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Wir vergewaltigen die Erde auf Pump

Ab heute lebt die Menschheit im Ressourcen-Dispo. Wir haben jetzt schon mehr Rohstoffe verbraucht, als die Erde in einem Jahr produzieren kann.

Foto von Michael/Flickr

Seit ein paar Jahren bekomme ich immer, wenn die Sommertage kürzer werden und und wir langsam merken, dass es bald Herbst wird, eine Mail, die den Welterschöpfungstag ankündigt. Diese Mail kommt jedes Jahr ein bisschen früher. Und damit sind wir schon beim Kern des Problems.

Anhand der Berechnungen des Global Footprint Network (GFN) wird der Welterschöpfungstag auf jenen Tag des Jahres gelegt, an dem wir—die menschliche Zivilisation, die zahlenmäßig und in ihrem Verlangen nach Dingen unaufhörlich wächst—in unserer Gesamtheit beginnen, mehr Ressourcen zu verbrauchen, als jährlich regeneriert werden können. Wir befinden uns in einem Zustand ökologischer Erschöpfung (deshalb der Name, duh).

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Absolut und nach geologischen Maßstäben betrachtet wäre es übertrieben, zu behaupten, dass wir die lebensspendende Fähigkeit des Planeten permanent verringern würden. Doch in einer menschheitlichen Größenordnung tun wir genau das. Um es in der Sprache der Wirtschaftsökologen auszudrücken: Wir brauchen Naturkapital auf.

Dieses Jahr wurde der Welterschöpfungstag auf den 20. August datiert, zwei Tage früher als im letzten Jahr. 2011 fand er am 27. September statt, wobei der große Sprung zwischen den beiden Jahren eher auf veränderte Berechnungsweisen als auf einen nachvollziehbaren Wandel im Ressourcenverbrauch zurückzuführen ist. In Zahlen bedeutet das, dass die menschliche Zivilisation mehr als 1,5 Mal soviel verbraucht, wie die Erde an Rohstoffen bereithält. Wir bräuchten eigentlich einen halben Planeten zusätzlich, um uns nachhaltig versorgen zu können. Legt man die gegenwärtige Entwicklung zugrunde, bräuchten wir bis zum Jahr 2050 sogar einen ganzen Planeten mehr.

Es gibt plausible Bedenken gegenüber dem Konzept: Es ist schwierig, den weltweiten Konsum zu bemessen und ihn mit der ökologischen Produktivität der Erde in Bezug zu setzen. Der 1,5-Planeten-Vergleich gilt für alle Nationen, aber es gibt beträchtliche Diskrepanzen im jeweiligen Verbrauch. Derzeit weist China aufgrund seiner Bevölkerungszahl den insgesamt größten ökologischen Fußabdruck auf, doch sind die Auswirkungen, trotz der mangelnden Nachhaltigkeit, pro Kopf weit geringer.

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Wenn jeder Mensch auf der Welt wie ein durchschnittlicher Chinese leben würde, bräuchten wir nur den 1,2-fachen Wert der natürlichen Ressourcen unseres Planeten. Allerdings kommt China hierbei die weite Ausdehnung des Landes zugute. Wenn jeder Mensch wie ein durchschnittlicher Amerikaner leben würde, bräuchten wir vier Planeten. Nähmen wir einen durchschnittlichen Katarer, dann würden wir sieben Planeten benötigen.

Doch so weit wird es offensichtlich gar nicht erst kommen. Noch bevor die ganze Welt erschöpft ist, werden regionale ökologische Zusammenbrüche oder Konflikte auftreten (was ja bereits geschah). Einen Einblick, wie der Konflikt beginnen könnte, vermittelt ein weiteres Ergebnis der GFN-Berechnungen: Es wird gezeigt, welche Nationen ökologische Schuldner oder Gläubige sein werden, das heißt welche Nationen mehr Ressourcen verbrauchen, als innerhalb ihrer Grenzen zur Verfügung stehen.

China verbraucht momentan den 2,5-fachen Wert seiner Ressourcen, das von Importen abhängige Japan überschreitet seine Kapazitäten um den Faktor von 7,1, die ressourcenreichen USA konsumieren 1,9 Vereinigte Staaten, und Indien bräuchte 1,8 Mal so viele Rohstoffe wie es sollte. Die zusätzlichen Ressourcen, die jedes der Länder für seinen momentanen Lebensstil und Konsum benötigt, muss von außerhalb des jeweiligen Territoriums besorgt werden.

Unabhängig davon wird das Endspiel um unsere jetzigen Ressourcen dazu führen, dass die Menschen—sei es freiwillig oder gezwungenermaßen—ihre Gewohnheiten ändern. Wenn sich der gesamte Ressourcenverbrauch im Rahmen der jährlichen Regenerationsmöglichkeiten des Planeten befände, wäre der Druck bereits gemindert. Selbst wenn der Konflikt um Ressourcen—eine die Geschichte durchlaufende und alle anderen Faktoren übertreffende Streitquelle—nicht aus der Welt geschafft wäre, so wäre das Konfliktpotenzial durch eine solche ökologisch tragbare Lebensweise zumindest beträchtlich gesenkt.

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Die GFN weist darauf hin, dass die gesamte Menschheit vor einem halben Jahrhundert etwa zwei Drittel der weltweit vorhandenen Rohstoffe verbrauchte. Obwohl auch damals jahrtausendelang vorhandene Ressourcen regional zum Erliegen kamen und dadurch zuweilen eine bestimmte lokale bzw. regionale Industrie oder Kultur unterging, war die Erde als Ganzes eher dazu in der Lage, die jährlich verbrauchten Rohstoffe zu erneuern. Im Unterschied hierzu könnten heutzutage weit größere Landstriche kollabieren.

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