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Die Credit Suisse behandelt meinen Freund wie einen Warlord

Die Credit Suisse möchte nichts mehr mir Maximilian Rüdisser zu tun haben—weil seine Mutter im Liechtensteiner Parlament sitzt.
Titelbild von Acebal

All unsere Namen stehen in Datenbanken. Facebook weiss, dass ich mich in einen kreischenden Fanboy verwandle, wenn mir Moneyboy über den Weg läuft. Der Staat weiss, dass ich ihm auf den Rappen genau 52.368 Franken schulde. Und die Migros wüsste gerne, dass an Kater-Sonntagen Aufback-Margheritas, Milchschnitten und Ayran mein persönlicher Himmel sind—den Sinn einer Cumulus-Karte habe ich nie verstanden.

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Es ist absolut normal, dass ich in diesen Datenbanken stehe (oder eben nicht). Ich lasse zwar keine Sektkorken knallen, weil mich dank meines digitalen Exhibitionismus personalisierte Viagra-Werbung auf russische Homepages locken will. Ich renne aber auch nicht durch Zürich und schreie „1984! Überwachungsstaat! Gläserner Bürger!"

Anders wäre das wahrscheinlich, wenn ich zusammen mit korrupten Staatschefs und anderen Verbrechern auf einer Liste stehen würde—so wie mein Freund Maximilian Rüdisser. Die Medienagentur Thomson Reuters hat seinen Namen auf ihre World-Check-Liste gesetzt. Dort stehen alle Politiker und alle verurteilten oder per Haftbefehl gesuchten Kriminellen—und ihre nächsten Verwandten.

CS-CEO Brady Dougan ist nicht immer so weise. Foto von Ondrej Kloucek | Flickr | CC BY-SA 2.0

Maximilian ist dort als „Politically Exposed Person" (PEP) aufgeführt. Nicht weil Rohrbomben basteln oder Tausender-Noten unauffällig in Polizistenhände stecken zu seinen Hobbys zählt—er geht lieber joggen und mit Freunden etwas trinken—, sondern weil seine Mutter als Laien-Politikerin im Liechtensteiner Parlament sitzt. Dass Maximilian auf irgendeiner weiteren Liste steht, wäre nicht sonderlich schlimm. Aber die Credit Suisse outete sich als Streber unter den Schweizer Banken. Nach dem Geldwäschereigesetz müssen alle Banken ihre PEP-Kunden als Kunden mit erhöhtem Risiko behandeln.

Auch eine Politically Exposed Person? Eric Weber.

Als Streber gibt's da nur eine Lösung: Die Credit Suisse kündigte ohne Vorwarnung und klare Begründung alle Konten von Maximilian. Ich habe bei Maximilian nachgefragt, wie das alles ablief. Die Credit Suisse hingegen möchte „allfällige Kundenbeziehungen" nicht kommentieren.

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In Art. 12 steht: Die CS und der Kunde dürfen die Beziehung jederzeit auflösen. Foto vom Autor

VICE: Im März hat die Credit Suisse in einem Brief all deine Konten gekündigt. Wie hast du reagiert?
Maximilian: Den Brief habe ich ignoriert. Ich dachte, dabei geht es um ein Konto der 3. Säule, das ich kurz zuvor gekündigt habe, weil die Credit Suisse das fälschlicherweise eröffnet hat. Einen Monat später wollte ich Geld abheben, aber der Bankomat hat meine Karte geschluckt. Ich habe bei der Credit Suisse-Hotline angerufen. Dort sagten sie, dass meine Konten wegen Artikel 12 der AGB gesperrt sind. Nachdem ich diesen nichtssagenden Artikel gelesen habe, rief ich die Hotline nochmal an und fragte etwas vehementer nach, was los ist. Irgendwann hatte ich meinen Kundenberater am Telefon. Der sagte mir, er sehe einen detaillierteren Grund, würde mich aber in einer Viertelstunde zurückrufen.

Screenshot der UBS AGBs

Hast du einen Rückruf bekommen?
Ja, er rief zurück und meinte, dass ich sicherlich Herr Herbert Rüdisser kenne. Ich sagte, das sei mein Vater. Er: „Dann kennen Sie auch Frau Rüdisser, geborene Quaderer? Die ist ja mit Herr Rüdisser verheiratet." Ich antwortete: „Klar kenne ich meine Eltern!" Er verwies darauf, dass meine Mutter in Liechtenstein im Parlament sitzt und deshalb eine politisch exponierte Person ist. Meine Konten könnten wegen des Geldwäschereigesetzes nicht weitergeführt werden.

Da konntest du ruhig bleiben?
Ich habe ihn gefragt, ob das ein Witz sei. Ich fühlte mich behandelt wie ein Schwerverbrecher und war mir nicht sicher, ob das eine Verarschung ist. Aber der Kundenberater bestätigte, dass das alles wirklich so ist. Ich liess mir das Geschehene durch den Kopf gehen. Etwas später rief ich den Kundenberater nochmal an und verlangte seinen Vorgesetzten. Er meinte nur, den könne ich nicht sprechen.

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Hast du im Anschluss noch andere Leute kontaktiert?
Ich habe einem Bekannten, der bei der Credit Suisse arbeitet, geschrieben. Der meinte, wenn ich eine Million auf dem Konto gehabt hätte, wäre alles kein Problem gewesen—und empfahl mir zur Postfinance zu wechseln.

Dort hat alles geklappt?
Ja, ich musste nur bestätigen, dass ich keine regelmässigen Überweisungen aus Liechtenstein bekomme—und dann war alles kein Problem. Die Kundenberaterin verstand das Verhalten der Credit Suisse überhaupt nicht. Das Beste an der Geschichte ist aber, dass die Credit Suisse viel zu lange gebraucht hat, meine Konten aufzulösen. Darum wurden meine Daueraufträge, die ich ja nicht mehr ändern konnte, nochmals ausgeführt—und ich musste mühsam das Geld bei meinem Vermieter zurückholen.

Warum hast du dich ursprünglich eigentlich für die Credit Suisse entschieden?
Sie boten gratis Europa-Flüge für alle Studenten, die ein neues Konto eröffnen. Und ich wollte nach Stockholm.

Sebastian auf Twitter: @nitesabes

Vice Switzerland auf Twitter: @ViceSwitzerland


Titelbild: Robert Scarth| Flickr | CC BY 2.0