Catrina gehen. Dort werden Déesse euch mit ihrem fabelhaften Wave-Pop bespielen. Um 22 Uhr geht’s los.

Freitag könnt ihr Teil einer Ausstellungseröffnung werden! Drei Künstler aus Zürich, London und Chicago, die interaktive und digitale Kunst schaffen, laden ein. Treffpunkt ist das Cabaret Voltaire. Von dort aus werdet ihr an einen Secret Spot geführt.

In Bern ist auch was los. Das Kollektiv audiotheque ist unlängst über die Berner Stadtgrenzen hinaus bekannt. Am Freitag bringen Boris Why, Huazee und Robel mit ihren Deep-House-Sets das [Bonsoir](http://www.bonsoir.ch/ https://soundcloud.com/audiotheque) zum Tanzen.

Samstag ist in Zürich Quottom Launch). In der Zitrone werdet ihr ab 18 Uhr empfangen. Um 20 Uhr wird’s ernst, dann wird die zweite Ausgabe des Jahres präsentiert. Danach wird im Revier gefeiert.

Für Musik-Liebhaber gilt es am Samstag nach Lausanne zu tingeln. Das FOR NOISE Programm erreicht seinen Höhepunkt: Crystel Castles, Franz Ferdinand, Poliça und und und …

Wer ein kleines, aber feines Rockkonzert vor Ort erleben will, dem seien die Herren von Here Hare Here empfohlen, die im Leichtsinn am Kornhausplatz alles andere als leichtsinnig ihre Instrumente zum Einsatz bringen.

Am Sonntag solltet ihr dann wieder in Zürich sein. Das „Les Digitales“ geht in die dritte Runde und erwartet euch mit einem tollen Line-Up.