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The Fiction Issue 2013

Jailbait

Dieser Auszug ist aus dem noch unveröffentlichten Roman „Home“ von Zelly Martin. Es handelt von einem jungen Mädchen, die einen älteren Typen abschleppen will. Die Autorin selbst ist auch erst 18.

Foto von Marilyn Minter

Sie lernte Jack auf einer Party kennen, die ihre Stiefmutter für ihren Dad veranstaltete. Sie saß allein gelangweilt in der Ecke, als sich Jack neben sie setzte. Er trug einen Anzug ohne Krawatte und schöne Schuhe. Seine Augen hatten ein tiefes, klares Blau, wie die ihren, und sein Haar war hellbraun. Er wirkte jung und braungebrannt und sah gut aus. Sie redeten 20 Minuten lang auf dem Sofa und später am Telefon weiter. Er half ihr beim Zugangstest für das College. Als sie in einem Übungstest 1.400 Punkte erreichte, führte er sie zum Abendessen aus. Er bestellte Muscheln. Als sie sagte, dass sie noch nie welche gegessen hätte, zupfte er eine aus der Schale, fuhr damit durch die Schüssel und hielt ihr die Gabel hin. Erst wollte sie sich über den Tisch lehnen und sie von seiner Gabel essen, doch dann nahm sie ihm die Gabel aus der Hand. „Weißt du, in der Mittelstufe habe ich es mal mit Cheerleading versucht.“ „Echt?“, meinte Jack. „Mmhmm.“ Marie nickte und setzte sich gerade hin. „Im ersten Jahr habe ich es nicht geschafft, und dann habe ich es nie wieder versucht. Das bedauere ich wirklich. Ich glaube allerdings nicht, dass ich der richtige Cheerleader-Typ bin.“ Jack bestand darauf, sich ein Dessert zu teilen, und draußen hielt er ihr die Tür auf. Sie stiegen in sein Auto und sie ging die Radiosender durch, bis sie ein Biggie-Smalls-Mash-up fand. Als Marie und Jack vor Maries Haus anhielten, drehte sich Jack zu ihr. Sie saß mit einer Zigarette zwischen den Fingern auf dem Beifahrersitz, die nackten Füße auf dem Sitz. „Du erinnerst mich an ein kleines Kind“, sagte er. „Bloß nicht.“ „Ein rauchendes kleines Kind.“ Marie stieß den Rauch aus. Sie sagte: „Möchtest du kurz mit reinkommen?“ „Haben deine Eltern denn nichts dagegen?“ „Nein, sie sind eh schon im Bett. Solange wir sie nicht aufwecken, ist es ihnen egal. Wir können durch mein Fenster reinklettern.“ Es kostete sie noch ein wenig Überredung, aber das war es wert, fand sie. Eigentlich erlaubte sie sich nicht zu hoffen, dass es das wert wäre, aber andernfalls wäre sie ganz sicher enttäuscht. Sie kletterten den Baum neben dem Haus hoch. Er hatte dicke Äste und viel Platz für die Füße, aber Maries Kleid blieb ständig hängen und Jack hatte weniger Übung im Bäumeklettern, als Marie gedacht hätte. Das machte ihn noch sympathischer. Beide schafften es auf den Ast neben dem Dach. Jack stieg über Marie aufs Dach, wobei ihre Beine sich berührten. Er öffnete ihr Fenster und hielt ihr dann seine Hand hin. Sie griff danach, stieg auf das Dach und fiel dann mit dem Kopf voran in ihr Schlafzimmer. Sie lachte und drehte sich um, um Jack zu helfen, aber er war schon drin. Er saß auf ihrem Bett, und sie setzte sich neben ihn. Er legte sich auf den Rücken. Sie legte sich dazu. Eine Minute lang waren sie beide still. Marie spürte jedes Blinzeln, und das Geräusch ihres Atems. Es begann zu regnen. Der Geruch erinnerte Marie an Seattle. „Aber dieser Regen ist eher ein Texas-Regen“, dachte sie. „Jack?“, fragte sie. „Was bin ich für dich?“ „Eine Freundin. Jemand Ebenbürtiges.“ „Gut.“ Marie drehte sich zu ihm um. „Jack, wenn ich dich etwas frage, versprichst du mir dann, ehrlich zu antworten? Das macht mir nichts aus, wenn du ehrlich bist. Ich möchte es nur wissen.“ „OK.“ „Findest du mich hübsch?“ „Ja.“ „Wirklich? Du musst das nicht sagen, wenn du es nicht so meinst.“ „Wirklich, Marie, du bist sehr hübsch.“ „Danke“, sagte Marie. „Jack?“ „Ja?“ „Fühlst du dich zur mir hingezogen? Und bitte sei ehrlich. Das macht mir nichts aus.“ „Ja, Marie.“ Sie lächelte. Sie hatte das Verlangen, zu ihm zu fassen, also drehte sie sich auf ihre andere Seite. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, ihre Atmung zu verlangsamen, um so tun zu können, als würde sie schlafen. Sie sagte: „Ich habe Angst, dass du gleich einschläfst und ich nicht, und dann bin ich allein.“ Jack setzte sich hin. Er sah ein Buch auf ihrem Nachttisch und nahm es in die Hand. „Ich liebe diese Reihe“, sagte er. Er öffnete es und las ein paar Zeilen laut vor. „Ja, ich liebe diese Stelle“, sagte Marie. Sie setzte sich hin. „Auch wenn es da um Religion geht.“ „Das glaube ich nicht. Ich weiß, dass die Leute das sagen. Aber ich glaube, es geht einfach um das, was da steht. Um ein Mädchen, das an einen Strand gespült wird.“ Sie saßen nebeneinander. Sie sollte ihn mit den Beinen umschließen oder ihren Kopf an seine Brust legen. „Möchtest du immer noch mit mir befreundet sein?“, fragte sie. Er nahm sie in die Arme, so wie ein Vater oder ein Onkel. „Wäre es etwas anderes, wenn ich 18 wäre?“, fragte sie. „Wie meinst du das?“ „Ich meine, magst du mich?“ „Ja, Marie.“ „Würdest du mich anlügen?“ Sie musste aufpassen, jetzt nicht aufgeregt zu werden. „Nein, Marie.“ „Wenn ich es nicht überall in der Stadt erzähle, was spielt es dann für eine Rolle, ob ich jünger bin? Könnte das nicht unter uns bleiben? Warum spielt Alter überhaupt eine Rolle? Jeder ist anders. Warum hat man sich überhaupt auf 18 geeinigt? Ich kenne 18-Jährige, die absolut nicht erwachsen sind. Das sollte man von Fall zu Fall entscheiden, wenn es nicht so schwierig und zeitaufwändig wäre.“ „In einigem hast du recht“, sagte Jack. Marie versuchte, ein ernstes Gesicht zu machen, aber sie musste sich beherrschen, nicht vor Freude zu strahlen. Sie drückte ihr Gesicht in das Kissen, drehte sich dann um und schaute zu ihm hoch. Ihre Schultern wurden nach unten gedrückt, was etwas unbequem war und sicher sehr unvorteilhaft aussah. „Was, zum Beispiel?“ Jack lächelte sie nur an und wandte sich dann ab. Es war das erste Mal, dass Marie ihn verlegen erlebte. „Wenn ich 18 wäre, würdest du mich dann küssen?“ Sie fühlte sich ein wenig aufdringlich, aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Jack legte sich hin, atmete in ihr Haar und sagte: „Ja, Marie.“ Er drehte ihr Gesicht zu ihm und fuhr mit dem Finger über ihre Lippen. Sie lächelte mit geschlossenem Mund. Er zog seine Hand zurück. Dann strich er ihr durchs Haar, legte seine Hand in ihren Nacken und zog ihr Gesicht zu ihm, um sie zu küssen. Mit diesem Moment wurde Marie zur Schulabbrecherin.

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