Der Schrottplatz der Götter

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Reisen

Der Schrottplatz der Götter

Wir haben den Künstler besucht, der Götter und Dämonen zu Grabe trägt—und sie wieder reinkarniert.

Es sah aus wie das Schlachtfeld nach der Apokalypse. Die zerstückelten Leichen von Göttern, Dämonen und Menschen lagen in einer Wüstenlandschaft verstreut. Zwischen ihnen stand unversehrt Ulhas Utkar und wirkte damit wie der unwahrscheinliche Sieger dieses Kriegs.

Der Handwerker baut schon seit 25 Jahren aus Glasfaser Götter und andere Kreaturen für Indiens zahlreiche religiöse Feste. Die animatronischen Statuen werden auf Wagen durch Paraden gezogen, wobei sie schreien, gestikulieren, springen, tanzen und Feuer spucken.

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„Mein Vater war Künstler und ich habe viel von ihm gelernt", erklärte der 57-Jährige durch einen Dolmetscher. „Später studierte ich Ingenieurwesen. Diese Arbeit hier war die perfekte Kombination aus beidem. Heute bin ich berühmt und angesehen und habe Geld. Alle wissen, wer Utkar ist."

Als ich Utkar besuchte, war ein Bollywood-Produzent in seinem Wüstendorf Saralgaon zu Besuch. Er war mehrere Stunden aus Mumbai gefahren, um den Zusammenbau und die Lieferung eines riesigen, springenden Hanuman zu überwachen. Der mechanische Affengott wird in einem demnächst erscheinenden Film namens Bajrangi Bhaijaan zu sehen sein.

Der Künstler verkauft seine Stücke nicht mehr, sondern verleiht sie nur noch. Die viertägige Leihgebühr für Hanuman beträgt 200.000 Rupien oder etwa 2.900 Euro. Wir standen im Schatten und unterhielten uns, während das Künstlerteam den Schrottplatz nach den Gliedmaßen des Gottes durchforstete. Wenn eine Statue nicht verwendet wird, dann wird sie auseinandergebaut und die Einzelteile werden gelagert, wo auch immer gerade Platz ist. Ein erneuter Zusammenbau wie hier lässt an eine Schnitzeljagd mit immer wieder neu kombinierbaren Figuren denken.

Dieser Hanuman, so der Künstler, sei 8,20 Meter groß und damit eine seiner kleineren Kreationen. Utkar hob eine Plane, um das Gesicht eines 18-Meter-Hanuman zu zeigen, der brüllen kann wie stürmische Windböen. Neben ihm lag das Gesicht eines 21 Meter großen Babykiller-Dämonen namens Trinavarta. Utkar demonstrierte, wie seine Augen aufleuchten und sich nach links und rechts bewegen, um die Menschenmenge zu überblicken. Beim Verleih von jedem größeren Gott oder Dämonen ist eine Schar menschlicher und menschenartiger Diener aus Glasfasern dabei.

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Nachts schläft Utkar inmitten seiner Götter und Ungeheuer von Moskitonetzen geschützt auf einem einfachen Bett im Freien. Seine Familie schläft in einem Haus im Dorf. Utkars Tochter ist Hausfrau und sein Sohn will DJ werden, also weiß der Künstler bereits, dass seine Arbeit mit ihm sterben wird. Er betonte mehrmals seinen brennenden Wunsch, ein bleibendes Erbe zu hinterlassen. Ich erwähnte, dass ich an einem Projekt arbeite, bei dem ich Träume aus aller Welt sammle, und fragte ihn nach seinen Träumen.

„Ich schlafe selten", behauptete er stur. „Ich denke immer daran, was wir als Nächstes machen können. Mehr, mehr. Mehr, das den Leuten gefallen wird. Ich träume davon, einen großen Themenpark zu eröffnen. Es wird dort die ganze indische Kultur abgebildet sein, mit Automatisierung. Es wird dort alles geben. Die Schlachten der Götter. Die Kämpfe zwischen Moslem und Hindu. Die Engländer werden dort sein. Alles, alles werde ich machen. Ich träume von nichts anderem."

-Roc Morin