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Reisen

Wie eine Fahrt von London in die Mongolei mir zu einer neuen Sicht auf das Leben verhalf

Nachdem Felix Mantz' Lunge kollabierte, beschloss er, dass es Zeit für ein neues Abenteuer war: die Mongol Rally.

Wie viele Stunden verbringen wir damit, ausdruckslos auf unsere Bildschirme zu starren und von einem neuen, aufregenden Leben fernab des Büros oder unseres winzigen WG-Zimmers zu träumen? Genug Stunden, um sie zu Tagen, dann Monaten zusammenzuaddieren, bis einem irgendwann klar wird, dass man jetzt schon seit sieben Jahren auf denselben Bildschirm starrt, und das Abenteuerlichste, was man geschafft hat, ein Kurzausflug an die Ostsee war. Meistens bedarf es erst einer sehr gravierenden, ja vielleicht lebensbedrohlichen Erfahrung, um endlich aufzustehen, den Computer runterzufahren und das zu machen, von dem man schon so unendlich lange spricht.

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Für den 24-jährigen Felix Mantz war diese Erfahrung der Kollaps seiner Lunge. Dieser zwang Felix, sein Leben neu zu überdenken und machte ihm bewusst, dass er besser das Jetzt nutzen sollte, statt ständig über „Die Zukunft" nachzudenken. Die meisten Leute wären in so einem Moment wohl in ein Flugzeug gestiegen, um sich in der Wärme auszukurieren. Nicht so Felix. Der meldete sich stattdessen, nachdem er sich zu Hause erholt hatte, für die superbeschwerliche Mongol Rally an—eine Art „Autorennen", das in London anfängt und in der Mongolei endet. Die Teilnehmer können sich ihre Route selbst aussuchen und soviel Zeit dafür nehmen, wie sie wollen. Die einzige Voraussetzung? Das Auto muss so wenig TÜV-tauglich sein wie irgend möglich. Felix fuhr mit einem Freund 17.000 km durch 17 verschiedene Länder. Hier erzählt er uns von seiner Reise:

Die Idee hinter der Rally ist, dass man sich nicht vorbereitet. Man fährt sie nicht in einem Jeep und man soll vorher so wenig wie möglich wissen—es geht darum, sich auf ein Abenteuer einzulassen. Deshalb machten wir uns in einem alten Ford Fiesta auf den Weg, der dann auch unzählige Male den Geist aufgab. Wir hatten lediglich ein Reparaturhandbuch dabei und das half uns eigentlich fast nie wirklich weiter. Ich hatte mich dann doch ein wenig belesen, bevor wir uns auf den Weg machten, und wusste schon über ein paar der Gefahren Bescheid, die uns auf der Strecke von London in die Mongolei begegnen konnten—aber der Plan war, nicht zu viel darüber nachzudenken und einfach sicher zu gehen, dass wir genug Zeit hatten, um mit eventuellen Problemen klarzukommen.

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Wir hatten genug Geld dabei, um unsere Sicherheit zu gewährleisten, obwohl andere Teilnehmer der Rally es zu einfach finden, sich in Zweifelsfall mit Geld freizukaufen.

Unsere Reise führte uns von London in die Türkei, durch den Iran, Turkmenistan, Usbekistan und dann hoch nach Kasachstan und durch Russland in die Mongolei (unser eigentlicher Zielort war genau genommen allerdings Ulan-Ude im Osten Russlands). Bevor wir losfuhren, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es wirklich gefährlich werden würde. Aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass wir von türkischen Militärs mit gezogener Waffe verhaftet werden würden …

Das passierte, als wir in Richtung Iran unterwegs waren und einen kleinen Grenzposten erreichten, der aber geschlossen war. Weil wir dachten, dass es sich damit wie mit jeder schnöden innereuropäischen Grenze verhielt, wo es keinen interessiert, beschlossen wir, hier uns Lager aufzuschlagen und die Grenze am nächsten Morgen zu passieren. Was wir nicht wussten, war, dass die Grenze bewacht war. Kurz nachdem wir unser Lager errichtet hatten, gingen im Tal, wo sich ein, wie wir dachten, verlassener Militärstützpunkt befand, die Sirenen los. Er war ganz offensichtlich doch nicht so verlassen. Wir sahen, wie zwei gepanzerte Fahrzeuge einen Hang hinunterkamen und anfingen, links und rechts von uns Soldaten abzusetzen. Bevor wir wussten, wie uns geschah, waren wir von circa 15 türkischen Soldaten umringt. Es war ein ziemlich ernüchternder Moment, besonders als wir mitbekamen, wie einer von ihnen sein Gewehr anlegte und auf uns richtete. Aber, nachdem ihnen klar geworden war, dass wir nur dumme Touristen waren, legte der befehlshabende Offizier prompt sein Gewehr zur Seite und zog seine Schutzweste aus. Nach einem kleinen Wortwechsel in gebrochenen Türkisch nahmen sie uns mit in ihren Stützpunkt, teils um unsere Papiere zu prüfen, aber auch zu unserer eigenen Sicherheit, da die Gegend zu dieser Zeit extrem instabil war. Und tatsächlich ging in derselben Nacht 20 km weiter die Grenze entlang eine Bombe hoch, also war es wohl ganz gut, dass sie uns mitgenommen hatten. Wir waren sechs Wochen unterwegs und campierten fünf Tage die Woche draußen. Eine Nacht pro Woche gönnten wir uns ein Hotel und eine weitere Nacht versuchten wir, bei Leuten vor Ort unterzukommen. Wir lernten unterwegs Leute kennen, quatschten mit ihnen und sie luden uns dann oft zu sich ein. Ganz zu Beginn unserer Reise kam ich auf der Fähre nach Belgien mit einem Typen ins Gespräch. Ihm gefiel die Idee mit der Rally und er bot uns schon nach unserem ersten Reisetag an, bei ihm zu übernachten. Später schliefen wir eine Nacht in der Nähe von Mary—einer Stadt in einer Oase in der Wüste Karakum in Turkmenistan—bei einem Automechaniker, der uns half, unser Auto wieder flott zu kriegen, als wir nach einem Unfall praktisch einen Totalschaden hatten. In Europa wäre das Ding reif für den Schrottplatz gewesen, aber er schaffte es innerhalb von circa zehn Stunden, die Kiste wieder zum Laufen zu bringen. Wir haben an mehreren Orten bei Automechanikern übernachtet, die sich unserer erbarmten, wenn unser Auto mal wieder den Geist aufgab—was ziemlich oft passierte. Sie halfen uns, es so zusammenzuflicken, dass wir unsere Reise fortsetzen konnten.

Wenn man an etwas wie der Mongol Rally teilnimmt, lernt man sehr schnell auf die kleinen alltäglichen Annehmlichkeiten zu verzichten und auf Dinge, die man eigentlich für lebensnotwendig hält. Ich ließ mein normales Leben—meinen Bürojob, meinen Anzug—komplett hinter mir. Als ich wieder zu Hause ankam, war es fast seltsam, einen ganzen Schrank voll Klamotten zu haben, statt nur drei dreckige T-Shirts. Würde ich die Mongol Rally noch einmal machen? Nein. Aber nur, weil ich sie jetzt schon gemacht habe. Im Prinzip würde so etwas auf jeden Fall wieder machen. Ich denke darüber nach, als nächstes Indien von Norden nach Süden zu durchqueren, und zwar in einer Autorikscha. Wie meine Reise in die Mongolei bedeutet eine solche Herausforderung, dass man die ausgetretenen Pfade verlässt und eine ganzheitlichere und unvergesslichere Erfahrung macht.