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Health

​Ich bin eine Frau und habe Hämorriden. Na und?

Das Nässen und Jucken rund um den After ist schon sehr unangenehm.

Hämorriden sind arteriovenöse Gefäßpolster, die ringförmig unter der Enddarmschleimhaut angelegt sind und dem Feinverschluss des Afters dienen—ergo hat jeder Mensch Hämorriden. Allerdings werden diese Gefäßpolster nur zur Sprache gebracht, wenn sie anfangen, einem das Leben unangenehm zu gestalten. Viel zu viele Menschen verheimlichen ihre Krankheiten, vor allem dann, wenn sie sich hinter unserem Höschen verstecken. Dabei sollte viel lockerer damit umgegangen werden, damit sich Betroffene nicht wie Aussätzige fühlen und schneller zum Arzt gehen.

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Es brannte und schmerzte nicht, als ich zum ersten Mal Blut in meinem Stuhl entdeckte. Ich dachte an einen Kratzer und verschwendete erst einmal keine weiteren Gedanken daran. Mir wurde unwohl, wenn ich an den nächsten Klo-Besuch dachte. Mit der Zeit begann es nämlich noch unangenehmer beim Pressen zu werden. Ich fühlte mich ekelig und wusste nicht, wie ich mit dieser Sache umgehen sollte. Nach zwei Wochen, in denen ich mit keiner Menschenseele über meinen Zustand geredet hatte, verschwand das Blut wieder—nur um wenig später begleitet von Schmerzen, Nässen und Jucken wieder aufzutauchen.

Bitte verwendet niemals das Internet!

Um mich zu informieren, welche Ursache das Leiden haben könnte, beschloss ich die Symptome zu googeln. Worst idea ever. Mir wurde unter anderem Darmkrebsdiagnostiziert. Das war der erste Moment, in dem ich wirklich Angst bekam. Prinzipiell gehe ich nie vom schlimmsten Fall aus, also habe ich mich zusammengerissen und die anderen Krankheitsursachen anhand der Symptome genauer begutachtet.

Ein Hämorridenleiden, das nicht wirklich gefährlich für die Gesundheit ist, wurde immer wahrscheinlicher. Was, ich kann als Frau Probleme mit Hämorriden bekommen? Ein Arzt bestätigte mir, dass das möglich sei und schrieb mir eine Überweisung in die Chirurgie. Ich fühlte mich in meiner Selbstdiagnose bestätigt, werde aber trotzdem nie wieder Symptome googlen.

Wie es sich anfühlt, als Frau ein Hämorridenleiden zu haben

Das Nässen und Jucken rund um den After ist schon sehr unangenehm. Ist es aber dann wieder einmal Zeit für ein Geschäft, wird es richtig schmerzhaft. Der After brennt und man fühlt sich elend. Das widerlichste Gefühl empfand ich aber, als ich meine Tage bekam. Ab diesem Moment war ich voll und ganz damit beschäftigt, mich überall von Blut zu reinigen. Das war mein persönlicher Tiefpunkt. Ich beschloss, mit Freunden zu sprechen. Sie reagierten weniger angewidert als erwartet und überhäuften mich mit Mitleid—ob ich es wollte oder nicht.

Vom Arzt bekam ich Zäpfchen verschrieben, die ich mir anal einführen musste, die aber schmerzlindernd sein sollten. Meine Schmerzen wurden dadurch zwar erträglicher, aber das Blut verschwand nicht. Außerdem hatte ich, wenn sie geschmolzen waren, immer das Gefühl, als hätte ich mir leicht in die Hose geschissen. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich mich mit jedem Baby identifizieren, das mir auf der Straße mit voller Windel begegnete und dachte: "I feel you!"

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Ein weiteres "Goodie" meiner Krankheit war das Stück Etwas, das ungefähr einen halben Zentimeter aus meinem Anus ragte und Sex-Stellungen wie Doggy-Style (oder alle anderen, die meinen Arsch ins zentrale Blickfeld eines Mannes bringen würden) als undenkbar erscheinen ließen. Ich fühlte mich nicht gut und hatte keine Lust auf Sex. Bei einer Operation an den Hämorriden, wenn das Leiden also trotz Medikamente nicht abnimmt, wird unter anderem dieses Stück entfernt.

Nach einem Kurztrip in Prag, den ich nicht sehr genießen konnte, ging ich ins Krankenhaus zu einem Chirurgen. Wenn ihr glaubt, der Besuch beim Frauenarzt ist unangenehm, dann hat euch noch nie jemand mit der Hand in eurem Arsch rumgestochert. Sexuelle Handlungen ausgenommen. Der Chirurg stellte zusätzlich zu meinem Hämorridenleiden eine Analfissur fest. Zur Erklärung: Eine Analfissur ist ein feiner Riss in der Schleimhaut des Afters.

Nach ein paar Fragen, die ich brav beantwortete, verschrieb mir der Arzt eine Creme, mit der ich mich tief in meinem After einschmieren sollte.

Nach ein paar Fragen, die ich brav beantwortete, verschrieb mir der Arzt eine Creme, mit der ich mich tief in meinem After einschmieren sollte. Neben den Zäpfchen, mit denen ich mich bereits angefreundet hatte, bekam ich auch Abführmittel verschrieben. Dieses sollte herrlich nach Bananen schmecken. Ich nahm es einmal und nie wieder—es war mir nicht geheuer, wie schnell sich mein Körper damit meiner Nahrung entledigte.

Mit den Zäpfchen und der Creme bekam ich mein Hämorridenleiden nach gut sechs Wochen unter Kontrolle. Nur die Angst, dass mein Stuhl wieder mit Blut befleckt ist, wird nicht so schnell vergehen. Bei jedem großen Geschäft, das ein kleines bisschen länger dauert, fürchte ich mich vor Schmerzen. Das Problem an Hämorriden ist, dass sie, sobald sie problematisch werden, einfach immer da sind, der Anus kontinuierlich brennt und für jeden Stuhlgang mindestens 15 Minuten eingeplant werden sollten.

Was mich aber mehr ankackt als dieses scheiß Problem ist die Tatsache, dass niemand über ein Hämorridenleiden spricht! Als ich ausführlich von meinem Zustand erzählte, haben einige meiner Freunde und sogar meine Eltern zugegeben, mit dem gleichen Problem zu kämpfen. Ich kam mir verarscht vor. Wäre die Krankheit früher in meinem Freundeskreis oder in meiner Familie angesprochen worden, hätte ich nicht so lange damit gewartet, zum Arzt zu gehen. Ich hätte weitaus früher eine Diagnose erhalten und somit auch Medikamente, die die Sache schnell behandelt hätten.

Ich hätte mich viel schneller als normaler Mensch gefühlt, der seine Stuhlgänge nicht planen muss und sich fürchtet, ob jemand bemerken könnte, wie lange er am Klo braucht. In einer Welt, in der wir offen über Sex sprechen, müssen wir auch aufhören, uns für unsere Krankheiten zu schämen. Ich will ehrlich und öffentlich über mein Hämorridenleiden reden können, ohne schief und angewidert angestarrt zu werden.