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Popkultur

Fünfzehn Jahre später ist 'Fight Club' immer noch scheiße

Der Film ist auch 15 Jahre später genauso sexistisch, pseudointellektuell und verlogen wie damals.
Eine Szene aus David Finchers Fight Club, im Bild Brad Pitt

Als Fight Club damals rauskam, war der Film die vernichtendste Kritik an der Konsumkultur, die mir je untergekommen ist. Man muss bedenken, dass ich damals 16 war, also hatte ich noch nicht so viele Kritiken an der Konsumkultur gesehen. Ich bin jetzt natürlich nicht mehr 16 Jahre alt und Fight Club feiert schon bald seinen 15. Geburtstag. Letztens gab es auf der Comic-Con ein Tribut an den Film—Regisseur David Fincher und Autor Chuck Palahniuk waren auch anwesend. Anfang nächsten Jahres wird eine Graphic-Novel-Fortsetzung zu Palahniuks Ode an Alpha-Männchen veröffentlicht.

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Fight Club entspricht wieder dem Zeitgeist und so entsprechen logischerweise auch schon viele der Grundthemen des Films und viele der Vorhersagen über den Verfall der westlichen Welt inzwischen der Wahrheit. Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und den Leuten, die geschworen haben, diese zu beschützen, beherrschen die Straße, die Einkommenskluft wird ständig größer und Unternehmen vereinigen sich mit der Geschwindigkeit einer Zellfusion. Wenn man all dies bedenkt, dann macht es nur Sinn, dass wir uns Finchers und Palahniuks nihilistisches Märchen wieder ins Gedächtnis rufen. Das Problem dabei ist aber, dass wir etwas wertschätzen, dass genau so widerwärtig ist wie das, was es kritisiert.

Szene auf Fight Club. Edward Norton schlägt Brad Pitt

Seit gut zehn Jahren habe ich keinen Fuß mehr in eine Studentenbude oder einen Pop-Kultur-Merchandise-Laden gesetzt. Deshalb führte ich ein Leben, in dem keine allgegenwärtigen Fight Club-Poster existieren. Ich habe mehr oder weniger vergessen, dass es den Film überhaupt gibt. Die Tatsache, dass dieser jetzt plötzlich wieder so beliebt ist, ließ in mir allerdings den Wunsch aufkommen, herauszufinden, ob einer der Lieblingsfilme meiner Teenager-Jahre immer noch gut ist, oder ob ich als junges Mädchen einfach nur dumm war.

Beim erneuten Schauen des Films kam ich zu dem Schluss, dass ich als junges Mädchen tatsächlich dumm war, denn: Alle Teenager sind dumm. Dummheit gehört zu dieser Zeit deines Lebens genau so dazu wie Akne, sexuelle Probleme und die Vorstellung, dass Anarchie eine wirkliche Lösung für alle gesellschaftlichen Probleme darstellt.

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Fight Club – 15 Jahre später

Ich habe mir den Film illegal runtergeladen, denn das hätte Tyler Durden so gewollt. Ich konnte richtig hören, wie mich seine Stimme beschwört: „Protestiere gegen diese ganze Maschinerie.“ Nachdem ich mir einen schönen Drink mit viel Umdrehungen eingeschenkt und eine neue Packung Zigaretten aufgemacht hatte (auch das hätte Tyler so gewollt), machte ich mich an die Urteilsbildung.

Edward Norton, der namentlich unbekannte Protagonist aus Fight Club, mit einer Bandage im Gesicht

Während dem Vorspann geht man auf eine, was nicht wirklich überraschend ist, 90er-mäßige, abgefahrene Cyberpunk-Reise durch die Hirnsynapsen, während dazu nichtssagende, sehr unnatürlich und digital klingende Musik ertönt. Die ganze Bildsprache ist so veraltet wie die dem Film zugrunde liegende Idee, dass die Gesellschaft irgendwie vor sich selbst gerettet werden kann, was auch irgendwie nicht wirklich überraschend ist. Das Ganze erinnert an ein Videospiel, was logisch erscheint, denn es soll ja denen gefallen, die überteuerte Videospiele zocken, wenn sie nicht gerade daran denken, wie beschissen Zivilisation und Kapitalismus sind. Nach dem Vorspann sieht man eine Pistole im Mund des Hauptdarstellers. Ziemlich extrem, oder? Werdet ihr mit dieser Intensität fertig, ihr Schäfchen?

Unser an Schlaflosigkeit leidender Erzähler ist die Verkörperung der Anomie der modernen Welt—verloren und allein in einem Meer aus Starbucks und Ikea-Möbeln. Auf der Suche nach einem Sinn besucht er Hodenkrebs-Selbsthilfegruppen—die Männer, die er dort trifft, sind keine Männer, denn sie können weinen, sich gegenseitig umarmen und sich selbst bemitleiden. Einer aus der Gruppe namens Bob hat Titten—die machen ihn noch weniger männlich. Wie unmännlich er ist? Er hat Titten. Ende der Diskussion.

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Als unser Erzähler seine unmännliche Umgebung und Bobs Titten zu schätzen lernt, kann er auch endlich wieder sanft dahinschlummern. Aber nur, bis sie auftaucht. „Sie. Zerstörte. Alles.“ Wie sollte es auch sonst sein? Wie verrückt ist sie? Sie raucht in Krebs-Selbsthilfegruppen! Sie läuft einfach auf eine viel befahrene Straße! Sie beklaut andere Leute! Sie verursacht bei unserem Erzähler wieder Schlaflosigkeit! Sie ist die Definition einer Femme Fatale und ihr Dasein als einzige weibliche Kraft in einem Film, in dem sonst keine andere Vertreterin des schöneren Geschlechts vorkommt, kann nicht oft genug betont werden.

Marla Singer aus Fight Club, gespielt von Helena Bonham Carter

Als klassisches nervliches Wrack ist sie eine Leere, die Tyler fickt, um den Erzähler vor ihrer Fähigkeit, dir das Leben auszusaugen, zu warnen. Er fickt sie hart, quasi das Fick-Äquivalent zu dem Club, dem sie wegen ihres Geschlechts und der damit verbundenen Unzuverlässigkeit nicht beitreten kann. Durden sagt dem Erzähler, dass er nie mit ihm über sie reden dürfe, weil sonst die epische Bromance der Beiden vorbei wäre—kein Paradies mehr bestehend aus dem total heterosexuellen Aufhalten im gleichen Badezimmer wie ein badender Durden. „Hätte ich doch nur ein paar Minuten länger damit vergeudet und Marla Singer beim Sterben zugesehen“, beschwert sich der Erzähler, „dann wäre nichts von all dem passiert.“

„Wir sind 'ne Generation von Männern, die von Frauen groß gezogen wurde“, sagt Durden, während er wieder auf total unschwule Weise direkt neben der gequälten Psyche des Erzählers in einer Badewanne liegt. Für von Frauen aufgezogene Männer scheinen sie diese gar nicht zu brauchen. Schon witzig irgendwie. „Unsere Väter waren unser Bild von Gott“, verkündet Durden. „Unsere Väter haben sich verpisst. Was verrät dir das über Gott?“ Die Antwort auf diese Frage: Gott ist anscheinend ein Mann und Frauen können niemals unsere Erlöser sein.

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„Mir taten die Fitness-Typen leid, die versuchten, so auszusehen, wie es ihnen Calvin Klein oder Tommy Hilfiger einredeten“, sagt der Erzähler. „Sieht so ein Mann aus?“ Als Antwort auf die Gucci-Werbung, die beide anstarren, lacht Durden und erklärt: „Selbstverbesserung ist Masturbation. Selbstzerstörung dagegen …“ Danach kommt ein Schnitt und man sieht zwei oberkörperfreie und durchtrainierte Männer—ähnlich denen aus der Gucci-Werbung—, die sich gegenseitig die Scheiße aus dem Leib prügeln.

Brad Pitt im Fightclub

Die Gewalt, die sie dabei anwenden, grenzt schon an Pornografie. Die Gesellschaft hat Männern nie eingeredet, dass echte Männer nicht kämpfen oder ihren animalischen Instinkte nicht zeigen dürfen. Eher das Gegenteil ist der Fall. War Machine ist zwar gerade Hassobjekt Nummer eins, aber MMA bleibt trotzdem eine der beliebtesten Sportarten der modernen Zeit. Gewalt ist in. Gegen was genau versuchen diese Typen also eigentlich zu rebellieren?

Eine Szene erinnert an eine moderne Version von Allen Ginsbergs Howl. Der Erzähler redet davon, wie er sieht, dass die klügsten Köpfe dieser Generation beim Tanken helfen, weiße Hemden tragen und einem verhassten Job nachgehen, damit sie sich Zeug kaufen können, das sie nicht brauchen. „Unser großer Krieg ist ein spiritueller“, sagt er. „Unsere große Depression [dramatische Pause] ist unser Leben.“ Er und die demographische Gruppe, die sein Charakter vertreten soll, wurden dazu erzogen, an die auf jeden Fall stattfindende Erfüllung zu glauben, aber bis jetzt erschien es ihnen unmöglich, diese zu erreichen. Und jetzt rate mal. Sie sind deswegen „sehr, sehr wütend.“ Das gleiche Argument bringen „nette Typen“ auch immer an, wenn sie keine Frau abkriegen—„Mir wurde das versprochen und ich habe es verdient, warum klappt es also nicht?“, fragen sie ins Leere.

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Beim Schauen dieser Szene wurde mir klar, dass Fight Club das Reddit der Filme ist.

Die meisten haben Fight Club nie verstanden

Palahniuk schrieb Fight Club als Satire und als Untersuchung der Schrecken, die hinter der jugendlichen, männlichen Identität stecken. Am Ende des Buches und des Filmes wird der Erzähler gezeigt, wie er vor der durch die besagte Identität verursachten Zerstörung steht und das Ganze bereut. Das ist ja alles schön und gut, aber das ist nicht die Botschaft, die der durchschnittliche Zuschauer und Reddit-User mitnimmt. Die Besitzer der Filmposter sind stattdessen total fasziniert von der heftigen Gewalt und Frauenfeindlichkeit, die in den zwei Stunden vor der Endszene zelebriert werden.

Einige Leute wollen einfach nur die Welt brennen sehen. Ihnen ist egal, dass sie nicht die einzigen Wesen in dieser brennenden Welt sind. Nihilismus ist an sich auch narzisstisch. Man muss dem Erzähler aber zugute halten, dass er das Ganze letztendlich nicht will. Er geht mit Durdens Nach-uns-die-Sintflut-Mentalität überhaupt nicht konform. Die meisten Fans des Films finden aber, dass er unlogisch handelt und in der letzten Szene des Films total den Schwanz einzieht. Wenn die meisten Leute die Satire nicht verstehen, ist es dann immer noch Satire? Oder ist es dann einfach nur schreckliche und gesellschaftlich akzeptierte (und damit vermarktbare) Brutalität, an die für die Kritiker noch eine banale Botschaft geheftet wurde?

Das ist Janes missmutige Meinung.