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​Der Friedenswinter—Eine Lose-Lose-Situation

Die Montagsmahnwachen versuchen sich einen seriösen Anstrich zu verleihen und die klassische Friedensbewegung will sich verjüngen.
Lars Mährholz und Dieter Dehm (mit Megaphon) von Die Linke in der ersten Reihe des Friedenswinters

Es ist ruhiger geworden in Sachen „Montagsdemos für den Frieden". Nach mehreren tausend Teilnehmern am Anfang dieser „Bewegung" kam es zu Spaltungen und internen Streitereien. Mittlerweile gehen nur noch gut 50 Teilnehmer mit dem immer gleichen Sermon über Kriegstreiber, Systempresse und die fiesen Juden auf die Straße.

Man muss sich also verändern und seriöser werden. Anfang des Monats wurde ein Aufruf veröffentlicht, der​ eine neue Russlandpolitik fordert und der unter anderem von Roman Herzog, Gerhard Schröder, Reinhard Mey, Mario Adorf und anderen unterzeichnet wurde. Dieses Papier schien wie geschaffen, um von den Protagonisten der neuen Friedensbewegung für ihre Zwecke genutzt zu werden. Unter der inoffiziellen Leitung von Ken Jebsen und Lars Mährholz versuchte man, die eigene Bewegung zu vergrößern und bandelte mit der klassischen Friedensbewegung an, die schon ​seit Längerem mit den neuen Montagsmahnwachen und ihren Protagonisten hadert.

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In Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, Parteien und eben der klassischen Friedensbewegung wurde zu „Friedenswinter 2014/15" aufgerufen. Im März dieses Jahres hatte sich die „Kooperation für den Frieden" noch ​eindeutig von den Mahnwachen distanziert, mittlerweile ruft sie (immerhin einer der wichtigsten Akteure in der deutschen Friedensbewegung) ​zur Teilnahme an den Demos zum Friedenswinter auf. In mehreren deutschen Städten fanden also am Samstag Demonstrationen statt. Die Hauptveranstaltung in Berlin zog zum Schloss Bellevue, dem Sitz des Bundespräsidenten.

Was zunächst wie ein Ritterschlag für Jebsen, Mährholz und Co. aussah, ging dann aber schnell (wie so oft in dieser Bewegung) nach hinten los. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, das Forum gegen Rüstungsexporte und andere Gruppen ​distanzierten sich schnell wieder, wahrscheinlich als ihnen bewusst wurde, mit ​wem sie sich fast auf die Straße gestellt hätten. Auch Sarah Wagenknecht, die ihre Teilnahme angekündigt hatte, musste kurzfristig wegen eines Termins absagen.

Tatsächlich war es dann eine relativ große Menschenmenge, die sich am Samstag einfand. Nach Angaben des Veranstalters nahmen bis zu 4000 Menschen teil. Hauptthema war ​Kritik an Joachim Gauck, der in den letzten Wochen eine ​stärkere Beteiligung Deutschlands an internationalen Militäreinsätzen gefordert hatte. Diese Kritik wurde mit der Forderung nach „Frieden mit Russland" gepaart. Und dem Ruf nach Verständnis für Putin, der das Völkerrecht gebrochen und mit der eigenen Armee Teile eines anderen Landes annektiert hat. Trotz alledem erscheint Putin für die Teilnehmer als Friedensfürst, der vom Westen und vor allem von den „Systemmedien" missverstanden und falsch dargestellt wird.

Die übliche Klientel der Montagsmahnwachen, bestehend u.a. aus ​Verschwörungstheoretikern, Chemtrailgläubigen und Reichsbürgern, war auch bei dieser Demo vor Ort, allerdings setzte man bei der Auswahl der Redner, zumindest im offiziellen Teil der Veranstaltung, auf etablierte Stimmen, die (nicht in der Tradition der Montagsdemos) auch tatsächlich in der Lage waren, einen in sich schlüssigen Redebeitrag zu liefern.

Daran lassen sich auch die Probleme der beiden Gruppen erkennen, von denen man sich vermutlich eine gegenseitige Lösung erhofft. Auf der einen Seite steht die klassische, etablierte und respektierte Friedensbewegung, die auch in der Zusammensetzung ihrer Unterstützer das ist. Nämlich klassisch. Sprich hauptsächlich alt und offensichtlich nicht wirklich angekommen in der Welt der sozialen Medien, wo sich wiederum die Teilnehmer der neuen Montagsdemos auskennen, die gleichzeitig auch eher unter 60 sind. Wie sich diese Zusammenarbeit in den nächsten Monaten weiter darstellen wird, muss man wohl abwarten. Auch wenn man am Samstag versucht hat, einen guten Eindruck zu hinterlassen, werden sich die Montagsdemoprotagonisten es sich sicherlich nicht nehmen lassen, ihre bizarren Meinungen auch weiterhin kundzutun. Und man kann sicher davon ausgehen, dass sie jeden Versuch der politisch weitaus besser geschulten und intellektuelleren Vertreter der Friedensbewegung, auf diese Meinungen einzuwirken, als Angriff auf ihre Meinungsfreiheit interpretieren werden. Eine weitere Spaltung kann man also schon fast am Horizont sehen. So oder so ist das ganze allerdings ein Schritt in Sachen Legitimierung für die etablierteren Vertreter der neuen Montagsdemo um Ken Jebsen, Lars Mährholz und Pedram Shahyar, die ihre angeblich so furchtbar unpolitische Ideologie jetzt auf einer etwas größeren Bühne präsentieren dürfen.

Für die etablierte Friedensbewegung wird es aber vermutlich nicht gerade förderlich sein, wenn sie ab jetzt mit Chemtrails und der BRD GmbH assoziiert wird.

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