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Popkultur

Wie viel Geld kann man als Online-Poker-Anfänger verdienen?

Mein Ziel war es, innerhalb einer Stunde zum Millionär zu werden. Eigentlich ein Kinderspiel, oder?

Jonathan Duhamel, der WSOP-Champion 2010 | Foto: Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0

Genauso wie die meisten anderen Aspekte meiner durchaus erbärmlichen Existenz ist auch mein Poker-Interesse das Resultat des stundenlangen YouTube-Compliation-Konsums. Normalerweise sind TV-Übertragungen von Poker-Turnieren eher etwas für Leute, die an Schlaflosigkeit leiden, oder einsame Typen, die nach einer Kneipentour alleine nach Hause kommen und erstmal ein Stück kalte Pizza futtern. Aber dann gibt es da auch noch mich: Ich kann auch so stundenlang vorm Computer sitzen und mir Videos von „krassen" Händen, Spieler-Streitereien und sogenannten „Slowrolls" (neben dem Erschießen von Wild Bill Hickok wohl das schlimmste No-Go beim Pokern) reinziehen.

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Als ich mir letzte Nacht das fünfte Video vom selbsternannten „Poker-Ekel" Phil Hellmuth ansah, in dem er irgendeinen armen Typen als Idioten beschimpft, kam mir ein Gedanke: „Wie schwer kann das eigentlich schon sein? Wenn ich die Tipps und Tricks meiner Fernseh-Poker-Helden wie etwa dem Ex-Junkie-Außenseiter Justin Schwartz beachte, kann dann auch ich ordentlich Moneten machen? Hab ich das Zeug dazu, der nächste Gewinner der prestigeträchtigen World Series of Poker zu werden?"

Also besorgte ich mir die „Full Tilt"-Poker-App, investierte 40 Pfund in Startkapital und war quasi bereit für ein paar heiße Runden Texas Hold 'Em. Zuerst musste ich jedoch noch zwei essentielle Online-Poker-Voraussetzungen erfüllen:

Energy-Drinks sind Pflicht

Foto: Mike Mozart | Flickr | CC BY 2.0

Jeder Mensch mit einem Gehirn und einem Mangel an Vitamin D weiß, dass bei jeglichen Online-Wettkämpfen der einzige Weg zum Erfolg über das nächtelange Durchzocken führt. Und wenn man zu arm für einen stetigen Fluss an Kokain ist, dann müssen eben Energy-Drinks den Job des Wachhalters übernehmen. Und so trank ich zur Vorbereitung auf das langwierige Kartenspiel meine erste Dose Monster. Ich will hier nicht lügen: Das Ganze war eine verdammt ekelhafte Erfahrung. Nach drei Schluck hatte ich das Gefühl, als würden meine Zähne vom Zucker zerfressen werden.

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Die Sonnenbrille muss sitzen

Es hat den Anschein, als würde jeder mindestens mittelmäßig gute Poker-Spieler für den vollständigen Pokerface-Effekt eine Sonnenbrille auspacken. Ja, ich spielte zwar online, aber man braucht auch für die digitale Kartenschlacht eine ordentliche Portion Selbstvertrauen. Ich meine, ich legte mich hier ja mit richtigen Poker-Nerds an. Die können es mit Sicherheit spüren, wenn man ganz nervös an seiner Maus rumfummelt, nur weil man ein Zweier-Pärchen auf die Hand bekommen hat. Ich musste einfach die Fassung bewahren können. Also wurden meine Augen verspiegelt und der Rest des Energy-Drinks reingepresst. Ich war bereit. Jetzt musste ich nur noch das umsetzen, was ich von den Meistern gelernt hatte:

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Sei ein Arschloch

Abgesehen von dummen Wetten unter Kumpels, bei denen mit dem Einsatz von Geld nur gezeigt werden soll, für wie scheiße man ein Fußballteam wirklich hält, hatte ich mich bis dato noch nie wirklich mit Glücksspiel beschäftigt. Da es hier allerdings ebenfalls um richtiges Geld ging, musste ich mich natürlich gleich von meiner bösesten Seite zeigen. Mit ordentlich Taurin und L-Carnitin im Blut hielt ich es für schlau, meinen Poker-Freunden ein paar Breitseiten zu verpassen. Wenn ich es schaffen würde, ihr Selbstvertrauen von Anfang an auf einem lächerlichen Minimum zu halten, dann hätten sie mit Sicherheit auch mehr damit zu kämpfen, gegen meine wagemutigen Einsätze anzukommen. Natürlich muss man hier auch bedenken, dass ich nur 20 Dollar Kapital hatte und die Blinds bei weniger als einem Dollar lagen—aber irgendwo muss man als High Roller ja anfangen, richtig? Rom wurde ja auch nicht an einem Tag erbaut.

Stifte Unruhe, indem du ständig versuchst, die Hände deiner Gegner zu erraten

Der kanadische Poker-Spieler Daniel Negreanu hat in den vergangenen zehn Jahren ganze sechs Mal die World Series of Poker gewinnen können. Außerdem ist er eine ziemliche Quasselstrippe, die während des Spiels ständig am Rumlabern ist und dabei (normalerweise erfolgreich) versucht, die Karten der anderen Spieler zu erraten und damit für ordentlich Psychostress zu sorgen. Mir wurde jedoch schnell klar, dass das Ganze ohne meine donnernde Bariton-Stimme und ohne drohenden Tonfall am Computer wohl nicht so viel Wirkung zeigen würde. Ich musste es jedoch zumindest versuchen.

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Bei der oben zu sehenden Runde konnte ich dann richtig spüren, wie sich der Ninja und der Pirat in Acht nahmen und der Hund ganz kurz davor war, sein Blatt wegzuschmeißen—und das bei einem unglaublich hohen Pot von 1,67 Dollar!

Die ganze Taktik ergibt jedoch keinen Sinn, wenn man sie nur einmal anwendet. Man muss immer am Ball bleiben und auf folgende Punkte bestehen: Man selbst ist ein Poker-Guru—quasi der Nostradamus im digitalen Las Vegas—und die Anderen sollten deine Superkräfte besser nicht auf die Probe stellen, es sei denn, sie wollen ihren Einsatz (der ungefähre Preis einer Flasche Cola) direkt wieder verlieren.

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Gewöhn dich lieber an Enttäuschungen

Trotz meiner ganzen Prahlerei lief es doch eher ziemlich beschissen. Nachdem sich für mich zum Beispiel ein Full House mit Damen und Königen ergeben hatte—ich fühlte mich direkt wie der beste Diplomat der Welt—, schaffte es der Chipleader trotzdem irgendwie, am Ende mit der besseren Hand dazustehen. Daraufhin kam ich mir eher vor, wie der beschissenste Diplomat der Welt.

Mein von Anfang an magerer Buy-In von 20 Dollar war nun auf kümmerliche 4,48 Dollar zusammengeschrumpft. Ich hatte meine Helden enttäuscht. Es tut mir leid, Daniel Negreanu, Wild Bill Hickok und Dan „Action" Harrington. Ich bin eben doch nur ein weiteres Mitglied im Club der loserhaften Loser.

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Leck deine Wunden

Mein Energiepegel sank langsam gegen Null. Zwar hatte ich es geschafft, mich wieder bis zu einem Guthaben von 16 Dollar oder so hochzuarbeiten, aber nachdem ich mich nun selbst mit vom Koffein angetriebenen Fingern als Poker-Ass versucht hatte, war meine Meinung zu diesem Glücksspiel eine ganz andere als zuvor. Natürlich stand ich auf den Adrenalinschub, der einen beim Gewinnen durchfährt, aber ich hatte selbstverständlich auch keine Lust darauf, meinen ganzen Einsatz zu verlieren.

Ich dachte immer, dass das Dasein als Poker-Spieler vor allem mit viel Lug und Trug, einer Menge Energy-Drinks sowie einem Arschloch-Charakter einhergeht—und da ist mit Sicherheit auch was dran. Ich habe jedoch auch eine neue, wertvolle Lektion gelernt: Beim Pokern ist ein gewisses Maß an Können unerlässlich und man muss sowohl an sich selbst als auch an seine Mitspieler glauben.

Ich verließ den Tisch zum rechten Zeitpunkt—also bevor ich in den Schlund des Glücksspiels gerissen werden konnte, der schon so viele Leute vor mir verschlungen hat.

Scherz, ich habe natürlich alles verspielt.