Der ‚Tatort‘ zeigt, wie Deutschland seine Schwulen am liebsten hat: unauffällig, leise und verklemmt
Foto: WDR/Martin Valentin Menke

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Der ‚Tatort‘ zeigt, wie Deutschland seine Schwulen am liebsten hat: unauffällig, leise und verklemmt

Nichtmal der Sonntagabendkrimi ist noch sicher vor diesen Homosexuellen. Hat die „Ehe für alle" den ‚Tatort' erreicht?

Endlich, könnte man meinen, ist der Tatort nicht mehr die Domäne bundesdeutscher Heteronormativität. Seit 45 Jahren gab es keinen einzigen schwulen Kommissar, keine lesbische Kommissarin. Ulrike Folkerts ist zwar in der Realität lesbisch, ihre Lena Odenthal ist aber genauso hetero wie Schimanski. Seit Mai gibt es immerhin in den unteren Rängen einen schwulen Ermittler im Kölner Tatort.

Hier gibt es mehr zum Tatort.

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Und jetzt Münster. Thiel und Boerne haben geheiratet. Revolutionär, könnte man meinen. Ist es aber nicht. Die beiden tun nämlich nur so, um Boernes krebskranken Erbonkel, einen „bekennenden Homosexuellen", dazu zu bringen, dem Rechtsmediziner die Villa in Florida zu vermachen. Außerdem wird auch noch der Freund des Erbonkels ermordet und so öffnet sich die WDR-Klischeekiste. Der Ermordete, zu dem Zeitpunkt noch eine anonyme Leiche, ist nämlich „sehr gut gepflegt und sehr gut angezogen", wenn das nicht schonmal ein glasklares Indiz ist. Die gerade zur Kommissarin beförderte Assistentin hat dann auch gleich so eine Vermutung. Sie hat nämlich einen „siebten Sinn", was sexuelle Orientierung angeht. Der Erbonkel fragt den Taxifahrer (Thiels Vater) nach „Lokalen, in denen Männer besonders willkommen sind". Weil es ist scheinbar 1951 und wenn man das Passwort kennt und den Weg in die Kellerbar findet, kann man in Münster mit anzugtragenden Herren engtanzen. Nach noch ein paar doppeldeutigen Scherzen (Schlauchhalter, schlucken, hihi) stirbt die Staatsanwältin fast vor Lachen, als sie von Boernes Plan erfährt, so zu tun, als sei er schwul: „Wenn ich das den Kollegen erzähle …" Was passiert dann? Werden die beiden dann in einen Verhörraum in den Keller des Präsidiums gebracht und solange gegaybasht, bis sie ihren Fehler einsehen und nicht mal mehr so tun, als seien sie schwul?

Video: Die amerikanischen Homoheiler

Nichtmal die üblichen Verdächtigen sind über diesen Tatort empört. Kein Wort über die Infiltration durch die Homo-Lobby auf PI-News, Beatrix von Storch sagt nichts dazu, der Rest der AfD auch nicht, selbst Jürgen Elsässer, sonst immer ganz vorne dabei, wenn es gegen Schwule und Lesben geht, scheint es egal zu sein. Und genau dieses Schweigen zeigt, wie inkonsequent und lächerlich die Darstellung von Homosexualität in dieser Folge war. Es gibt nämlich keinen Grund zur Empörung. So wie hier hat der Deutsche seinen Homos gerne. Ein bisschen witzig, ein bisschen verklemmt, man redet nicht drüber und bleibt am liebsten unter sich (im Männerlokal am besten). Und sowieso tut man ja nur so, weil was ist schon lustiger? Ein bisschen so wie das Männerballett im Karneval oder die Jungfrau im Kölner Dreigestirn. Man fühlt sich auch an die Travestieshows erinnert, die das Konzept von Drag kommerzialisiert haben und Junggesellinnenabschieden ein natürliches Revier bieten: „Hihi, schau mal, der verkleidet sich als Frau." Der Münsteraner Tatort hat genau das gleiche Konzept in den Sonntagabendkrimi transportiert. Dieser Film war kein Plädoyer für die Ehe für alle, sondern eine spießige Posse, in der Homosexualität die Pointe eines Altherrenwitzes ist.

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Titelfoto: WDR/Martin Valentin Menke