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Google sagt, ihr seid langweilige Ärsche (aber wir wissen es besser)

Seit dieser Woche stehen die Google-Jahrescharts fest. Und die häufigsten Suchanfragen legen nahe, dass ihr als Lieblingsmusik vermutlich „Ö3 hören" angeben würdet.

Das erstbeste Bild, wenn man nach „uncreative" googlet. Foto: Ivan

Ilsebill salzte nach. Versteht ihr nicht? Okay, dann anders: Hier sollte eine kreative, witzige Einleitung stehen, die euch aufweckt und neugierig macht. Euer Job ist es, danach bis zum Ende des Artikels weiterzulesen. Mein Job ist es, euch den Weg zum Ende des Beitrags so angenehm wie möglich zu machen—so als wärt ihr auf Acid und ich euer Trip-Sitter.

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Aber heute ist die Zeit einfach zu knapp und das Jahr auch schon zu weit fortgeschritten, um noch irgendetwas anderes als Drogen-Analogien aus meinen leergenuckelten Synapsen zu pressen. Deshalb habe ich getan, was wir alle die ganze Zeit über tun: Ich habe gegooglet. Auf die Suchanfrage „Gute Einleitung Beispiel" bekam ich die Antwort „Ilsebill salzte nach."—drei Wörter, die 2007 zum schönsten ersten Satz der deutschen Sprache gewählt wurden.

Screenshot VICE Media

Das ist nicht besonders originell und ich bin auch nicht besonders stolz darauf. Aber bevor ihr jetzt euren ganzen Klicktivismus in den Zeigefinger packt und mit selbigem vorwurfsvoll auf mich zeigt, möchte ich euch noch sagen, dass ihr wirklich die letzten seid, die ein Recht haben, sich aufzuregen. Immerhin stehen seit dieser Woche die Google-Jahrescharts fest—und eure häufigsten Suchanfragen legen nahe, dass ihr als Lieblingsmusik vermutlich „Ö3 hören" und als Lieblingsfilm „Was war letzten Monat im Kino?" antwortet.

Aber keine Angst, auch wenn Google sagt, ihr seid langweilige Ärsche, wissen wir es natürlich eigentlich besser. Immerhin gibt es zu jedem der folgenden fünf Begriffe auch (mindestens) einen VICE-Artikel—und wir nehmen zu euren Gunsten jetzt einfach mal an, dass ihr vermutlich kurz unsere Web-Adresse vergessen und genau DANACH gegooglet habt. Hier ist die Liste:

1. Paul Walker (meistgesucht insgesamt)

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Als ich kürzlich zum ersten Mal seit zirka 7 Jahren beim Friseur war, hörte ich im Schneidestuhl neben mir eine mitteilungsbedürftige Sekretärin, die sich gerade die Spitzen mit so etwas Ähnlichem wie Eigelb bestreichen ließ, sagen: „Also zuerst war ich ja traurig, dass der Walker Pauli gestorben ist. Aber dann hab ich gehört, wie jung seine Freundin war. Das ist doch gestört!" Zugegeben, ich habe bis jetzt nicht recherchiert, wie groß der Altersunterschied tatsächlich war und ehrlich gesagt klang die Dame mit dem Flammenhaar auch ein bisschen, als ob sie vor ihrem Gerede über Paul Walker ein bisschen zuviel von seinem entfernten Cousin Johnny Walker getrunken hatte. Aber ich denke, wir wissen alle, dass die Wahrheit in Bezug auf Promis in etwa so biegbar wie die Karosserie eines 2005 Porsche Carrera GTs.

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2. Costa Concordia (meistgesucht, News)

Die Geschichte dieses Schiffs, das vor Venedig havariert ist, beinhaltet so ziemlich alle Zutaten von Intrigen über Verrat bis hin zu Drogen und echten Schicksalsschlägen. Und weil wir alle nur Menschen sind und zum Ausgleich für unsere sozial(medial) verordnete Nettigkeit hin und wieder auch ein bisschen Tragik brauchen, um die dunkle Seite in uns zu speisen, hat ein ganz beachtlicher Teil von euch dieses Jahr „Costa Concordia" gegooglet. Natürlich gab es auch noch andere Schiffsunglücke, wie zum Beispiel das dieses Haschisch-Schiffs, aber ihr müsstet schon ein paar abgebrühte und sarkastische Bastarde sein, um 30 Tonnen Hasch gegen die 30 Menschenleben abzuwägen, von denen man derzeit mit Sicherheit weiß, dass sie unter dem Kommando von Kapitän Francesco Schettino beendet wurden. Langweilig ist vielleicht nicht ganz der richtige Begriff hier, aber sagen wir es mal so: 30 Tode sollten einfach auch nicht spannend sein—genauso, wie ihr bei Autounfällen nicht gaffen und bei Kampusch-Auftritten nicht buhen und eure Meinung herumposaunen solltet.

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3. Helmut Berger (meistgesucht, Promis)

Dass die Kluft zwischen Print und Online, zwischen Analog und Digital vielleicht wirklich zu groß ist, um sie zu überwinden, zeigt das Beispiel Helmut Berger ziemlich eindrucksvoll. Nur weil er der schönste Mann auf gedrucktem Papier war, heißt das noch nicht, dass er auch der schönste Mann des Internets sein muss (das ist nämlich Ahmed Angel, duh). Zugegeben, das Alter spielt auch eine gewisse Rolle, aber es ist nicht nur die Ranzigkeit seiner Epidermis und das leichte Lallen aus seinem schnapszersetzen Rachen, das Bergers Bild in der Öffentlichkeit von dem des Schönlings zu dem des anonymen Spaßoholikers gewandelt hat. Der Grund für die Metamorphose ist das Internet SELBST. Papier ist vielleicht geduldig—das Netz aber ist sarkastisch, pubertär und unbarmherzig. Sich über alte Männer lustig machen, die inzwischen von 450 Euro im Monat leben, ist trotzdem letztklassig und ziemlich langweilig. Entsprechend dem Weihnachtsgeist, von dem ich beseelt bin, will ich aber der Einfachheit halber lieber glauben, dass ihr den Helmut genauso super findet wie ich und einfach nur sehen wolltet, wie der Gute früher ausgesehen hat. Was ich auch immer noch spannend finde.

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4. Playstation 4 (meistgesucht, Technik)

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Okay—wenigstens nicht Xbox One, aber als Suchbegriff auch nicht um Welten besser (im Gegensatz zur Konsole selbst, wie ich als alter Sony-Knecht nach zweistündigem Antesten des Next Gen-Monsters einfach mal behaupte). Überhaupt ist das Googlen von Konsolennamen zirka so zeitgemäß wie Fremde nach der Uhrzeit zu fragen oder sich von anderen iPhone-Besitzern den Weg via Google Maps erklären zu lassen. Wer wirklich Gamer ist, sollte wissen, wo er seine Informationen herbekommt und je nachdem, ob er kaufen, testen oder Reviews lesen will, gleich die jeweiligen Seiten durchsuchen anstatt zu googlen—zumindest, wenn man sichergehen will, NICHT die langweiligsten Ergebnisse der Welt direkt von diversen PR-Outlets geliefert zu bekommen.

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5. Wien (meistgesucht, Stadt)

Okay, dass die Liste auf Platz 5 nicht plötzlich spannend wird, konnte man sich eigentlich denken. Aber „Wien" als alleinstehenden Suchbegriff anzuführen, sagt eher etwas über die Dummheit von Google, als über die Langweiligkeit von euch da draußen aus—immerhin wird der Name der Hauptstadt wohl nicht nur von debilen Halbaffen in den Browser getippt, die ihr Leben im Schutze eines Satellitelsignal-abschirmenden Berghangs verbracht und Wien noch nie gesehen haben. Stattdessen wette ich darauf, dass es einfach das häufigste Wort ist, das Hauptstädter selbst eingeben müssen, um ihre Suchergebnisse regional vorzufiltern, wie in „Koksdealer Wien", „Pizzeria Wien", „Dschungelcamp Übertragung öffentlich Wien" (und wessen Schuld ist das bitte, Google???).

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