The real Barbie – Träume aus sechs Kilo Silikon

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Kultur

The real Barbie – Träume aus sechs Kilo Silikon

"Ich möchte einen ganz unnatürlichen, runden Po haben. Mit so ein Kilo-Implantaten auf jeder Seite. Wäre Geld kein Thema würde Ich mir aus jeder Seite drei Rippen rausnehmen lassen."

Das ist schon komisch irgendwie—seit über einem halben Jahrhundert werden Barbie-Puppen der halben Menschheit als Archetyp von Weiblichkeit zum Spielen vorgehalten und wenn Frauen Ernst mit dem Spiel machen, lacht man sie aus.

Frau Herms heißt mit Vornamen "Paris". Paris nennt sich selbst auch "The real Barbie of Berlin". 1991 in der Hauptstadt geboren und aufgewachsen, wurde ihr Name zum Programm: "Ich will nichts operieren lassen, was natürlich aussieht. Ich liebe den Fake-Look! So wie eine Puppe aussehen. Aber ich finde auch diese 3D-Figuren einfach geil, ja, ich würde gerne wie so eine 3D-Puppe aussehen."

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Wir haben uns mit Paris getroffen, um mit ihr über ihren Idealkörper zu sprechen und die Reaktionen, die er bei den Menschen auf der Straße auslöst.

VICE: Ab wann war dir klar, dass du deinen Körper verändern willst?
Paris: Oh, das fing bestimmt schon mit 16 an. Da hatte ich eine Zeit, wo ich das Internet durchsucht habe und ich wollte immer schon alles an mir optimieren und besser sein als die Frauen, die ich so gesehen habe.

Was ist für dich der perfekte Körperwas würdest du jetzt an dir noch gerne ändern?
Ich würde meine Nase noch mal kleiner machen. Meine Augen größer, sprich Schlupflider ändern. Man kann auch einzelne Teile abschleifen und die Haut neu anziehen. Mich stören meine kleinen Augen schon sehr. Meinen Busen möchte ich auf jeden Fall noch auf das Doppelte vergrößern. Ich habe jetzt ein Kilo auf jeder Seite, will aber zwei Kilo pro Seite. Dann noch meine Rippen rausnehmen lassen, Po-Implantate möchte ich gerne und ansonsten vielleicht noch hier und da ein paar kleine Sachen wie Fett absaugen oder noch ein paar Filler im Gesicht einsetzen. Aber das Gesicht habe ich schon so weit optimiert, dass ich da im Großen und Ganzen fast schon zufrieden bin.

Du hast die Rippen erwähntwie viele würdest du dir rausnehmen lassen?
Ich würde das Maximum rausnehmen lassen. Immer das Maximum rausholen. Es gibt da so eine Schwedin, die nennt sich Pixee Fox, sie geht auch ihren Weg mit all ihren Schönheits-OPs und hält das alles auf YouTube, Facebook und Instagram fest. Sie zeigt, was sie alles neu macht. Ich glaube, sie hat sich drei Rippen rausnehmen lassen.

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Also Sechs, weil drei auf jeder Seite?
Ja. Dadurch bekäme ich echt eine schöne Figur. Aber das sind so Sachen, die ich machen würde, wenn eine Fee käme und Geld auch kein Thema wäre. Es ist aber jetzt nicht so, dass ich ganz bestrebt auf all die OPs bin. Meine zentralen Bestrebungen sind, die Augen zu operieren, die Nase, die Brüste und den Po. Das ist erstmal mein Hauptziel.

Wie viel an Silikon würdest du dir in den Po gern schießen lassen?
Also ich möchte einen ganz unnatürlichen, runden Po haben. So ein Kilo.

Pro Backe?
Ja genau. Aber das verteilt sich eh. Po-Implantate sind ja größer und breiter als Brust-Implantate.

Und kannst du sagen, was du bislang alles hast machen lassen?
Klar. In den Wangenknochen habe ich Filler drin, auch im Kinn, in den Lippen natürlich, unter den Augen, Unterspritzung, damit ich keine Falten bekomme. Nasen-OP hatte ich, zweimal Brust-OP. Ein Tattoo habe ich unter dem Po, auf den Oberschenkeln links und rechts auch. Mein kompletter rechter Arm ist auch tätowiert.

Den linken will ich auch noch komplett machen lassen und den Rücken. Auf jeden Fall nichts auf den Oberkörper vorne, das finde ich unschön. Und auch nicht im Gesicht. Aber Rücken und die beiden Arme gerne vollmachen. Ach ja, und ich würde gerne so viel Permanent-Make-up haben, dass ich mich gar nicht mehr schminken muss. Das finde ich ganz cool. Heutzutage geht schon echt viel.

Wie kriegst du das alles bezahlt?
Meine Oma unterstützt mich da.

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Deine Oma scheint einen besonderen Platz in deinem Leben zu haben. Ich sehe, du hast ihr auch ein Tattoo gewidmet.
Ja. Mit meinen Eltern habe ich gar keinen Kontakt. Hatte ich nie und wollte ich auch nie. Meine Oma ist meine einzige Familie in dem Sinne. Aber ich kenne das ja nicht anders, deswegen fehlt mir auch nichts. Und meine Oma kriegt das alles auch so ganz gut gemanagt.

Wie stellst du dir deine berufliche Zukunft vor? Du willst mit deinem Körper Geld verdienen, richtig?
Mein Traum wäre, ein It-Girl oder ein Model zu sein. Ich kann ja weder singen, noch irgendwie etwas entwickeln. Ich möchte einfach bekannt werden. Dass die Menschen mich bewundern oder mögen, weil ich gerade so aussehe, wie ich aussehe, aber weil ich gerade so bin, wie ich bin. Das wäre cool. Als It-Girl und Fotomodel war ich jetzt in Paris für ein Musikvideo. So was ist cool. Oder vielleicht auch für einen coolen Designer in Amerika auf der Fashion Week arbeiten, wo sie so ausgefallene Models buchen für den Cat-Walk. Bin da echt offen. Playboy wäre auch cool.

Ausziehen ginge also klar?
Ja, aber es muss ästhetisch und erotisch sein. Nichts schmuddeliges, kein Porno. Alles schön High-class und das muss ein Top-Fotograf sein.

Und einfach irgendwo arbeiten gehen. Würdest du das machen?
Also ich würde gerne eine Ausbildung als Make-up-Artistin machen. Ich liebe alles, was mit Make-up zu tun hat. Und auch hier und da jobben ginge klar.

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Wie steht sie zu deinem Schönheitsideal und deinen Plänen?
Also Oma unterstützt mich in allen Sachen. Aber wenn ich ihr von meinem Weg erzähle, den ich körperlich gehen möchte, dann ist sie natürlich dagegen. Sie sagt, dass ich es nicht nötig habe, dass ich schön genug bin. Und natürlich hat sie auch Angst um mein Leben. Klar, OPs sind ja auch immer mit Risiken verbunden und eine Narkose ist nunmal eine Narkose—das ist kein Kinderspiel. Dennoch steht meine Oma voll hinter mir und zu mir und pflegt mich und hegt mich.

Wie kamst du eigentlich auf dein besonderes Schönheitsideal?
Das war damals die Zeit, wo es in den Musikvideos oder generell im Fernsehen völlig ‚in' war, dass alle total braun waren und geschminkt. Und alle hatten so richtig grelle Sachen an. Ich habe damals auch die Serie mit Paris Hilton und Nicole Richie echt gerne geguckt. Auch das hat bestimmt zu meinem Look beigetragen, aber es waren nicht nur die beiden, sondern generell war es die Zeit. In den Musikvideos in den Zweitausendern war es modern, dass alle voll braun waren und geile Haare hatten. Und ein extremes Make-up getragen haben; das hat mich echt fasziniert.

Und seitdem willst du so aussehen?
Ja. Und ich habe mir immer geschworen, dass ich nicht mehr das hässliche Entlein in der Opferrolle sein werde. Irgendwann war der Punkt, wo ich mir sagte: "Nein, jetzt wehre ich mich und jetzt mache ich auch etwas aus mir."

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Du hast dich also unwohl gefühlt in deiner Haut?
Ich hatte keine schöne Kindheit. Mich haben die Leute in der Schule immer extrem gehänselt. Ich war auch immer Einzelgängerin. Egal, ob in der Grundschule oder Oberschule. Bis ich 16 war, hatte ich nicht wirklich Freunde und die Leute haben mich immer extrem fertig gemacht. Und irgendwann habe ich gesagt: "Ganz ehrlich: Ich werde es euch allen später zeigen, dass ihr das mit mir nicht machen könnt und dass ich nicht mehr das hässliche Entlein sein werde, dass ihr immer gesehen habt." Und das war vielleicht so der Punkt, wo es 'Klick' in mir gemacht hat, weshalb ich so einen extremen Weg gehe, oder gegangen bin.

Die Mitschüler haben dich gehänselt wegen deines Äußeren?
Genau, weil ich nicht sonderlich schön war. Ich habe Brille getragen und hatte auch sehr krause Haare. Und ich war immer extrem dünn. Auch sehr schüchtern. Und Kinder können zueinander sehr fies sein. Sie haben mich häufig verprügelt und haben mir aufgelauert—in der Hofpause war ich immer alleine und habe mich oft auf der Toilette eingeschlossen. War nicht schön. Ich bin aber auch froh, dass die Leute den Menschen aus mir gemacht haben, der ich heute bin. Ich bin der Meinung, dass ich ein guter Mensch bin.

Erwachsene können ja auch ziemliche Arschlöcher sein. Aber wenn dein Motiv für all die Veränderungen jenes war, nicht mehr wie früher fertiggemacht zu werden, ist dann dein Leben mit einem so extravaganten Aussehen, wie du es jetzt hast, wirklich einfacher geworden?
Klar, Menschen, die mit ihrem Aussehen aus der Reihe tanzen, werden viel häufiger zur Zielscheibe. Ich habe ja damit jeden Tag zu kämpfen, dass mich Leute verbal angreifen oder mit ihren Blicken treffen. Natürlich ist das nicht schön, aber ich kann das jetzt auch nicht mehr ändern.

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Ich sehe nunmal so aus, wie ich aussehe und ich will gar nicht mehr anders aussehen. Auch ich würde gerne mal meine Ruhe haben und durch die Straßen laufen, ohne dass mich die Leute anstarren oder über mich reden und kichern—aber trotzdem würde ich nie den Weg gehen und sagen: "Jetzt habe ich keine Bock mehr, jetzt werde ich stinknormal und sehe aus wie 08/15." Ich würde gar nicht mehr glücklich werden damit. Ich weiß, das ist ein Widerspruch. Aber mittlerweile verändere ich mich nicht wegen den Anderen, ich mache das für mich und dann ist der Rest bestenfalls ein negativer Nebeneffekt.

Wie reagieren die Leute konkret auf dich?
Einige laufen an mir vorbei und fangen einfach an zu lachen. Oder sie sind so dreist und sagen mir direkt ins Gesicht: "Mein Gott bist du hässlich." Gestern erst hat mich eine extrem übergewichtige Frau beim Shoppen fassungslos angeschaut und gesagt: "Wie kann man nur so aussehen?!" Da denke ich mir: Mädchen, du bist total übergewichtig, ich würde dich niemals angreifen und du greifst mich an? Ich bin die Letzte, die von sich sagen würde, dass ich hier die Geilste und Tollste und Schönste bin, aber so was geht gar nicht.

Kannst du dir erklären, warum die Leute so verachtend auf dich reagieren?
Ich würde auch gerne den Grund kennen. Nur weil ich so aussehe, wie ich aussehe, heißt das nicht, dass ich dumm bin. Oder weil ich so aufreizend aussehe, heißt das nicht, dass ich den Frauen die Männer wegnehmen will.

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Glaubst du, dass wenn du dein vermeintliches Ideal erreicht hast, also die Brüste, der Po und die Tattoos gemacht sind, es dann auch wirklich ein Ende mit den OPs für dich hat?
Also ich glaube, dass das bei jedem Menschen, der so einen extremen Weg geht, immer der Gedanke kommen kann: hier noch ein bisschen und da noch ein bisschen. Ich würde nie meine Hand ins Feuer legen und sagen: 'Ich bin jetzt bei 100 Prozent da angelangt'. Man wird ja auch älter. Und dann fangen ja andere Baustellen an. Und ich denke nicht, dass ich da fertig werde. Aber gut.

Wo siehst du dich in zehn Jahren?
Na hoffentlich, dass ich meinem Idealbild schon näher gekommen bin. Und dass ich glücklich und gesund bin. Mehr will ich eigentlich nicht.

Definiere "glücklich".
Also für mich ist ein Grundbaustein von Glück, dass ich einen Partner habe, der mich so liebt, wie ich bin. Und der mich respektiert und hinter mir steht. Dem ich vertrauen kann. Der treu ist. Mit dem ich etwas aufbauen kann. Das wäre schon ganz cool. Und das meine Oma gesund und glücklich ist. Das ist mir auch ganz viel wert.

Viel Glück, Paris.
Danke.

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