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Sport

Der afghanische Kämpfer

In der Schule geht der Kampf los. Die Kids versammeln sich im Kreis und feuern lauthals die kleinen Kämpfer an, die wie verrückt aufeinander eindreschen. Wenn du mitbekommst, wie einer auf dem Boden liegt und jammert, zieht sich...

In der Schule geht der Kampf los. Die Kids versammeln sich im Kreis und feuern lauthals die kleinen Kämpfer an, die wie verrückt aufeinander eindreschen. Wenn du mitbekommst, wie einer auf dem Boden liegt und jammert, zieht sich dein Herz unwillkürlich zusammen. Wenn der Lehrer einschreitet und die ineinander verkeilten Gegner auseinandernimmt, wünschst du dir aber doch noch, dass der Kampf weiterginge. Der richtige Name für diese Sportart ist MMA und es ist das richtige für dich—für jeden, eigentlich.

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Bei den MMA Kämpfen gibt es keine Regeln. Deshalb ist es auch ziemlich logisch, dass bei diesem Sport ein Kerl, der aus einem Land kommt, das sowohl historisch als auch heute noch für seine Gesetzlosigkeit bekannt ist, die besten Chancen hat, Blut und Zahnfragmente aus anderen rauszuprügeln.

Siyar Bahadurzada ist eine relativ „kleine“ Größe im MMA Universum. Erst vor kurzem hat er den Vertrag bei Strikeforce, einer Liga unter der Ultimate Fighting Championship unterzeichnet. Angeblich ist es der erste Schritt zum großen Durchbruch und der Grund für inspirierende Tweets wie diesen: “Life is full of mufavukin surprises….God Damn!!!”

Ihr müsst euch nicht ausgeschlossen fühlen, wenn ihr noch nie was von Siyar mitbekommen habt. Sogar in Amerika kennt ihn kaum jemand. Seine Fangemeinde besteht überwiegend aus afghanischen Teenagern, die seiner Kampfkarriere nacheifern. Seine Biographie klingt wie eine Filmgeschichte: Aufgewachsen auf den Straßen Kabuls, lernte Siyar von seinem Großvater wie man kämpft. Geboren 1984, erlebte Siyar das Ende der sowjetischen Okkupation und befand sich als Kind deshalb in einem Zustand ständiger Angst und Bedrohung. Im Jahre 1999 bekam sein Vater einen Job in den Niederlanden und die gesamte Familie wanderte aus Afghanistan aus.

In Holland langweilte sich Siyar ziemlich schnell, denn er war es gewohnt ständig auf der Hut zu sein. In einem Interview mit dem MMA Junkie sagte er: „Ich befand mich in ständiger Aufregung wegen des Krieges. Wenn du nicht weißt, was dir der morgige Tag bringt und ob du ihn überleben wirst, gewöhnst du es dir an in ständiger Anspannung zu leben. Als ich nach Holland kam, gab es solch eine Aufregung nicht mehr und ich fing an mich zu langweilen“. Um seinen Durst nach Aufregung zu löschen ist Siyar dem Tatsui Dojo, einem Verein für Kampfkünste beigetreten. Seit diesem Tag landete Fanpost aus Afghanistan auf seinem Facebookprofil.

Sayeed-Mahdee Sanglakhee ist einer seiner Facebookfans. Er sagt, dass ohne das Internet Siyar in Afghanistan kaum berühmt geworden wäre. Wie die meisten Menschen in Afghanistan hat Sayeed kein Kabelfernsehen und kann sich deshalb die MMA Wettkämpfe nicht angucken. Deshalb schaut er sich die meisten Clips auf Youtube an und kommuniziert mit Siyar über Facebook. Siyar bedankt sich regelmäßig für die Fanpost. Bei seinen Kämpfen trägt er die Afghanische Flagge und wirft sie wie ein Umhang um, wenn er gewinnt.

Es ist unklar, ob Siyar seine Heimat wieder irgendwann besucht hat, aber mit Sicherheit implementiert er die Wahrzeichen Afghanistans in seine Marketingstrategie. Wenn er in den Ring zieht, wird das mit Bildern des einen oder anderen Panzers oder Militärzuges untermalt. Unsere Anrufe bei Syars Trainer blieben unbeantwortet. Wir konnten auch nicht mit ihm persönlich sprechen. Aber, wenn man seinem Manager Bas Boon glaubt, scheint er sehr stolz auf seine Heimat zu sein. Nicht, dass es irgendeine Rolle spielt, weil er seine Gegner eh in der ersten Runde zu Brei schlägt.

Mit den Flügeln hinten auf seiner sehr kurzen Short, sieht Syar im Kampfring aus, wie ein Arabischer Prinz in Street Fighter. Zu seinen Gegnern zählen schwere Jungs, wie Evangelista Cyborg und Carlos „Indo“ Periera, die im Knast gelernt haben zu kämpfen. Neben ihnen sieht Syar wie ein unschuldiges Schulmädchen aus. Nichtsdestotrotz dauern seine Kämpfe praktisch nie länger als eine Runde, oder solange wie der Kampfrichter eben braucht, bis er Siyar von seinem bewusstlosen Opfer lösen kann. Und genau das macht ihn zu Siyar dem Grossen.