FYI.

This story is over 5 years old.

News

Mein Freund hat versucht, Tony Blair zu verhaften

Fünf Briten haben bereits versucht Tony Blair festzunehmen, da sie ihn für einen Kriegsverbrecher halten. Mein Freund Twiggy ist einer von ihnen.

Foto [via](http:// http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Blair_MOF.jpg)

Hast du schonmal davon geträumt, wie Batman einen Schurken festzunehmen und ihn der Polizei zu übergeben, weil diese einfach zu unfähig ist? Dann solltest du dich vielleicht mit der Thematik der Jedermann-Festnahme oder des Anhalterechts Privater, wie es bei uns in Österreich heißt, also des Bürgerarrests auseinandersetzen. Es gibt nämlich in vielen Staaten für ganz normale Menschen die Möglichkeit, Verbrecher, die sie auf frischer Tat ertappen, festzuhalten, bis die Polizei auch endlich soweit ist.

Anzeige

In England ist der Citizen’s Arrest im Police and Criminal Evidence-Gesetz verankert. Ursprünglich stammt die Idee aus dem Mittelalter, wo es unter dem Common Law erlaubt war, dass Bürger andere Bürger, die Straftaten begangen haben, festhalten, um so die Polizei zu unterstützen.

Mein Freund Twiggy denkt, wie ungefähr ein Fünftel aller Briten, dass George W. Bush und Tony Blair Kriegsverbrecher sind. Deshalb haben bisher fünf Menschen versucht, eine Jedermann-Festnahme an Tony Blair durchzuführen—der fünfte von ihnen ist Twiggy.

**VICE: Freitagabend hast du Tony Blair *quasi als Jedermann* festgenommen. Wie fühlst du dich?**
Twiggy Garcia: Ich fühle mich großartig. Mich haben viele Leute angerufen, um mir ihr Lob auszusprechen. Ich kann es noch immer nicht glauben, dass ich die Gelegenheit hatte, den ehemaligen Premierminister festzunehmen.

War das eine geplante Aktion? Bist du morgens aufgewacht und wusstest, dass du versuchen würdest, Tony Blair zu verhaften?
Es war kein richtiger Plan, aber ich wollte es schon seit einigen Jahren tun. Seitdem ich die Website arrestblair.org gesehen habe, habe ich auf eine Möglichkeit gewartet. Dann kam es, dass wir zur gleichen Zeit am gleichen Ort waren. Ich glaube, dass Blair für den Massenmord an irakischen Zivilisten verantwortlich ist, nachdem er unser Land in einen illegalen Krieg geführt hat und gegen die Artikel 31 und 51 der UN-Charta verstoßen hat, die Großbritannien unterschrieben hat.

Anzeige

Wo hast du ihn gesehen?
Im Restaurant Tramshed in Shoreditch—ich habe an der Bar gearbeitet. Mein Pulsschlag erhöhte sich, als ich herausfand, dass er sich im Gebäude befand. Es war unheimlich, ein paar andere Angestellte bemerkten es ebenfalls. Es war kein gewöhnlicher Abend. Ich konnte nicht glauben, dass er da war. Seine Leibwächter saßen direkt vor mir an der Bar, und ich wurde nervös, weil ich dachte, sie hätten gehört, wie ich sagte: „Soll ich ihn unter Bürgerarrest stellen?“

Hast du impulsiv gehandelt oder vorher überlegt, was du tun wirst?
Ich habe eine Weile darüber nachgedacht. Ich bin auf die arrestblair-Website gegangen, um nachzulesen, wie man einen Bürgerarrest durchführt. Dann habe ich mit ein paar anderen Angestellten gesprochen, die sagten, dass ich es nicht tun sollte. Schließlich rief ich meinen Freund Callum an und erzählte ihm von meinem Plan. Er sagte: „Mach es.“ Das war alles, was ich brauchte.

Twiggy Garcia

Was hat er gerade getan, als du ihn verhaftet hast?
Er war ein Stockwerk höher im Restaurant, saß am Kopfende eines Tisches und aß mit acht anderen Personen zu Abend. Ich denke, dass er mit seiner Familie und ein paar Freunden dort war. Ich ging zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: „Mr. Blair, dies ist eine Jedermann-Festnahme. Ich nehme Sie wegen Verbrechen gegen den Frieden fest, genauer gesagt für Ihre Entscheidung, einen grundlosen Krieg gegen den Irak zu beginnen. Ich fordere Sie auf, mich zu einem Polizeirevier zu begleiten und sich der Anklage zu stellen.“

Anzeige

Wie hat er reagiert?
Er sagte: „Nein, sollten Sie sich nicht eher um Syrien kümmern?“ Ich sagte, dass ich mich immer nur um Dinge kümmern kann, die zu einer bestimmten Zeit in meiner Reichweite liegen. Dann fragte er mich: „Denken Sie nicht, dass Saddam ein brutaler Diktator war, der entfernt werden musste?“ Ich antwortete: „Nicht durch einen illegalen Krieg.“ Dann fing er an, darüber zu sprechen, wie viele Leute in den 80ern gestorben sind. Ich paraphrasierte Robin Cooks Rücktrittsrede und fragte, warum wir einen Krieg führen müssen, um einen Herrscher zu entfernen, den wir selbst eingesetzt haben, und ob es nicht unsere Regierung und die USA waren, die Saddam mit Waffen ausgestattet haben.

Was hat er dazu gesagt?
Er wechselte wieder das Thema und kam wieder auf Syrien zu sprechen. Er sagte: „Ich denke, ehrlich gesagt, dass Sie sich eher Gedanken um Syrien machen sollten.“ Ich erklärte ihm noch einmal, dass ich ihn unter Bürgerarrest stelle, weil er ein Kriegsverbrecher ist, und forderte ihn auf, mich aufs Revier zu begleiten und sich der Anklage zu stellen.

Ich vermute, dass er das wieder höflich ablehnte. Was ist dann passiert?
Einer seiner Söhne stand auf, um die zivilen Sicherheitsmänner zu holen. Ich beschloss, schnell aus der Sache herauszukommen. Ich hatte in der Vergangenheit ein paar Zusammenstöße mit der Polizei, und es endete nie gut. Sie haben keinen Respekt gegenüber den Gesetzen, die sie beschützen sollen. Ich habe meinen Job umgehend geschmissen—ich hatte sowieso vorgehabt zu kündigen. Seitdem habe ich nicht mehr mit meinen Arbeitgebern gesprochen. Es tut mir ein bisschen leid … Sie waren wirklich nett.

Hat Blair so reagiert, wie du es erwartet hast?
Eigentlich hat sich alles so entwickelt, wie ich es erwartet hatte, ich hätte nur nicht gedacht, dass er anfangen würde, mit mir zu diskutieren. Wahrscheinlich glaubt er die Lügen, die aus seinem Mund kommen, tatsächlich. Wie wir wissen, wurde der humanitäre Aspekt erst erwähnt, als die Entscheidung, den Krieg zu beginnen, schon getroffen war und Blair und Bush keine Genehmigung des Weltsicherheitsrates bekamen.

Welche Konsequenzen erhoffst du dir von den versuchten Festnahmen?
Das hält die Menschen hoffentlich davon ab zu vergessen, dass er ein Kriegsverbrecher ist. Ich hoffe, dass er eines Tages in Den Haag angeklagt wird. Die Leute scheinen zu denken, dass diese Gesetze nur für Nazis und afrikanische Warlords gelten.

Würdest du etwas anders machen, wenn du ihm noch einmal begegnen würdest?
Wahrscheinlich würde ich es von jemandem filmen lassen. Ich habe mich nicht getraut, mein Handy rauszuholen, weil ich Angst hatte, dass seine Leibwächter es mir wegnehmen würden. Die Polizisten haben mein Handy fünf Monate lang behalten, obwohl ich nichts Illegales getan hatte. Die sind scheiße.

Danke, Twiggy.