Aus der Sick Day Issue
Das unstillbare Verlangen nach materiellen Gütern und Konsum macht längst auch vor dem Tod nicht mehr halt. Nichts verkörpert diese Einstellung so perfekt wie eine chinesische Tradition, die ich nach meinem Umzug von Wien nach Schanghai kennengelernt habe.
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Hier ist es bei der älteren Generation üblich, mehrmals im Jahr zu Ehren der Toten Spielgeld zu verbrennen. Traditionellerweise verwendet man dafür sogenanntes Joss Paper—eine vereinfachte Symbolwährung aus rotgoldenen Ornamenten und chinesische Schriftzeichen. Und weil das 21. Jahrhundert das Zeitalter der Individualisierung ist, gibt es mittlerweile nicht mehr nur Fake-Geld, um die Toten zu ehren. Stattdessen haben chinesische Geschäftsmänner das wohl schönste Sortiment des 21. Jahrhunderts kreiert: eine unendliche Palette an Papiermascheeprodukten für Verstorbene.
Laptops namens Min Fu Book Pro, Smartphones von Samxing, Zigaretten von Kant oder Lacky Siutke, Luxusuhren und Brieftaschen von Luis Yurtion, aber auch Autos und sogar Häuser gehören inzwischen zum Standardsortiment der Fake-Wertgegenstände, die per Flammenexpress ins Jenseits teleportiert werden.
Ausgehend von dieser Tradition habe ich mich in diesem Fotoessay mit der Banalität des Gedenkens, der Suche nach eigenen Ritualen und dem Übergang zwischen verschiedenen Realitätsebenen befasst. Geworden ist es ein visueller Erguss über Absurdität und Antispiritualität von Leben und Sterben.